Ziele. Wie lange schon bemüh ich mich, durchaus ein Lump zu werden, -- und es ist mir immer noch nicht gelungen.
Wenn ich doch nur klar denken könnte! Ich möchte Dirs so gerne auseinandersetzen, Jurist, der Du bist.
Aber: Diese Blasen im Gehirn. Verschlammter Grund. Gurgelgase, Fuselgase. Ich weiß schon nicht mehr, was ich Dir auseinandersetzen wollte. Es wird wohl eine Lüge gewesen sein.
Daran darf nicht gezweifelt werden! Immer hab ich gelogen! Immer! Sieh nur meine Tage¬ bücher durch.
Die Verse! Die Verse! Am liebsten hab ich mich selber belogen, und rhythmisch.
Wenn ich nur die Kraft gehabt hätte, das immer so zu fühlen, wie jetzt. Wenn ich mir nur über mein Talent nicht erst jetzt klar würde, wo es zu spät ist, wo ich nicht mehr die Kraft habe, es systematisch auszunutzen! Ich hätte nie was wollen sollen. Das Wollen war für mich eine ungesunde Lüge.
Dichter wollte ich werden, weil ich Verse machen konnte. Das war die Heckeratte, die infame. Wenn ich "Kritiker" geblieben wäre, -- Du, was wäre ich da für ein ganzer Kerl geblieben, in Samet
Viertes Buch, Schlußkapitel.
Ziele. Wie lange ſchon bemüh ich mich, durchaus ein Lump zu werden, — und es iſt mir immer noch nicht gelungen.
Wenn ich doch nur klar denken könnte! Ich möchte Dirs ſo gerne auseinanderſetzen, Juriſt, der Du biſt.
Aber: Dieſe Blaſen im Gehirn. Verſchlammter Grund. Gurgelgaſe, Fuſelgaſe. Ich weiß ſchon nicht mehr, was ich Dir auseinanderſetzen wollte. Es wird wohl eine Lüge geweſen ſein.
Daran darf nicht gezweifelt werden! Immer hab ich gelogen! Immer! Sieh nur meine Tage¬ bücher durch.
Die Verſe! Die Verſe! Am liebſten hab ich mich ſelber belogen, und rhythmiſch.
Wenn ich nur die Kraft gehabt hätte, das immer ſo zu fühlen, wie jetzt. Wenn ich mir nur über mein Talent nicht erſt jetzt klar würde, wo es zu ſpät iſt, wo ich nicht mehr die Kraft habe, es ſyſtematiſch auszunutzen! Ich hätte nie was wollen ſollen. Das Wollen war für mich eine ungeſunde Lüge.
Dichter wollte ich werden, weil ich Verſe machen konnte. Das war die Heckeratte, die infame. Wenn ich „Kritiker“ geblieben wäre, — Du, was wäre ich da für ein ganzer Kerl geblieben, in Samet
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0421"n="407"/><fwplace="top"type="header">Viertes Buch, Schlußkapitel.<lb/></fw> Ziele. Wie lange ſchon bemüh ich mich, durchaus<lb/>
ein Lump zu werden, — und es iſt mir immer<lb/>
noch nicht gelungen.</p><lb/><p>Wenn ich doch nur klar denken könnte! Ich möchte<lb/>
Dirs ſo gerne auseinanderſetzen, Juriſt, der Du biſt.</p><lb/><p>Aber: Dieſe Blaſen im Gehirn. Verſchlammter<lb/>
Grund. Gurgelgaſe, Fuſelgaſe. Ich weiß ſchon<lb/>
nicht mehr, was ich Dir auseinanderſetzen wollte.<lb/>
Es wird wohl eine Lüge geweſen ſein.</p><lb/><p>Daran darf nicht gezweifelt werden! Immer<lb/>
hab ich gelogen! Immer! Sieh nur meine Tage¬<lb/>
bücher durch.</p><lb/><p>Die Verſe! Die Verſe! Am liebſten hab ich<lb/>
mich ſelber belogen, und rhythmiſch.</p><lb/><p>Wenn ich nur die Kraft gehabt hätte, das<lb/>
immer ſo zu fühlen, wie jetzt. Wenn ich mir nur<lb/>
über mein Talent nicht erſt jetzt klar würde, wo<lb/>
es zu ſpät iſt, wo ich nicht mehr die Kraft habe,<lb/>
es ſyſtematiſch auszunutzen! Ich hätte nie was<lb/>
wollen ſollen. Das Wollen war für mich eine<lb/>
ungeſunde Lüge.</p><lb/><p>Dichter wollte ich werden, weil ich Verſe machen<lb/>
konnte. Das war die Heckeratte, die infame. Wenn<lb/>
ich „Kritiker“ geblieben wäre, — Du, was wäre<lb/>
ich da für ein ganzer Kerl geblieben, in Samet<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[407/0421]
Viertes Buch, Schlußkapitel.
Ziele. Wie lange ſchon bemüh ich mich, durchaus
ein Lump zu werden, — und es iſt mir immer
noch nicht gelungen.
Wenn ich doch nur klar denken könnte! Ich möchte
Dirs ſo gerne auseinanderſetzen, Juriſt, der Du biſt.
Aber: Dieſe Blaſen im Gehirn. Verſchlammter
Grund. Gurgelgaſe, Fuſelgaſe. Ich weiß ſchon
nicht mehr, was ich Dir auseinanderſetzen wollte.
Es wird wohl eine Lüge geweſen ſein.
Daran darf nicht gezweifelt werden! Immer
hab ich gelogen! Immer! Sieh nur meine Tage¬
bücher durch.
Die Verſe! Die Verſe! Am liebſten hab ich
mich ſelber belogen, und rhythmiſch.
Wenn ich nur die Kraft gehabt hätte, das
immer ſo zu fühlen, wie jetzt. Wenn ich mir nur
über mein Talent nicht erſt jetzt klar würde, wo
es zu ſpät iſt, wo ich nicht mehr die Kraft habe,
es ſyſtematiſch auszunutzen! Ich hätte nie was
wollen ſollen. Das Wollen war für mich eine
ungeſunde Lüge.
Dichter wollte ich werden, weil ich Verſe machen
konnte. Das war die Heckeratte, die infame. Wenn
ich „Kritiker“ geblieben wäre, — Du, was wäre
ich da für ein ganzer Kerl geblieben, in Samet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/421>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.