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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.

-- Mensch, wie schön sind Deine Gedanken! Und
ich hielt Dich keines Schwungs für fähig! Ver¬
zeihe mir! Aber Du mußt das Lokal mich be¬
stimmen lassen. Nur ist es schwer, denn Dein
Cylinder paßt nicht in meine Milieus . . . Aber
es geht schon. Die Gosenstube in der Klostergasse
ist ein Rahmen, der für Dich und mich paßt.
Auch giebt es dort wunderbare Sooleier und einen
Nordhäuser, der die Seele mit feurigem Besen fegt.
Du hast das ja nicht nötig; Deine Seele ist rein;
dafür kannst Du Dich ja an die milde Gose halten.
Ich aber werde mich auf Deine Kosten gewaltig
ausfegen.

Sie gingen in die Gosenstube und fanden einen
leeren Tisch. Stilpe aß mit Heißhunger und sehr
viel, die Gose aber benutzte er nur als Vorwand
für eine große Anzahl von Nordhäusern, die er
mit "Kutscherschwung" zu sich nahm, wobei es
stets den Anschein hatte, als wolle er das Glas
mit verschlingen.

Im Lichte der Gasflammen sah Girlinger, wie
ihm die letzten drei Jahre zugesetzt hatten. Das
unrasierte Gesicht fahl und aufgedunsen, die Lippen
bläulich, die Augen scheinbar kleiner geworden und
sehr unstät. Eine zuckende Unruhe im ganzen

Stilpe.

— Menſch, wie ſchön ſind Deine Gedanken! Und
ich hielt Dich keines Schwungs für fähig! Ver¬
zeihe mir! Aber Du mußt das Lokal mich be¬
ſtimmen laſſen. Nur iſt es ſchwer, denn Dein
Cylinder paßt nicht in meine Milieus . . . Aber
es geht ſchon. Die Goſenſtube in der Kloſtergaſſe
iſt ein Rahmen, der für Dich und mich paßt.
Auch giebt es dort wunderbare Sooleier und einen
Nordhäuſer, der die Seele mit feurigem Beſen fegt.
Du haſt das ja nicht nötig; Deine Seele iſt rein;
dafür kannſt Du Dich ja an die milde Goſe halten.
Ich aber werde mich auf Deine Koſten gewaltig
ausfegen.

Sie gingen in die Goſenſtube und fanden einen
leeren Tiſch. Stilpe aß mit Heißhunger und ſehr
viel, die Goſe aber benutzte er nur als Vorwand
für eine große Anzahl von Nordhäuſern, die er
mit „Kutſcherſchwung“ zu ſich nahm, wobei es
ſtets den Anſchein hatte, als wolle er das Glas
mit verſchlingen.

Im Lichte der Gasflammen ſah Girlinger, wie
ihm die letzten drei Jahre zugeſetzt hatten. Das
unraſierte Geſicht fahl und aufgedunſen, die Lippen
bläulich, die Augen ſcheinbar kleiner geworden und
ſehr unſtät. Eine zuckende Unruhe im ganzen

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[288/0302] Stilpe. — Menſch, wie ſchön ſind Deine Gedanken! Und ich hielt Dich keines Schwungs für fähig! Ver¬ zeihe mir! Aber Du mußt das Lokal mich be¬ ſtimmen laſſen. Nur iſt es ſchwer, denn Dein Cylinder paßt nicht in meine Milieus . . . Aber es geht ſchon. Die Goſenſtube in der Kloſtergaſſe iſt ein Rahmen, der für Dich und mich paßt. Auch giebt es dort wunderbare Sooleier und einen Nordhäuſer, der die Seele mit feurigem Beſen fegt. Du haſt das ja nicht nötig; Deine Seele iſt rein; dafür kannſt Du Dich ja an die milde Goſe halten. Ich aber werde mich auf Deine Koſten gewaltig ausfegen. Sie gingen in die Goſenſtube und fanden einen leeren Tiſch. Stilpe aß mit Heißhunger und ſehr viel, die Goſe aber benutzte er nur als Vorwand für eine große Anzahl von Nordhäuſern, die er mit „Kutſcherſchwung“ zu ſich nahm, wobei es ſtets den Anſchein hatte, als wolle er das Glas mit verſchlingen. Im Lichte der Gasflammen ſah Girlinger, wie ihm die letzten drei Jahre zugeſetzt hatten. Das unraſierte Geſicht fahl und aufgedunſen, die Lippen bläulich, die Augen ſcheinbar kleiner geworden und ſehr unſtät. Eine zuckende Unruhe im ganzen

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/302>, abgerufen am 18.05.2024.