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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Drittes Buch, viertes Kapitel.
diesen Falstaff am Schlusse so zu behandeln . . .
man könnte heulen! Überhaupt: Das ganze Stück
wird zur Tragödie durch diesen Schluß. Und diese
Parkett- und Galleriewanzen fühlen das gar nicht.
Oder etwa Du? Oh nein! Welch eine Genugthuung,
daß das fette Laster sein Teil kriegt. Widerlich.
Auch Shakespeare war ein kluger Herr und ver¬
stand das Geschäft wie Ludwig Fulda. Äh! Mich
hats gejuckt, laut aufzuschreien und diesem grünen
Tugendprotz von Heinrich meine Schlappstiefel an
den Kopf zu werfen.

-- Ein angenehmer Effekt.

-- Ja, aber er hätte mich meine künstlerische
Position gekostet. Nein, ich darf Shakespearen keine
Gemeinheit vorwerfen. Ich bin auch ein rechnendes
Schwein. Mangelnde Abendbrote demoralisieren.

Girlinger fing an, einen psychologischen Bissen
zu ahnen. Es mußte wohl interessant sein, das
Problem der Verlumptheit an einem konkreten und
dabei einigermaßen vertrauten Fall zu studieren.
Er liebte solche Studien, wenn sie bequem gemacht
werden konnten. Also lud er Stilpen ein, mit
ihm in ein Lokal zu gehen und Abendbrot zu essen.

Stilpe nahm diese Einladung mit Lebhaftig¬
keit an:

Drittes Buch, viertes Kapitel.
dieſen Falſtaff am Schluſſe ſo zu behandeln . . .
man könnte heulen! Überhaupt: Das ganze Stück
wird zur Tragödie durch dieſen Schluß. Und dieſe
Parkett- und Galleriewanzen fühlen das gar nicht.
Oder etwa Du? Oh nein! Welch eine Genugthuung,
daß das fette Laſter ſein Teil kriegt. Widerlich.
Auch Shakeſpeare war ein kluger Herr und ver¬
ſtand das Geſchäft wie Ludwig Fulda. Äh! Mich
hats gejuckt, laut aufzuſchreien und dieſem grünen
Tugendprotz von Heinrich meine Schlappſtiefel an
den Kopf zu werfen.

— Ein angenehmer Effekt.

— Ja, aber er hätte mich meine künſtleriſche
Poſition gekoſtet. Nein, ich darf Shakeſpearen keine
Gemeinheit vorwerfen. Ich bin auch ein rechnendes
Schwein. Mangelnde Abendbrote demoraliſieren.

Girlinger fing an, einen pſychologiſchen Biſſen
zu ahnen. Es mußte wohl intereſſant ſein, das
Problem der Verlumptheit an einem konkreten und
dabei einigermaßen vertrauten Fall zu ſtudieren.
Er liebte ſolche Studien, wenn ſie bequem gemacht
werden konnten. Alſo lud er Stilpen ein, mit
ihm in ein Lokal zu gehen und Abendbrot zu eſſen.

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[287/0301] Drittes Buch, viertes Kapitel. dieſen Falſtaff am Schluſſe ſo zu behandeln . . . man könnte heulen! Überhaupt: Das ganze Stück wird zur Tragödie durch dieſen Schluß. Und dieſe Parkett- und Galleriewanzen fühlen das gar nicht. Oder etwa Du? Oh nein! Welch eine Genugthuung, daß das fette Laſter ſein Teil kriegt. Widerlich. Auch Shakeſpeare war ein kluger Herr und ver¬ ſtand das Geſchäft wie Ludwig Fulda. Äh! Mich hats gejuckt, laut aufzuſchreien und dieſem grünen Tugendprotz von Heinrich meine Schlappſtiefel an den Kopf zu werfen. — Ein angenehmer Effekt. — Ja, aber er hätte mich meine künſtleriſche Poſition gekoſtet. Nein, ich darf Shakeſpearen keine Gemeinheit vorwerfen. Ich bin auch ein rechnendes Schwein. Mangelnde Abendbrote demoraliſieren. Girlinger fing an, einen pſychologiſchen Biſſen zu ahnen. Es mußte wohl intereſſant ſein, das Problem der Verlumptheit an einem konkreten und dabei einigermaßen vertrauten Fall zu ſtudieren. Er liebte ſolche Studien, wenn ſie bequem gemacht werden konnten. Alſo lud er Stilpen ein, mit ihm in ein Lokal zu gehen und Abendbrot zu eſſen. Stilpe nahm dieſe Einladung mit Lebhaftig¬ keit an:

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/301>, abgerufen am 22.11.2024.