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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.

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[Beginn Spaltensatz] jungen Blumen, sank jüngst der Frühling p3b_028.002
vom Himmel. Sein göttlicher p3b_028.003
Hauch wurde durch alle Naturen gefühlt. p3b_028.004
Der Schnee schmolz auf den p3b_028.005
Bergen, die Ströme traten aus den p3b_028.006
Ufern, die Wolken zergingen in Regen, p3b_028.007
Wellen schlug die Wiese, der Landmann p3b_028.008
erschrak. Noch einmal hauchte der p3b_028.009
Frühling. Da flohen die Nebel und p3b_028.010
verliehen der Erde den blauen Äther; p3b_028.011
wieder trank der Boden die Flut und p3b_028.012
die Ströme traten zurück in ihre vom p3b_028.013
Schilf begrenzten Betten. Zwar streute p3b_028.014
der weichende Winter, so oft er in den p3b_028.015
Nächten wiederkehrte, von seinen oft p3b_028.016
kräftigen Schwingen Reif, Schneegestöber p3b_028.017
und auch Frost, und er rief die p3b_028.018
gewaltigen Stürme. Diese kamen mit p3b_028.019
donnernder Stimme vom Nordpol angezogen, p3b_028.020
verheerten heulend die Wälder p3b_028.021
und durchwühlten die Meere bis auf p3b_028.022
den Grund. Da hauchte der Frühling p3b_028.023
noch einmal seinen belebenden Odem, p3b_028.024
und die Luft wurde sanft; aus den p3b_028.025
Stauden, Blumen und Saaten entstand p3b_028.026
ein grüner Teppich und bekleidete Thäler p3b_028.027
und Hügel &c.

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Frühling vom Himmel. Da ward sein p3b_028.102
göttlicher Odem durch alle Naturen gefühlt. p3b_028.103
Da rollte der Schnee von den p3b_028.104
Bergen, dem Ufer entschwollen die p3b_028.105
Ströme, die Wolken zergingen in Regen, p3b_028.106
die Wiese schlug Wellen, der Landmann p3b_028.107
erschrak. - Er hauchte noch p3b_028.108
einmal: Da flohen die Nebel und p3b_028.109
gaben der Erde den lachenden Äther, p3b_028.110
der Boden trank wieder die Flut, die p3b_028.111
Ströme wälzten sich wieder in ihren p3b_028.112
beschilften Gestaden. Zwar streute der p3b_028.113
weichende Winter bei nächtlicher Wiederkehr p3b_028.114
oft von kräftig geschüttelten p3b_028.115
Schwingen Reif, Schneegestöber und p3b_028.116
Frost und rief den unbändigen Stürmen: p3b_028.117
Die Stürme kamen mit donnernder p3b_028.118
Stimm' aus den Höhlen des Nordpols, p3b_028.119
verheerten heulende Wälder, p3b_028.120
durchwühlten die Meere von Grund p3b_028.121
auf. - Er aber hauchte noch einmal p3b_028.122
den allbelebenden Odem. Die Luft p3b_028.123
ward sanfter; ein Teppich, mit wilder p3b_028.124
Kühnheit aus Stauden und Blumen p3b_028.125
und Saaten gewebt, bekleidete Thäler p3b_028.126
und Hügel &c.

[Ende Spaltensatz]
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§ 11. Bildung anapästischer Viertakter.

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1. Am gebräuchlichsten sind neben anapästischen Achttaktern (Tetrametern) p3b_028.129
die anapästischen Viertakter (Dimeter).

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2. Ununterbrochen fortlaufende anapästische akatalektische Viertakter p3b_028.131
würden wohl der flüssigen Rede entsprechen, aber es würden p3b_028.132
keine Absätze entstehen. Um diese zu erreichen, möge man zuweilen p3b_028.133
einen katalektischen Viertakter oder auch einen Zweitakter einfügen. p3b_028.134
Durch dieses Kunststück haben die Dichter von jeher ihre anapästischen p3b_028.135
Systeme gebildet, z. B. Grosse, Geibel, Schiller, welcher katalektische p3b_028.136
Nachsätze einfügt.

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Anapästische Systeme hatten schon die Alten eingeführt; insbesondere p3b_028.138
war der Paroemiacus (BreveBreve-BreveBreve- | BreveBreve-), ein katalektischer anapästischer p3b_028.139
Dimeter, von jeher unterbrechender Vers oder Schlußvers p3b_028.140
eines solchen Systems. (Vgl. Hephäst. und Scholl.)

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3. Platen, der sich dieses Vorteils bedient, schließt mehrfach die

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[Beginn Spaltensatz] jungen Blumen, sank jüngst der Frühling p3b_028.002
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Hauch wurde durch alle Naturen gefühlt. p3b_028.004
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[28/0054] p3b_028.001 jungen Blumen, sank jüngst der Frühling p3b_028.002 vom Himmel. Sein göttlicher p3b_028.003 Hauch wurde durch alle Naturen gefühlt. p3b_028.004 Der Schnee schmolz auf den p3b_028.005 Bergen, die Ströme traten aus den p3b_028.006 Ufern, die Wolken zergingen in Regen, p3b_028.007 Wellen schlug die Wiese, der Landmann p3b_028.008 erschrak. Noch einmal hauchte der p3b_028.009 Frühling. Da flohen die Nebel und p3b_028.010 verliehen der Erde den blauen Äther; p3b_028.011 wieder trank der Boden die Flut und p3b_028.012 die Ströme traten zurück in ihre vom p3b_028.013 Schilf begrenzten Betten. Zwar streute p3b_028.014 der weichende Winter, so oft er in den p3b_028.015 Nächten wiederkehrte, von seinen oft p3b_028.016 kräftigen Schwingen Reif, Schneegestöber p3b_028.017 und auch Frost, und er rief die p3b_028.018 gewaltigen Stürme. Diese kamen mit p3b_028.019 donnernder Stimme vom Nordpol angezogen, p3b_028.020 verheerten heulend die Wälder p3b_028.021 und durchwühlten die Meere bis auf p3b_028.022 den Grund. Da hauchte der Frühling p3b_028.023 noch einmal seinen belebenden Odem, p3b_028.024 und die Luft wurde sanft; aus den p3b_028.025 Stauden, Blumen und Saaten entstand p3b_028.026 ein grüner Teppich und bekleidete Thäler p3b_028.027 und Hügel &c. p3b_028.101 Frühling vom Himmel. Da ward sein p3b_028.102 göttlicher Odem durch alle Naturen gefühlt. p3b_028.103 Da rollte der Schnee von den p3b_028.104 Bergen, dem Ufer entschwollen die p3b_028.105 Ströme, die Wolken zergingen in Regen, p3b_028.106 die Wiese schlug Wellen, der Landmann p3b_028.107 erschrak. ─ Er hauchte noch p3b_028.108 einmal: Da flohen die Nebel und p3b_028.109 gaben der Erde den lachenden Äther, p3b_028.110 der Boden trank wieder die Flut, die p3b_028.111 Ströme wälzten sich wieder in ihren p3b_028.112 beschilften Gestaden. Zwar streute der p3b_028.113 weichende Winter bei nächtlicher Wiederkehr p3b_028.114 oft von kräftig geschüttelten p3b_028.115 Schwingen Reif, Schneegestöber und p3b_028.116 Frost und rief den unbändigen Stürmen: p3b_028.117 Die Stürme kamen mit donnernder p3b_028.118 Stimm' aus den Höhlen des Nordpols, p3b_028.119 verheerten heulende Wälder, p3b_028.120 durchwühlten die Meere von Grund p3b_028.121 auf. ─ Er aber hauchte noch einmal p3b_028.122 den allbelebenden Odem. Die Luft p3b_028.123 ward sanfter; ein Teppich, mit wilder p3b_028.124 Kühnheit aus Stauden und Blumen p3b_028.125 und Saaten gewebt, bekleidete Thäler p3b_028.126 und Hügel &c. p3b_028.127 § 11. Bildung anapästischer Viertakter. p3b_028.128 1. Am gebräuchlichsten sind neben anapästischen Achttaktern (Tetrametern) p3b_028.129 die anapästischen Viertakter (Dimeter). p3b_028.130 2. Ununterbrochen fortlaufende anapästische akatalektische Viertakter p3b_028.131 würden wohl der flüssigen Rede entsprechen, aber es würden p3b_028.132 keine Absätze entstehen. Um diese zu erreichen, möge man zuweilen p3b_028.133 einen katalektischen Viertakter oder auch einen Zweitakter einfügen. p3b_028.134 Durch dieses Kunststück haben die Dichter von jeher ihre anapästischen p3b_028.135 Systeme gebildet, z. B. Grosse, Geibel, Schiller, welcher katalektische p3b_028.136 Nachsätze einfügt. p3b_028.137 Anapästische Systeme hatten schon die Alten eingeführt; insbesondere p3b_028.138 war der Paroemiacus (⏑⏑–⏑⏑─́ │ ⏑⏑–⏓), ein katalektischer anapästischer p3b_028.139 Dimeter, von jeher unterbrechender Vers oder Schlußvers p3b_028.140 eines solchen Systems. (Vgl. Hephäst. und Scholl.) p3b_028.141 3. Platen, der sich dieses Vorteils bedient, schließt mehrfach die

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/54>, abgerufen am 24.11.2024.