Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_027.001 p3b_027.003 p3b_027.008 p3b_027.012 p3b_027.014 p3b_027.020 p3b_027.022 [Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_027.026 Lösung von Kleist. (Anapäste und p3b_027.102 p3b_027.103 p3b_027.001 p3b_027.003 p3b_027.008 p3b_027.012 p3b_027.014 p3b_027.020 p3b_027.022 [Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_027.026 Lösung von Kleist. (Anapäste und p3b_027.102 p3b_027.103 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0053" n="27"/><lb n="p3b_027.001"/> von jambisch=anapästischem Rhythmus und nennt die Verse gemischt <lb n="p3b_027.002"/> (logaödisch).</p> <p><lb n="p3b_027.003"/> 3. Die Alten (Äschylus, Sophokles, Aristophanes) verwendeten <lb n="p3b_027.004"/> den Anapäst, um der Leidenschaft den nötigen Ausdruck zu verleihen. <lb n="p3b_027.005"/> Jm Deutschen bedient man sich desselben in Gedichten, die ein mutiges <lb n="p3b_027.006"/> Fortschreiten, lebhaften Schwung und leichte Beweglichkeit der Gefühle <lb n="p3b_027.007"/> beweisen sollen.</p> <p><lb n="p3b_027.008"/> 4. Da ein Jambus ebensoviel Zeit beansprucht, als ein Anapäst, <lb n="p3b_027.009"/> so können im anapästischen Rhythmus überall auch Jamben stehen. <lb n="p3b_027.010"/> (Vgl. Poetik <hi rendition="#aq">I</hi>, 254 ff.) Jhr Vorkommen muß indes ein beschränktes <lb n="p3b_027.011"/> sein, wenn der anapästische Rhythmus nicht verwischt werden soll.</p> <p><lb n="p3b_027.012"/> 5. Aus diesem Grunde beginnt man die anapästische Reihe in <lb n="p3b_027.013"/> der Regel mit einem Jambus.</p> <p><lb n="p3b_027.014"/> 6. Um nicht allzusehr ins Rollen zu geraten, ist es geboten, hie <lb n="p3b_027.015"/> und da syntaktische Pausen einzufügen, oder auch am Schluß der <lb n="p3b_027.016"/> Sätze den verlangsamenden Jambus oder auch einen steigenden Spondeus <lb n="p3b_027.017"/> anzuwenden. Durch geschickte Benützung übergreifender Satztakte <lb n="p3b_027.018"/> wird das anapästische Versmaß, besonders das verlängerte, amphibrachisch <lb n="p3b_027.019"/> (z. B. ⏑–⏑ │ ⏑–⏑ │ ⏑–⏑ │ ⏑–⏑).</p> <p><lb n="p3b_027.020"/> 7. Daktylische Satztakte eignen sich hie und da zur Bildung von <lb n="p3b_027.021"/> anapästischen Viertaktern, da sie schöne Cäsuren ermöglichen.</p> <p> <lb n="p3b_027.022"/> <hi rendition="#g">Aufgabe. Der nachfolgende Stoff soll unter Beachtung des <lb n="p3b_027.023"/> Obigen im anapästischen Rhythmus wiedergegeben werden; die <lb n="p3b_027.024"/> Einfügung von Jamben ist gestattet.</hi> </p> <lb n="p3b_027.025"/> <cb type="start"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Stoff.</hi> </hi> </p> <p><lb n="p3b_027.026"/> Empfangt mich, ihr heiligen <lb n="p3b_027.027"/> Schatten! Jhr hohen, belaubten Gewölbe, <lb n="p3b_027.028"/> welche der ernsten Betrachtung <lb n="p3b_027.029"/> geweiht sind, empfangt mich und <lb n="p3b_027.030"/> haucht mir ein Lied zum Ruhme der <lb n="p3b_027.031"/> verjüngten Natur ein! Und ihr, lachende <lb n="p3b_027.032"/> Wiesen, mit euern labyrinthischen <lb n="p3b_027.033"/> Bächen, ihr betauten, blumigten Thäler! <lb n="p3b_027.034"/> Jch will mit eurem Wohlgeruche Zufriedenheit <lb n="p3b_027.035"/> atmen. Jch will euch besteigen, <lb n="p3b_027.036"/> ihr duftigen Hügel, in goldene <lb n="p3b_027.037"/> Saiten will ich die Freude singen, die <lb n="p3b_027.038"/> um mich herum aus der beglückten <lb n="p3b_027.039"/> Flur lacht. Aurora und Hesperus <lb n="p3b_027.040"/> sollen meinen Gesang hören. Auf <lb n="p3b_027.041"/> rosenfarbenen Wolken, umgürtet mit</p> <cb/> <lb n="p3b_027.101"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Lösung von Kleist.</hi> (Anapäste und <lb n="p3b_027.102"/> Jamben.)</hi> </p> <p><lb n="p3b_027.103"/> Ĕmpfāngt │ mĭch, hēi │ lĭgĕ Schāt │ tĕn! <lb n="p3b_027.104"/> Jhr ho│hen belaub│ten Gewöl│be, der <lb n="p3b_027.105"/> ernsten Betrachtung geweiht, empfangt <lb n="p3b_027.106"/> mich, und haucht mir ein Lied ein zum <lb n="p3b_027.107"/> Ruhm der verjüngten Natur! ─ Und <lb n="p3b_027.108"/> ihr, o lachende Wiesen, voll labyrinthischer <lb n="p3b_027.109"/> Bäche! betaute, blumigte Thäler! <lb n="p3b_027.110"/> Mit eurem Wohlgeruch will ich Zufriedenheit <lb n="p3b_027.111"/> atmen. Euch will ich besteigen, <lb n="p3b_027.112"/> ihr duftigen Hügel! und will <lb n="p3b_027.113"/> in goldene Saiten die Freude singen, <lb n="p3b_027.114"/> die rund um mich her, aus der glücklichen <lb n="p3b_027.115"/> Flur lacht. Aurora soll meinen <lb n="p3b_027.116"/> Gesang, es soll ihn Hesperus hören. <lb n="p3b_027.117"/> Auf rosafarbnem Gewölk, mit jungen <lb n="p3b_027.118"/> Blumen umgürtet, sank jüngst der<cb type="end"/> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0053]
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von jambisch=anapästischem Rhythmus und nennt die Verse gemischt p3b_027.002
(logaödisch).
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3. Die Alten (Äschylus, Sophokles, Aristophanes) verwendeten p3b_027.004
den Anapäst, um der Leidenschaft den nötigen Ausdruck zu verleihen. p3b_027.005
Jm Deutschen bedient man sich desselben in Gedichten, die ein mutiges p3b_027.006
Fortschreiten, lebhaften Schwung und leichte Beweglichkeit der Gefühle p3b_027.007
beweisen sollen.
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4. Da ein Jambus ebensoviel Zeit beansprucht, als ein Anapäst, p3b_027.009
so können im anapästischen Rhythmus überall auch Jamben stehen. p3b_027.010
(Vgl. Poetik I, 254 ff.) Jhr Vorkommen muß indes ein beschränktes p3b_027.011
sein, wenn der anapästische Rhythmus nicht verwischt werden soll.
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5. Aus diesem Grunde beginnt man die anapästische Reihe in p3b_027.013
der Regel mit einem Jambus.
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6. Um nicht allzusehr ins Rollen zu geraten, ist es geboten, hie p3b_027.015
und da syntaktische Pausen einzufügen, oder auch am Schluß der p3b_027.016
Sätze den verlangsamenden Jambus oder auch einen steigenden Spondeus p3b_027.017
anzuwenden. Durch geschickte Benützung übergreifender Satztakte p3b_027.018
wird das anapästische Versmaß, besonders das verlängerte, amphibrachisch p3b_027.019
(z. B. ⏑–⏑ │ ⏑–⏑ │ ⏑–⏑ │ ⏑–⏑).
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7. Daktylische Satztakte eignen sich hie und da zur Bildung von p3b_027.021
anapästischen Viertaktern, da sie schöne Cäsuren ermöglichen.
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Aufgabe. Der nachfolgende Stoff soll unter Beachtung des p3b_027.023
Obigen im anapästischen Rhythmus wiedergegeben werden; die p3b_027.024
Einfügung von Jamben ist gestattet.
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Stoff.
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Empfangt mich, ihr heiligen p3b_027.027
Schatten! Jhr hohen, belaubten Gewölbe, p3b_027.028
welche der ernsten Betrachtung p3b_027.029
geweiht sind, empfangt mich und p3b_027.030
haucht mir ein Lied zum Ruhme der p3b_027.031
verjüngten Natur ein! Und ihr, lachende p3b_027.032
Wiesen, mit euern labyrinthischen p3b_027.033
Bächen, ihr betauten, blumigten Thäler! p3b_027.034
Jch will mit eurem Wohlgeruche Zufriedenheit p3b_027.035
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ihr duftigen Hügel, in goldene p3b_027.037
Saiten will ich die Freude singen, die p3b_027.038
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sollen meinen Gesang hören. Auf p3b_027.041
rosenfarbenen Wolken, umgürtet mit
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Lösung von Kleist. (Anapäste und p3b_027.102
Jamben.)
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Ĕmpfāngt │ mĭch, hēi │ lĭgĕ Schāt │ tĕn! p3b_027.104
Jhr ho│hen belaub│ten Gewöl│be, der p3b_027.105
ernsten Betrachtung geweiht, empfangt p3b_027.106
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Ruhm der verjüngten Natur! ─ Und p3b_027.108
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Bäche! betaute, blumigte Thäler! p3b_027.110
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in goldene Saiten die Freude singen, p3b_027.114
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Gesang, es soll ihn Hesperus hören. p3b_027.117
Auf rosafarbnem Gewölk, mit jungen p3b_027.118
Blumen umgürtet, sank jüngst der
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