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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.

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Schon hab' ich Deinen Wunsch, den ich erkannt, vor Tagen p3b_020.002
Der Götter und der Welt Urvater vorgetragen;
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Und so verliehen hat der durch sich Seiende p3b_020.004
Nun eine Tochter dir, der Allverleihende u. s. w.

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II. Übungen im trochäischen Rhythmus.
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§ 7. Bildung trochäischer Verstakte.

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1. Da der Grundrhythmus unserer Sprache trochäisch (-Breve) ist, p3b_020.008
so fallen bei trochäischen Versen Satz- und Verstakte leicht zusammen. p3b_020.009
Wenn auch dadurch hie und da eine besondere rhythmische Wirkung p3b_020.010
erzielt wird, wie z. B. in der Stelle:

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Pfosten stürzen, Fenster klirren, p3b_020.012
Kinder jammern, Mütter irren, p3b_020.013
Tiere wimmern p3b_020.014
Unter Trümmern &c., p3b_020.015
Alles rennet, rettet, flüchtet &c.,

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so würde doch bei ununterbrochen sich folgenden Diäresen jeder Takt p3b_020.017
als ein kleines Ganzes im Vers sich abheben und abschälen und die p3b_020.018
Versverbindung lockern.

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2. Man kann die Verbindung der Verstakte durch Einfügung p3b_020.020
von jambischen Satztakten erzielen (z. B.: Laß beglünckt Geduld erflehn p3b_020.021
dem Freund'). Oder man kann hiezu auch ditrochäische und p3b_020.022
mehrsilbige Satztakte wählen, z. B.:

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Lichtgeboren folgt's der Spur &c.

(J. Hammer.)

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Abgeschmackte Niedlichkeiten.

(Sallet.)

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3. Erinnert soll auch hier werden, daß bei Bildung katalektischer p3b_020.026
(unvollzähliger) Verse die rhythmischen Pausen den Verstakten anzurechnen p3b_020.027
sind.

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4. Wichtig ist, daß in den Arsen (Stammsilben) volltönende Vokale p3b_020.029
mit einander wechseln, sofern mehrere trochäische Verstakte mit p3b_020.030
trochäischen Satztakten zusammenfallen (koincidieren).

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5. Ferner ist zu beachten, daß in trochäischen Versen ausnahmsweise p3b_020.032
sinkende Spondeen (--), sowie Daktylen (-BreveBreve) nicht bloß zulässig, p3b_020.033
sondern zur Verminderung der Eintönigkeit hie und da sogar p3b_020.034
erwünscht sind (besonders im dramatischen Vers).

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6. Um nach einsilbigen Arsen jambische Satztakte zu erhalten, p3b_020.036
wähle man Satztakte mit den thetischen Vorsilben ge, er, zer, em, emp, p3b_020.037
ent, ver, be &c.

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Der Götter und der Welt Urvater vorgetragen;
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Und so verliehen hat der durch sich Seiende p3b_020.004
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II. Übungen im trochäischen Rhythmus.
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§ 7. Bildung trochäischer Verstakte.

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1. Da der Grundrhythmus unserer Sprache trochäisch (–⏑) ist, p3b_020.008
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Lichtgeboren folgt's der Spur &c.

(J. Hammer.)

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Abgeschmackte Niedlichkeiten.

(Sallet.)

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sind.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/46>, abgerufen am 30.04.2024.