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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.

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Strophe mit hinüber, um dieselbe mit der ersten zu verketten. Der sachliche p3b_273.002
Grund der Änderung liegt auf der Hand. Rückert hat hunderte solcher Änderungen, p3b_273.003
Streichungen &c. in Ausübung einer schonungslosen Selbstkritik und Feile p3b_273.004
angebracht. Dieselben finden sich in des Verfassers Werk "Neue Mitteilungen p3b_273.005
Fr. Rückerts und kritische Gänge und Studien" Bd. II, S. 122-209 in p3b_273.006
ihrem ganzen Umfang für eine zu erhoffende textkritische Ges.=Ausg. unter der p3b_273.007
Überschrift verzeichnet: "Kritischer Nachweis zu Fr. Rückerts ges. Gedichten; bearbeitet p3b_273.008
nach der Reihenfolge der Erlanger und Frankfurter Ausgabe."

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Für Handhabung der Feile läßt sich aus diesem Kapitel ungemein viel p3b_273.010
lernen, weshalb wir den jungen Dichter angelegentlichst darauf verweisen.

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§ 95. II. Feile oder Umarbeitung ganzer Gedichte.

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Nicht immer gelingt dem Dichter ein einzelnes Gedicht derart, daß es p3b_273.013
ihn vollständig befriedigt. Trotz aller Verbesserungen stört ihn ein unnennbares p3b_273.014
Etwas, das er im Augenblick des Schaffens nicht zu beseitigen weiß. Oft p3b_273.015
scheint ihm der Gedanke zu weit ausgesponnen, oder er hält mit einem Male p3b_273.016
das Bild nicht mehr treffend genug aufgefaßt; oder es stört ihn der Rhythmus, p3b_273.017
oder sein gewähltes Schema, bis ihn zu guter Stunde der selbstkritisierende p3b_273.018
Geist der Erleuchtung überkommt. Wir erhärten dies an einem Beispiele p3b_273.019
Lessings.

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Der Schwur von Lessing. p3b_273.021
Erste Fassung. 1753.

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Jch schwör' es Lauren nicht zu lieben, p3b_273.023
Das ungetreue Kind! p3b_273.024
Jch schwör' es, nie ein Kind zu lieben, p3b_273.025
Weil alle treulos sind! p3b_273.026
Jch schwör' es und vor Amors Ohren p3b_273.027
Sei, was ich willig schwur, geschworen.
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Jch schwör' es, Laura, dich zu hassen! p3b_273.029
Den Haß schwör' ich dir zu! p3b_273.030
Jch schwör' es, jedes Kind zu hassen; p3b_273.031
Denn jedes ist wie du. p3b_273.032
Jch schwör' es dir vor Amors Ohren, p3b_273.033
Daß ich .. ach! daß ich falsch geschworen!
[Spaltenumbruch] p3b_273.101

Der schwörende Liebhaber. p3b_273.102
Lessings verbesserte Fassung. 1771.

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Jch schwör' es dir, o Laura, dich zu hassen; p3b_273.104
Gerechten Haß schwör' ich dir zu. p3b_273.105
Jch schwör' es allen Schönen, sie zu hassen; p3b_273.106
Weil alle treulos sind, wie du. p3b_273.107
Jch schwör' es dir, vor Amors Ohren, p3b_273.108
Daß ich ... ach! daß ich falsch geschworen.
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Beleuchtung einzelner Momente der Feile.

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Die erste Strophe sagt inhaltlich wenig mehr, als die zweite. Lessing p3b_273.111
konnte leicht auf sie verzichten, da er ihr neues (das einzige Wort treulos) p3b_273.112
der zweiten Strophe leicht einzuverleiben vermochte. Während er nämlich in p3b_273.113
der 2. Strophe ursprünglich sagt: "Jch schwör' es jedes Kind zu hassen;

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Für Handhabung der Feile läßt sich aus diesem Kapitel ungemein viel p3b_273.010
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§ 95. II. Feile oder Umarbeitung ganzer Gedichte.

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Nicht immer gelingt dem Dichter ein einzelnes Gedicht derart, daß es p3b_273.013
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/299>, abgerufen am 22.11.2024.