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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.

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aber man wird bei dieser Stelle doch sofort an alte p3b_212.002
Grabmäler erinnert werden, auf welchen sich die Trophäen als p3b_212.003
Helm, Schild, Schwert &c. befinden.

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Wir machen diese nicht eben erheblichen Bemerkungen (die zudem nur p3b_212.005
die Architektur betreffen) lediglich in der Absicht, um dem Anfänger von p3b_212.006
vornherein klar zu machen, was alles der gewissenhafte Übersetzer zu beachten p3b_212.007
hat, wie unendlich viel zum Übersetzer gehört, und welch hohe Stellung p3b_212.008
der Übersetzungskunst einzuräumen ist.

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II. Aus "Song composed in August" von Robert Burns. p3b_212.010
(4. Strophe.)

p3b_212.011

But, Peggy, dear, the evening's clear, p3b_212.012
Thick flies the skimming swallow; p3b_212.013
The sky is blue, the fields in view, p3b_212.014
All fading-green and yellow: p3b_212.015
Come let us stray our gladsome way, p3b_212.016
And view the charms of nature; p3b_212.017
The rustling corn, the fruited thorn, p3b_212.018
And every happy creature.

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Die wörtliche Übersetzung dieser Strophe würde etwa so lauten:

p3b_212.020
Doch, teure Peggy, der Abend glänzt, | tief fliegt die schwebende p3b_212.021
Schwalbe; | die Luft ist blau, weithin leuchtet das Feld | so welklichgrün und p3b_212.022
gelb. | Komm laß uns schweifen unsern fröhlichen Weg, | und sehen den Zauber p3b_212.023
der Natur, | das rauschende Korn, den fruchttragenden Schwarzdorn, | und p3b_212.024
jede glückliche Kreatur. |

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Freiligrath hat diese Strophe nur dreimal umgeschrieben, dagegen bei p3b_212.026
der zweiten Bearbeitung so außerordentlich gefeilt, daß von der ursprünglich p3b_212.027
wörtlichen Übertragung wenig mehr übrig blieb.

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1. Erste Übersetzung. (Entwurf Freiligraths.)

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Doch Mädchen komm! Der West erglomm; p3b_212.030
Vorüber wippt die Schwalbe. p3b_212.031
Die Luft ist blau, und frisch die Au, p3b_212.032
Die farbige, die falbe! p3b_212.033
O komm hinan, die laub'ge Bahn p3b_212.034
Hinan mit heißen Wangen! p3b_212.035
Empor durchs Korn zum Hagedorn, p3b_212.036
Und sieh mit Frucht ihn prangen.

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Diesen Entwurf hat der Übersetzer mit aller Kunst gefeilt, indem er zunächst p3b_212.038
den Provinzialismus wippt beseitigte, ferner plastisch=anschauliche, dem

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Reih'n;
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Freiligrath hat diese Strophe nur dreimal umgeschrieben, dagegen bei p3b_212.026
der zweiten Bearbeitung so außerordentlich gefeilt, daß von der ursprünglich p3b_212.027
wörtlichen Übertragung wenig mehr übrig blieb.

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1. Erste Übersetzung. (Entwurf Freiligraths.)

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/238>, abgerufen am 17.05.2024.