Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_189.001 p3b_189.007 p3b_189.009 p3b_189.012 p3b_189.019 p3b_189.026 p3b_189.034 p3b_189.001 p3b_189.007 p3b_189.009 p3b_189.012 p3b_189.019 p3b_189.026 p3b_189.034 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0215" n="189"/><lb n="p3b_189.001"/> lesbarer Homerübersetzungen an. 1822 erschien als Probe die Übersetzung <lb n="p3b_189.002"/> des 10. Gesangs der <hi rendition="#g">Odyssee</hi> von <hi rendition="#g">Konrad Schwenk,</hi> sowie des <hi rendition="#aq">I</hi>. Buchs <lb n="p3b_189.003"/> derselben von Kannegießer. Beide schlossen den Trochäus aus, suchten aber <lb n="p3b_189.004"/> das gespreizte Voßische Übersetzungsdeutsch zu vermeiden, was ihnen freilich <lb n="p3b_189.005"/> am allerwenigsten an jenen Stellen gelang, wo es galt, zur Vermeidung eines <lb n="p3b_189.006"/> Trochäus einen Daktylus zu bilden (z. B. beförderen, gesteueret &c.).</p> <p><lb n="p3b_189.007"/><hi rendition="#g">Kannegießer</hi> suchte sich dem modernen Geschmack anzubequemen, indem er <lb n="p3b_189.008"/> sich im Hexameter sogar Binnenreime gestattete (z. B. <hi rendition="#g">zog</hi> und <hi rendition="#g">bog</hi> es geschäftig).</p> <p><lb n="p3b_189.009"/><hi rendition="#g">Voß Sohn</hi> veranstaltete 1837 eine neue Odysseeausgabe; aber er hat <lb n="p3b_189.010"/> doch nicht größere Erhabenheit im Ton mit größerer Einfachheit und Schönheit <lb n="p3b_189.011"/> zu einen vermocht.</p> <p><lb n="p3b_189.012"/> Spätere Homerübersetzer haben zum Teil wieder die <hi rendition="#g">höheren Ziele</hi> über <lb n="p3b_189.013"/> dem Bestreben vergessen, <hi rendition="#g">trochäenfreie</hi> Hexameter herzustellen, (wobei sie <lb n="p3b_189.014"/> häufig Spondeen bildeten, die nicht als solche zu betrachten sind). Weniger <lb n="p3b_189.015"/> ist dies der Fall in der sehr verbreiteten Ausgabe des ganzen Homer von <lb n="p3b_189.016"/> E. <hi rendition="#g">Wiedasch</hi> in der Metzlerschen Sammlung (13 Bändchen) als bei <hi rendition="#g">Jakob,</hi> <lb n="p3b_189.017"/> welcher sogar das Gesetz der Cäsur im 3. und 4. Takt verletzt, halbierte Hexameter <lb n="p3b_189.018"/> bietet u. a. m.</p> <p><lb n="p3b_189.019"/> Eine Art popularisierten Voß hat <hi rendition="#g">Monje</hi> (Frankfurt 1846) durch seine <lb n="p3b_189.020"/> Jliasübersetzung geliefert, die sich das Ziel setzte, den gelehrten Anstrich zu <lb n="p3b_189.021"/> vermeiden und die Einfachheit des Originals zu wahren. Sie wollte möglichst <lb n="p3b_189.022"/> treu sein und die Wörtlichkeit nur verlassen, wo sich diese mit dem fließenden <lb n="p3b_189.023"/> Versbau und dem lebensfrischen Ausdruck nicht vereinen läßt. Dadurch <lb n="p3b_189.024"/> wurde sie eine eklektische Überarbeitung, welche die Voßische Übersetzung keineswegs <lb n="p3b_189.025"/> überflüssig macht.</p> <p><lb n="p3b_189.026"/> (<hi rendition="#g">Hesiod.</hi>) Neben dem gewaltigen Homer fand auch der Epiker Hesiod <lb n="p3b_189.027"/> seine Übersetzer. Bereits 1806 war die Hesiodübersetzung von Voß erschienen. <lb n="p3b_189.028"/> Neben minderwertigen Versuchen sind sodann zu erwähnen: Gebhard und insbesondere <lb n="p3b_189.029"/> Ed. Eyth, dessen im Versmaß der Urschrift erschienene Übersetzung <lb n="p3b_189.030"/> (1858) große Anerkennung fand. Eyth setzte sich große Einfachheit und Treue <lb n="p3b_189.031"/> zum Ziele. Die Rücksicht auf Treue gebot es ihm, die Feinheit und Abgeschliffenheit <lb n="p3b_189.032"/> in der äußeren Form des Verses, welche er für Homer in Anspruch <lb n="p3b_189.033"/> nimmt und diesem zu Teil werden läßt, weniger zu verlangen.</p> <p><lb n="p3b_189.034"/> (<hi rendition="#g">Die griechischen Bukoliker.</hi>) Theokrit, Bion, Moschus wurden in <lb n="p3b_189.035"/> lesbarer, zuweilen an Goethe erinnernder Weise übertragen: vom halbvergessenen <lb n="p3b_189.036"/> Bindemann (1797), Voß (1808), Naumann, ferner von Mörike und Notter. <lb n="p3b_189.037"/> Besonders den letzteren war es um gefälligen, natürlichen Vortrag zu thun. <lb n="p3b_189.038"/> Eine vollständige brauchbare Übersetzung der erwähnten Bukoliker lieferte <lb n="p3b_189.039"/> F. Zimmermann. Die Jdyllen Theokrits übersetzte Fr. Rückert (1867) unter <lb n="p3b_189.040"/> teilweiser Anlehnung an Bindemann, dessen feineren Sinn und reinstes Gefühl <lb n="p3b_189.041"/> er rühmt, während er die übrigen Übersetzungen „harthörig“ und „ohrzerreißend“ <lb n="p3b_189.042"/> nennt und die „gelehrten Verbesserer“ tadelt, die dem Theokrit „den Geist aus= <lb n="p3b_189.043"/> und den eigenen einblasen“.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0215]
p3b_189.001
lesbarer Homerübersetzungen an. 1822 erschien als Probe die Übersetzung p3b_189.002
des 10. Gesangs der Odyssee von Konrad Schwenk, sowie des I. Buchs p3b_189.003
derselben von Kannegießer. Beide schlossen den Trochäus aus, suchten aber p3b_189.004
das gespreizte Voßische Übersetzungsdeutsch zu vermeiden, was ihnen freilich p3b_189.005
am allerwenigsten an jenen Stellen gelang, wo es galt, zur Vermeidung eines p3b_189.006
Trochäus einen Daktylus zu bilden (z. B. beförderen, gesteueret &c.).
p3b_189.007
Kannegießer suchte sich dem modernen Geschmack anzubequemen, indem er p3b_189.008
sich im Hexameter sogar Binnenreime gestattete (z. B. zog und bog es geschäftig).
p3b_189.009
Voß Sohn veranstaltete 1837 eine neue Odysseeausgabe; aber er hat p3b_189.010
doch nicht größere Erhabenheit im Ton mit größerer Einfachheit und Schönheit p3b_189.011
zu einen vermocht.
p3b_189.012
Spätere Homerübersetzer haben zum Teil wieder die höheren Ziele über p3b_189.013
dem Bestreben vergessen, trochäenfreie Hexameter herzustellen, (wobei sie p3b_189.014
häufig Spondeen bildeten, die nicht als solche zu betrachten sind). Weniger p3b_189.015
ist dies der Fall in der sehr verbreiteten Ausgabe des ganzen Homer von p3b_189.016
E. Wiedasch in der Metzlerschen Sammlung (13 Bändchen) als bei Jakob, p3b_189.017
welcher sogar das Gesetz der Cäsur im 3. und 4. Takt verletzt, halbierte Hexameter p3b_189.018
bietet u. a. m.
p3b_189.019
Eine Art popularisierten Voß hat Monje (Frankfurt 1846) durch seine p3b_189.020
Jliasübersetzung geliefert, die sich das Ziel setzte, den gelehrten Anstrich zu p3b_189.021
vermeiden und die Einfachheit des Originals zu wahren. Sie wollte möglichst p3b_189.022
treu sein und die Wörtlichkeit nur verlassen, wo sich diese mit dem fließenden p3b_189.023
Versbau und dem lebensfrischen Ausdruck nicht vereinen läßt. Dadurch p3b_189.024
wurde sie eine eklektische Überarbeitung, welche die Voßische Übersetzung keineswegs p3b_189.025
überflüssig macht.
p3b_189.026
(Hesiod.) Neben dem gewaltigen Homer fand auch der Epiker Hesiod p3b_189.027
seine Übersetzer. Bereits 1806 war die Hesiodübersetzung von Voß erschienen. p3b_189.028
Neben minderwertigen Versuchen sind sodann zu erwähnen: Gebhard und insbesondere p3b_189.029
Ed. Eyth, dessen im Versmaß der Urschrift erschienene Übersetzung p3b_189.030
(1858) große Anerkennung fand. Eyth setzte sich große Einfachheit und Treue p3b_189.031
zum Ziele. Die Rücksicht auf Treue gebot es ihm, die Feinheit und Abgeschliffenheit p3b_189.032
in der äußeren Form des Verses, welche er für Homer in Anspruch p3b_189.033
nimmt und diesem zu Teil werden läßt, weniger zu verlangen.
p3b_189.034
(Die griechischen Bukoliker.) Theokrit, Bion, Moschus wurden in p3b_189.035
lesbarer, zuweilen an Goethe erinnernder Weise übertragen: vom halbvergessenen p3b_189.036
Bindemann (1797), Voß (1808), Naumann, ferner von Mörike und Notter. p3b_189.037
Besonders den letzteren war es um gefälligen, natürlichen Vortrag zu thun. p3b_189.038
Eine vollständige brauchbare Übersetzung der erwähnten Bukoliker lieferte p3b_189.039
F. Zimmermann. Die Jdyllen Theokrits übersetzte Fr. Rückert (1867) unter p3b_189.040
teilweiser Anlehnung an Bindemann, dessen feineren Sinn und reinstes Gefühl p3b_189.041
er rühmt, während er die übrigen Übersetzungen „harthörig“ und „ohrzerreißend“ p3b_189.042
nennt und die „gelehrten Verbesserer“ tadelt, die dem Theokrit „den Geist aus= p3b_189.043
und den eigenen einblasen“.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |