Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_179.001 [Beginn Spaltensatz] Er (der Wunderdoktor) häb die feinista p3b_179.017 [Spaltenumbruch]
p3b_179.101Maniera, p3b_179.018 Und d'Arbet gang ihm vo' der Hand, p3b_179.019 Und koiner könn so d'Leut balbira p3b_179.020 Und schreapfa, as wie's er verstand. De gsunde Leut geit er zum Speia, p3b_179.102 [Ende Spaltensatz]
De kranke zum Purgira ei', p3b_179.103 Und wo ma hairt "o Jeses!" schreia, p3b_179.104 So hoißts: Do muaß der Dokter p3b_179.105 sei'! u. s. w. p3b_179.106 § 76. Übertragung des Dialektgedichts ins Hochdeutsche und p3b_179.107 p3b_179.108umgekehrt. I. Übertragung ins Hochdeutsche. p3b_179.109 p3b_179.001 [Beginn Spaltensatz] Er (der Wunderdoktor) häb die feinista p3b_179.017 [Spaltenumbruch]
p3b_179.101Maniera, p3b_179.018 Und d'Arbet gang ihm vo' der Hand, p3b_179.019 Und koiner könn so d'Leut balbira p3b_179.020 Und schreapfa, as wie's er verstand. De gsunde Leut geit er zum Speia, p3b_179.102 [Ende Spaltensatz]
De kranke zum Purgira ei', p3b_179.103 Und wo ma hairt „o Jeses!“ schreia, p3b_179.104 So hoißts: Do muaß der Dokter p3b_179.105 sei'! u. s. w. p3b_179.106 § 76. Übertragung des Dialektgedichts ins Hochdeutsche und p3b_179.107 p3b_179.108umgekehrt. I. Übertragung ins Hochdeutsche. p3b_179.109 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0205" n="179"/><lb n="p3b_179.001"/> Sie darf daher niemals eine hochtrabende sein. Aber da jeder <lb n="p3b_179.002"/> Dialekt eine Menge Nuancen und Abstufungen vom Edleren zum Gewöhnlichen, <lb n="p3b_179.003"/> vom Feineren zum Gröberen und Gemeinen hat, so soll der Dichter <lb n="p3b_179.004"/> möglichst oben bleiben und die edlere Ausdrucksweise bevorzugen. Auch im <lb n="p3b_179.005"/> Dialekt soll das Unschöne vermieden und das Schöne in naiv=idealer Weise <lb n="p3b_179.006"/> zur freundlichen Anschauung gelangen, und dieser Grundsatz muß nach Möglichkeit <lb n="p3b_179.007"/> auch da noch festgehalten werden, wo der derbe Humor zum Worte kommt; <lb n="p3b_179.008"/> denn auch beim urwüchsigsten Humor muß man sich immer noch in guter Gesellschaft <lb n="p3b_179.009"/> befinden. Die gröbere Sprache hat stets gröbere Stoffe im Gefolge, <lb n="p3b_179.010"/> die eben der Dialektdichter bei Seite lassen soll, um nicht zur Vergröberung <lb n="p3b_179.011"/> der Gefühlsweisen, der Sitten und des Ausdrucks beizutragen. Er soll ─ <lb n="p3b_179.012"/> um mit Ad. Grimminger in „Moi Derhoim“ zu sprechen ─ „<hi rendition="#g">das Volksgemüt <lb n="p3b_179.013"/> in seinem Gemütssonntagsstaat</hi>“ darstellen. Als abschreckende <lb n="p3b_179.014"/> Beispiele können Gedichte der verschiedensten Dialektdichter dienen. Wir beschränken <lb n="p3b_179.015"/> uns auf folgende Probe von Weitzmann:</p> <lb n="p3b_179.016"/> <cb type="start"/> <lg> <l>Er (der Wunderdoktor) häb die feinista</l> <lb n="p3b_179.017"/> <l> <hi rendition="#et">Maniera,</hi> </l> <lb n="p3b_179.018"/> <l>Und d'Arbet gang ihm vo' der Hand,</l> <lb n="p3b_179.019"/> <l>Und koiner könn so d'Leut balbira</l> <lb n="p3b_179.020"/> <l>Und schreapfa, as wie's er verstand.</l> </lg> <cb/> <lb n="p3b_179.101"/> <lg> <l>De gsunde Leut geit er zum Speia,</l> <lb n="p3b_179.102"/> <l>De kranke zum Purgira ei',</l> <lb n="p3b_179.103"/> <l>Und wo ma hairt „o Jeses!“ schreia,</l> <lb n="p3b_179.104"/> <l>So hoißts: Do muaß der Dokter</l> <lb n="p3b_179.105"/> <l> <hi rendition="#et">sei'! u. s. w.</hi> </l> </lg> <cb type="end"/> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_179.106"/> <head> <hi rendition="#c">§ 76. Übertragung des Dialektgedichts ins Hochdeutsche und <lb n="p3b_179.107"/> umgekehrt.</hi> </head> <lb n="p3b_179.108"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">I</hi>. <hi rendition="#g">Übertragung ins Hochdeutsche</hi>.</hi> </p> <p><lb n="p3b_179.109"/> Da das Verstehenlernen unbekannter Mundarten und das mühsame Zusammenstoppeln <lb n="p3b_179.110"/> der fremden Dialektausdrücke nach unvollkommenen Wörterbüchern <lb n="p3b_179.111"/> viele um den Genuß bringt, die Dialektgedichte als abgerundete Ganze, <lb n="p3b_179.112"/> als lebendige Schöpfungen in vollem Geisteszuge zu genießen und sich diesem <lb n="p3b_179.113"/> Vergnügen ungestört und unbefangen hinzugeben, so hat man es mehrfach versucht, <lb n="p3b_179.114"/> die wirkungsvollsten Dialektdichtungen ins Hochdeutsche zu übertragen. <lb n="p3b_179.115"/> (Jch erinnere nur an Robert Reinicks gelungene, empfehlenswerte hochdeutsche <lb n="p3b_179.116"/> Übersetzungen der J. P. Hebelschen Dichtungen, die mit Bildern und Zeichnungen <lb n="p3b_179.117"/> von L. Richter 1876 bereits in 6. Auflage in Leipzig bei Wigand <lb n="p3b_179.118"/> erschienen und in welchen der Dichter-Übersetzer dem Wortgeiste hie und da <lb n="p3b_179.119"/> die Worttreue geopfert hat, um den zarten Hauch natürlicher Unbefangenheit <lb n="p3b_179.120"/> nicht durch eine pedantisch=wortgetreue Übersetzung zu einer steifen, hölzernen, <lb n="p3b_179.121"/> kalten oder gar unverständlichen Wendung zu formen; mit Rücksicht auf die <lb n="p3b_179.122"/> Schlichtheit des Verses hat er auch in verständnisvoller Weise die Wortstellung <lb n="p3b_179.123"/> geändert, dem hochdeutschen Gedanken hochdeutschen Reim verliehen u. a. m.) <lb n="p3b_179.124"/> Doch hat man nicht immer die erwartete Anteilnahme seitens des größeren, <lb n="p3b_179.125"/> hochdeutschen Publikums gefunden, da sich mit der Verpflanzung des Dialektgedichts </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0205]
p3b_179.001
Sie darf daher niemals eine hochtrabende sein. Aber da jeder p3b_179.002
Dialekt eine Menge Nuancen und Abstufungen vom Edleren zum Gewöhnlichen, p3b_179.003
vom Feineren zum Gröberen und Gemeinen hat, so soll der Dichter p3b_179.004
möglichst oben bleiben und die edlere Ausdrucksweise bevorzugen. Auch im p3b_179.005
Dialekt soll das Unschöne vermieden und das Schöne in naiv=idealer Weise p3b_179.006
zur freundlichen Anschauung gelangen, und dieser Grundsatz muß nach Möglichkeit p3b_179.007
auch da noch festgehalten werden, wo der derbe Humor zum Worte kommt; p3b_179.008
denn auch beim urwüchsigsten Humor muß man sich immer noch in guter Gesellschaft p3b_179.009
befinden. Die gröbere Sprache hat stets gröbere Stoffe im Gefolge, p3b_179.010
die eben der Dialektdichter bei Seite lassen soll, um nicht zur Vergröberung p3b_179.011
der Gefühlsweisen, der Sitten und des Ausdrucks beizutragen. Er soll ─ p3b_179.012
um mit Ad. Grimminger in „Moi Derhoim“ zu sprechen ─ „das Volksgemüt p3b_179.013
in seinem Gemütssonntagsstaat“ darstellen. Als abschreckende p3b_179.014
Beispiele können Gedichte der verschiedensten Dialektdichter dienen. Wir beschränken p3b_179.015
uns auf folgende Probe von Weitzmann:
p3b_179.016
Er (der Wunderdoktor) häb die feinista p3b_179.017
Maniera, p3b_179.018
Und d'Arbet gang ihm vo' der Hand, p3b_179.019
Und koiner könn so d'Leut balbira p3b_179.020
Und schreapfa, as wie's er verstand.
p3b_179.101
De gsunde Leut geit er zum Speia, p3b_179.102
De kranke zum Purgira ei', p3b_179.103
Und wo ma hairt „o Jeses!“ schreia, p3b_179.104
So hoißts: Do muaß der Dokter p3b_179.105
sei'! u. s. w.
p3b_179.106
§ 76. Übertragung des Dialektgedichts ins Hochdeutsche und p3b_179.107
umgekehrt. p3b_179.108
I. Übertragung ins Hochdeutsche.
p3b_179.109
Da das Verstehenlernen unbekannter Mundarten und das mühsame Zusammenstoppeln p3b_179.110
der fremden Dialektausdrücke nach unvollkommenen Wörterbüchern p3b_179.111
viele um den Genuß bringt, die Dialektgedichte als abgerundete Ganze, p3b_179.112
als lebendige Schöpfungen in vollem Geisteszuge zu genießen und sich diesem p3b_179.113
Vergnügen ungestört und unbefangen hinzugeben, so hat man es mehrfach versucht, p3b_179.114
die wirkungsvollsten Dialektdichtungen ins Hochdeutsche zu übertragen. p3b_179.115
(Jch erinnere nur an Robert Reinicks gelungene, empfehlenswerte hochdeutsche p3b_179.116
Übersetzungen der J. P. Hebelschen Dichtungen, die mit Bildern und Zeichnungen p3b_179.117
von L. Richter 1876 bereits in 6. Auflage in Leipzig bei Wigand p3b_179.118
erschienen und in welchen der Dichter-Übersetzer dem Wortgeiste hie und da p3b_179.119
die Worttreue geopfert hat, um den zarten Hauch natürlicher Unbefangenheit p3b_179.120
nicht durch eine pedantisch=wortgetreue Übersetzung zu einer steifen, hölzernen, p3b_179.121
kalten oder gar unverständlichen Wendung zu formen; mit Rücksicht auf die p3b_179.122
Schlichtheit des Verses hat er auch in verständnisvoller Weise die Wortstellung p3b_179.123
geändert, dem hochdeutschen Gedanken hochdeutschen Reim verliehen u. a. m.) p3b_179.124
Doch hat man nicht immer die erwartete Anteilnahme seitens des größeren, p3b_179.125
hochdeutschen Publikums gefunden, da sich mit der Verpflanzung des Dialektgedichts
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |