p3b_125.004 1. Nachdem wir in genügender Anzahl Übungen in jambischen, p3b_125.005 trochäischen, anapästischen und jambisch=anapästischen, daktylischen und p3b_125.006 künstlichen Reimstrophen geboten haben, lassen wir der Vollständigkeit p3b_125.007 halber und zum Abschluß der Strophenbildungen noch einige Übungen p3b_125.008 aller möglichen Rhythmen folgen, nämlich die gebräuchlichsten, beliebtesten, p3b_125.009 vierzeiligen antiken Strophen, welche durch Zusammensetzung p3b_125.010 vorgeschriebener Metren herzustellen sind. Große Odenmaße, die nur p3b_125.011 mit Zuhilfenahme des Bleistifts zu skandieren sind, lassen wir begreiflicherweise p3b_125.012 gerne bei Seite.
p3b_125.013 2. Unser ernstes Bemühen, den deutschen Accent in seine Rechte p3b_125.014 einzusetzen, möchte sich auch bei Bildung antiker Strophenformen bewähren.
p3b_125.015
p3b_125.016 Jndem wir - um nur eines zu betonen - von Spondeen p3b_125.017 u. dgl. sprechen, könnte es für den Kurzsichtigen, Halbgebildeten oder p3b_125.018 Eingebildeten den Anschein gewinnen, daß wir unserem Prinzip nicht p3b_125.019 so ganz treu bleiben, sondern dem sog. Quantitätsprinzip Konzessionen p3b_125.020 machen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Quantitätsprinzip - p3b_125.021 dies soll allen Anhängern desselben nachdrücklichst an dieser Stelle p3b_125.022 wiederholt sein - ist nicht mehr zu rehabilitieren, und selbst wenn es p3b_125.023 im Alt- und Mittelhochdeutschen nachzuweisen wäre, so darf es doch p3b_125.024 für uns nicht mehr existieren. Das in der neuhochdeutschen Metrik p3b_125.025 zu beachtende Gesetz darf nur das der Accentqualität sein!
p3b_125.026 Die Accentqualität richtet sich aber nach der Sprachweise, nach p3b_125.027 der Prosa und ist durch und durch musikalischer und zugleich logischer p3b_125.028 Natur. Jeder Vers sollte so gebaut sein, daß er ohne darüber geschriebenes p3b_125.029 Schema schon prima vista richtig gelesen, resp. betont werden p3b_125.030 muß, so zwar, daß diese richtige Betonung weder vom Studium
p3b_125.004 1. Nachdem wir in genügender Anzahl Übungen in jambischen, p3b_125.005 trochäischen, anapästischen und jambisch=anapästischen, daktylischen und p3b_125.006 künstlichen Reimstrophen geboten haben, lassen wir der Vollständigkeit p3b_125.007 halber und zum Abschluß der Strophenbildungen noch einige Übungen p3b_125.008 aller möglichen Rhythmen folgen, nämlich die gebräuchlichsten, beliebtesten, p3b_125.009 vierzeiligen antiken Strophen, welche durch Zusammensetzung p3b_125.010 vorgeschriebener Metren herzustellen sind. Große Odenmaße, die nur p3b_125.011 mit Zuhilfenahme des Bleistifts zu skandieren sind, lassen wir begreiflicherweise p3b_125.012 gerne bei Seite.
p3b_125.013 2. Unser ernstes Bemühen, den deutschen Accent in seine Rechte p3b_125.014 einzusetzen, möchte sich auch bei Bildung antiker Strophenformen bewähren.
p3b_125.015
p3b_125.016 Jndem wir ─ um nur eines zu betonen ─ von Spondeen p3b_125.017 u. dgl. sprechen, könnte es für den Kurzsichtigen, Halbgebildeten oder p3b_125.018 Eingebildeten den Anschein gewinnen, daß wir unserem Prinzip nicht p3b_125.019 so ganz treu bleiben, sondern dem sog. Quantitätsprinzip Konzessionen p3b_125.020 machen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Quantitätsprinzip ─ p3b_125.021 dies soll allen Anhängern desselben nachdrücklichst an dieser Stelle p3b_125.022 wiederholt sein ─ ist nicht mehr zu rehabilitieren, und selbst wenn es p3b_125.023 im Alt- und Mittelhochdeutschen nachzuweisen wäre, so darf es doch p3b_125.024 für uns nicht mehr existieren. Das in der neuhochdeutschen Metrik p3b_125.025 zu beachtende Gesetz darf nur das der Accentqualität sein!
p3b_125.026 Die Accentqualität richtet sich aber nach der Sprachweise, nach p3b_125.027 der Prosa und ist durch und durch musikalischer und zugleich logischer p3b_125.028 Natur. Jeder Vers sollte so gebaut sein, daß er ohne darüber geschriebenes p3b_125.029 Schema schon prima vista richtig gelesen, resp. betont werden p3b_125.030 muß, so zwar, daß diese richtige Betonung weder vom Studium
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0151"n="E125"/></div></div><divn="1"><lbn="p3b_125.001"/><head><hirendition="#c">Fünftes Hauptstück. <lbn="p3b_125.002"/>
Antike Strophenformen. ──────</hi></head><lbn="p3b_125.003"/><divn="2"><head><hirendition="#c">§ 47. Vorbemerkungen und Stellungnahme.</hi></head><p><lbn="p3b_125.004"/>
1. Nachdem wir in genügender Anzahl Übungen in jambischen, <lbn="p3b_125.005"/>
trochäischen, anapästischen und jambisch=anapästischen, daktylischen und <lbn="p3b_125.006"/>
künstlichen Reimstrophen geboten haben, lassen wir der Vollständigkeit <lbn="p3b_125.007"/>
halber und zum Abschluß der Strophenbildungen noch einige Übungen <lbn="p3b_125.008"/>
aller möglichen Rhythmen folgen, nämlich die gebräuchlichsten, beliebtesten, <lbn="p3b_125.009"/>
vierzeiligen antiken Strophen, welche durch Zusammensetzung <lbn="p3b_125.010"/>
vorgeschriebener Metren herzustellen sind. Große Odenmaße, die nur <lbn="p3b_125.011"/>
mit Zuhilfenahme des Bleistifts zu skandieren sind, lassen wir begreiflicherweise <lbn="p3b_125.012"/>
gerne bei Seite.</p><p><lbn="p3b_125.013"/>
2. Unser ernstes Bemühen, den deutschen Accent in seine Rechte <lbn="p3b_125.014"/>
einzusetzen, möchte sich auch bei Bildung antiker Strophenformen bewähren.</p><lbn="p3b_125.015"/><p><lbn="p3b_125.016"/>
Jndem wir ─ um nur eines zu betonen ─ von Spondeen <lbn="p3b_125.017"/>
u. dgl. sprechen, könnte es für den Kurzsichtigen, Halbgebildeten oder <lbn="p3b_125.018"/>
Eingebildeten den Anschein gewinnen, daß wir unserem Prinzip nicht <lbn="p3b_125.019"/>
so ganz treu bleiben, sondern dem sog. Quantitätsprinzip Konzessionen <lbn="p3b_125.020"/>
machen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Quantitätsprinzip ─<lbn="p3b_125.021"/>
dies soll allen Anhängern desselben nachdrücklichst an dieser Stelle <lbn="p3b_125.022"/>
wiederholt sein ─ ist nicht mehr zu rehabilitieren, und selbst wenn es <lbn="p3b_125.023"/>
im Alt- und Mittelhochdeutschen nachzuweisen wäre, so darf es doch <lbn="p3b_125.024"/>
für uns nicht mehr existieren. Das in der neuhochdeutschen Metrik <lbn="p3b_125.025"/>
zu beachtende Gesetz darf nur das der <hirendition="#g">Accentqualität</hi> sein!</p><p><lbn="p3b_125.026"/>
Die Accentqualität richtet sich aber nach der Sprachweise, nach <lbn="p3b_125.027"/>
der Prosa und ist durch und durch musikalischer und zugleich logischer <lbn="p3b_125.028"/>
Natur. Jeder Vers sollte so gebaut sein, daß er ohne darüber geschriebenes <lbn="p3b_125.029"/>
Schema schon <hirendition="#aq">prima vista</hi> richtig gelesen, resp. betont werden <lbn="p3b_125.030"/>
muß, so zwar, daß diese richtige Betonung weder vom Studium
</p></div></div></body></text></TEI>
[E125/0151]
p3b_125.001
Fünftes Hauptstück. p3b_125.002
Antike Strophenformen. ────── p3b_125.003
§ 47. Vorbemerkungen und Stellungnahme. p3b_125.004
1. Nachdem wir in genügender Anzahl Übungen in jambischen, p3b_125.005
trochäischen, anapästischen und jambisch=anapästischen, daktylischen und p3b_125.006
künstlichen Reimstrophen geboten haben, lassen wir der Vollständigkeit p3b_125.007
halber und zum Abschluß der Strophenbildungen noch einige Übungen p3b_125.008
aller möglichen Rhythmen folgen, nämlich die gebräuchlichsten, beliebtesten, p3b_125.009
vierzeiligen antiken Strophen, welche durch Zusammensetzung p3b_125.010
vorgeschriebener Metren herzustellen sind. Große Odenmaße, die nur p3b_125.011
mit Zuhilfenahme des Bleistifts zu skandieren sind, lassen wir begreiflicherweise p3b_125.012
gerne bei Seite.
p3b_125.013
2. Unser ernstes Bemühen, den deutschen Accent in seine Rechte p3b_125.014
einzusetzen, möchte sich auch bei Bildung antiker Strophenformen bewähren.
p3b_125.015
p3b_125.016
Jndem wir ─ um nur eines zu betonen ─ von Spondeen p3b_125.017
u. dgl. sprechen, könnte es für den Kurzsichtigen, Halbgebildeten oder p3b_125.018
Eingebildeten den Anschein gewinnen, daß wir unserem Prinzip nicht p3b_125.019
so ganz treu bleiben, sondern dem sog. Quantitätsprinzip Konzessionen p3b_125.020
machen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Quantitätsprinzip ─ p3b_125.021
dies soll allen Anhängern desselben nachdrücklichst an dieser Stelle p3b_125.022
wiederholt sein ─ ist nicht mehr zu rehabilitieren, und selbst wenn es p3b_125.023
im Alt- und Mittelhochdeutschen nachzuweisen wäre, so darf es doch p3b_125.024
für uns nicht mehr existieren. Das in der neuhochdeutschen Metrik p3b_125.025
zu beachtende Gesetz darf nur das der Accentqualität sein!
p3b_125.026
Die Accentqualität richtet sich aber nach der Sprachweise, nach p3b_125.027
der Prosa und ist durch und durch musikalischer und zugleich logischer p3b_125.028
Natur. Jeder Vers sollte so gebaut sein, daß er ohne darüber geschriebenes p3b_125.029
Schema schon prima vista richtig gelesen, resp. betont werden p3b_125.030
muß, so zwar, daß diese richtige Betonung weder vom Studium
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. E125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/151>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.