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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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macht die Art und Weise, wie das Gemüt das dichterische Objekt in sein inneres p2b_072.002
Leben umsetzt, zum Einteilungsgrund und unterscheidet a. die Lyrik des p2b_072.003
Aufschwungs
(das Hymnische, Dithyramb, Ode), b. die reine lyrische p2b_072.004
Mitte
(das Liedartige), c. die Lyrik der Betrachtung (Elegie, orientalische p2b_072.005
Lyrik, romanische Formen, Sonett, Epigramm u. s. w.).

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Carriere unterscheidet Lyrik der Empfindung und der Anschauung p2b_072.007
(auch des Verstandes). Rudolf Gottschall teilt in Lyrik der p2b_072.008
Empfindung, der Begeisterung und der Reflexion. W. Wackernagel geht p2b_072.009
vom historischen Verhältnis der Lyrik zur Epik aus und unterscheidet: a. lyrische p2b_072.010
Lyrik == Lyrik des Gefühls; b. epische Lyrik == Lyrik der Einbildungskraft; p2b_072.011
c. didaktische Lyrik == Lyrik des Verstandes.

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Wir wählen auch aus äußeren Gründen bei Vorführung der lyrischen p2b_072.013
Dichtungsarten die obige Einteilung in der Weise, daß wir zuerst die sämtlichen p2b_072.014
weltlichen und geistlichen Liedformen abhandeln, um sodann die Formen p2b_072.015
höherer Erregtheit zu bieten. Charakteristisch für unsere Unterscheidung ist, p2b_072.016
daß das Lied prädestiniert ist, gesungen zu werden, während Ode, Dithyrambus, p2b_072.017
Hymnus, Elegie mehr für die Recitation geschaffen zu sein scheinen. Letztere p2b_072.018
Gattungen sowie die in Band I § 164 ff. abgehandelten Formen sind Kriterien p2b_072.019
des künstlerisch gebildeten Lyrikers: sie sind die Lyrik gesteigerter dichterischer p2b_072.020
Bildung und Befähigung.

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Da die Kunstdichtung sich erst aus der Volksdichtung entwickelte, so lassen p2b_072.022
wir den Volksliedern die Kunstlieder folgen.

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Die verschiedenen Formen des Kunstliedes sind im § 61 aufgezählt.

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§ 50. Anforderungen an das Lied im allgemeinen.

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Die Haupterfordernisse des zum Gesang bestimmten Liedes sind:

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1. Einfachheit und Schönheit,

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2. gesetzmäßige rhythmische Anordnung,

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3. Sangbarkeit.

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1. Die Einfachheit und Schönheit fordert Natürlichkeit und Wahrheit p2b_072.030
der Jdee sowie Wärme und Jnnigkeit der Gefühlsäußerung. Sie verlangt p2b_072.031
ferner - gleichviel ob das Lied heiteren oder ernsten Jnhalts ist - eine p2b_072.032
klare, leicht dahinfließende Sprache. Die schöne Jdee darf nur Mittel dazu p2b_072.033
sein, die gemäßigte Empfindung zum gemütbestrickenden sprachlichen Ausdruck p2b_072.034
zu bringen. Man soll es der ungezierten, ungekünstelten Sprache anmerken, p2b_072.035
daß sie unmittelbar vom Herzen komme, "wie der Quell aus verborgenen p2b_072.036
Tiefen" u. s. w.

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2. Da das Lied für den Gesang bestimmt ist, so unterscheidet man in p2b_072.038
seiner äußerlichen Form eine geregelte Einteilung in Verse und Strophen, die p2b_072.039
sich selbstverständlich in metrischer Hinsicht möglichst entsprechen müssen. Lieder p2b_072.040
der Freude sind nicht selten in jambischen oder trochäischen, wie auch in p2b_072.041
jambisch=anapästischen und trochäisch=daktylischen Maßen geschrieben, während

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/94>, abgerufen am 22.11.2024.