p2b_523.001 wieder aus sich zu erzeugen. Auf dem Gebiete der Poesie nahmen in dieser p2b_523.002 Beziehung Lessing, Herder und der Jndogermane Rückert ihre bestimmte p2b_523.003 Position ein. Jn der Musik bewiesen Händel, Gluck, Beethoven und p2b_523.004 Mozart ihre epochebildende Bedeutung in Erstrebung eines universellen Zieles. p2b_523.005 Wie nach langer Jrrfahrt in der Fremde kehrte der Deutsche allmählich in seine p2b_523.006 Heimat zurück; immer mehr näherte man sich jenem großen Ziel, das in der p2b_523.007 Vereinigung des klassischen, romantischen und deutschen Wesens zu einem p2b_523.008 deutschen Kunstwerk besteht. Das Hauptstreben mußte selbstredend darauf p2b_523.009 gerichtet sein, eine Jnstitution zu schaffen, deren Aufgabe es war, Drama und p2b_523.010 Musik zu vollendeter Darstellung zu bringen. Diese mußte ein einigender Mittelpunkt p2b_523.011 werden, in dem die künstlerischen Fähigkeiten des deutschen Geistes zur p2b_523.012 Reife und Vollendung gebracht werden konnten. Die dramatische Kunstp2b_523.013 mußte dabei im Vordergrund bleiben.
p2b_523.014 Wagner hat nun dasjenige Kunstwerk, welches den Mittelpunkt des p2b_523.015 griechischen Kunstlebens bildet, das lebendig dargestellte Drama, aus eigener p2b_523.016 Kraft erzeugt. Er sah ein, daß nicht die Entwickelung des Schönen der p2b_523.017 griechischen Formen, wie man es mit den Aufführungen der Antigone versucht p2b_523.018 hatte, allein uns helfen konnte, daß vielmehr Schöpfungen, in welchen unser p2b_523.019 eigenes deutsches Leben Gestalt gewonnen hat, die Grundlage einer Blüte p2b_523.020 der deutschen musikalisch=dramatischen Kunst zu bilden haben.
p2b_523.021 So erreichte er in jedem seiner einheitlichen auf deutschem Boden (d. i. p2b_523.022 aus deutschnationalem Mythus) erwachsenen Kunstwerke, besonders aber im Ring p2b_523.023 der Nibelungen, die bisher kaum geahnte, verdienstliche Vereinigung des p2b_523.024 modernen und romantischen Geistes mit dem antiken, klassischen p2b_523.025 Geiste, was Goethe bereits in der Vermählung des Faust und der Helena p2b_523.026 symbolisch dargestellt hatte.
p2b_523.027 3. Wenn auch manches in der Reform Wagners dem Laien nicht p2b_523.028 genügend populär erscheinen wollte, so ist doch nachgerade auch von Wagners p2b_523.029 Gegnern der eigentümliche Zauber, die früher nie geahnte Gewalt und Kraft p2b_523.030 seiner Musikdramen anerkannt worden. Man giebt immer mehr zu, daß Wagner p2b_523.031 im musikalischen Drama den Schlüssel gefunden hat, diese Welt mehr als p2b_523.032 früher dem Empfindungsleben zugänglich zu machen. Wagners Musik, die p2b_523.033 das Wunderbare dem Gefühl wahrscheinlich machen möchte und durch ihre p2b_523.034 gefühlumstrickende Allgewalt das Reich der Symbole lebendig zu machen weiß, p2b_523.035 hat uns den Reichtum und Jnhalt der germanischen Welt rascher enthüllt, als p2b_523.036 es die Doktrin aller Katheder der Welt vermochte.
p2b_523.037 Es ist dies eine Thatsache, die weder durch dummdreistes Geschwätz noch p2b_523.038 durch geistvolles Raisonnement widerlegt werden kann. Ob auch die "Amazone" p2b_523.039 Dingelstedts, oder "Die Sturmflut" Spielhagens gegen Wagner polemisieren, p2b_523.040 der Kundige wird den Eindruck haben, daß diese Dichter durch ihre Bemerkungen p2b_523.041 doch nur ihren überlegenen Geist zu dokumentieren strebten, um ihren Romanen p2b_523.042 einen pikanten Anstrich zu geben &c.
p2b_523.001 wieder aus sich zu erzeugen. Auf dem Gebiete der Poesie nahmen in dieser p2b_523.002 Beziehung Lessing, Herder und der Jndogermane Rückert ihre bestimmte p2b_523.003 Position ein. Jn der Musik bewiesen Händel, Gluck, Beethoven und p2b_523.004 Mozart ihre epochebildende Bedeutung in Erstrebung eines universellen Zieles. p2b_523.005 Wie nach langer Jrrfahrt in der Fremde kehrte der Deutsche allmählich in seine p2b_523.006 Heimat zurück; immer mehr näherte man sich jenem großen Ziel, das in der p2b_523.007 Vereinigung des klassischen, romantischen und deutschen Wesens zu einem p2b_523.008 deutschen Kunstwerk besteht. Das Hauptstreben mußte selbstredend darauf p2b_523.009 gerichtet sein, eine Jnstitution zu schaffen, deren Aufgabe es war, Drama und p2b_523.010 Musik zu vollendeter Darstellung zu bringen. Diese mußte ein einigender Mittelpunkt p2b_523.011 werden, in dem die künstlerischen Fähigkeiten des deutschen Geistes zur p2b_523.012 Reife und Vollendung gebracht werden konnten. Die dramatische Kunstp2b_523.013 mußte dabei im Vordergrund bleiben.
p2b_523.014 Wagner hat nun dasjenige Kunstwerk, welches den Mittelpunkt des p2b_523.015 griechischen Kunstlebens bildet, das lebendig dargestellte Drama, aus eigener p2b_523.016 Kraft erzeugt. Er sah ein, daß nicht die Entwickelung des Schönen der p2b_523.017 griechischen Formen, wie man es mit den Aufführungen der Antigone versucht p2b_523.018 hatte, allein uns helfen konnte, daß vielmehr Schöpfungen, in welchen unser p2b_523.019 eigenes deutsches Leben Gestalt gewonnen hat, die Grundlage einer Blüte p2b_523.020 der deutschen musikalisch=dramatischen Kunst zu bilden haben.
p2b_523.021 So erreichte er in jedem seiner einheitlichen auf deutschem Boden (d. i. p2b_523.022 aus deutschnationalem Mythus) erwachsenen Kunstwerke, besonders aber im Ring p2b_523.023 der Nibelungen, die bisher kaum geahnte, verdienstliche Vereinigung des p2b_523.024 modernen und romantischen Geistes mit dem antiken, klassischen p2b_523.025 Geiste, was Goethe bereits in der Vermählung des Faust und der Helena p2b_523.026 symbolisch dargestellt hatte.
p2b_523.027 3. Wenn auch manches in der Reform Wagners dem Laien nicht p2b_523.028 genügend populär erscheinen wollte, so ist doch nachgerade auch von Wagners p2b_523.029 Gegnern der eigentümliche Zauber, die früher nie geahnte Gewalt und Kraft p2b_523.030 seiner Musikdramen anerkannt worden. Man giebt immer mehr zu, daß Wagner p2b_523.031 im musikalischen Drama den Schlüssel gefunden hat, diese Welt mehr als p2b_523.032 früher dem Empfindungsleben zugänglich zu machen. Wagners Musik, die p2b_523.033 das Wunderbare dem Gefühl wahrscheinlich machen möchte und durch ihre p2b_523.034 gefühlumstrickende Allgewalt das Reich der Symbole lebendig zu machen weiß, p2b_523.035 hat uns den Reichtum und Jnhalt der germanischen Welt rascher enthüllt, als p2b_523.036 es die Doktrin aller Katheder der Welt vermochte.
p2b_523.037 Es ist dies eine Thatsache, die weder durch dummdreistes Geschwätz noch p2b_523.038 durch geistvolles Raisonnement widerlegt werden kann. Ob auch die „Amazone“ p2b_523.039 Dingelstedts, oder „Die Sturmflut“ Spielhagens gegen Wagner polemisieren, p2b_523.040 der Kundige wird den Eindruck haben, daß diese Dichter durch ihre Bemerkungen p2b_523.041 doch nur ihren überlegenen Geist zu dokumentieren strebten, um ihren Romanen p2b_523.042 einen pikanten Anstrich zu geben &c.
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/545>, abgerufen am 23.11.2024.
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