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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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und Seelenbewegungen die Poesie der Gegenwart des Gefühls, und p2b_030.002
die Epik als Erzählen des Geschehenen die Poesie der Vergangenheit p2b_030.003
genannt werden kann. Das Drama, welches sich aus der epischen und lyrischen p2b_030.004
Poesie entwickelt hat, wurde schon von Aristoteles (Poet. 26) als höchste p2b_030.005
Poesie
bezeichnet. Derselbe räumt der Epopöe die zweite Stelle ein, sofern p2b_030.006
sie dramatisch ist oder es sein kann. Das Drama war erst nach Ausbildung p2b_030.007
der Epik und Lyrik möglich. Es ist die Blüte aller Dichtkunst, indem es durch p2b_030.008
Verschmelzung von Epik und Lyrik - also der äußern Wirklichkeit und der p2b_030.009
innern Seelenzustände - ebenso auf die Anschauung wie auf die Empfindung p2b_030.010
zu wirken vermag. (Aristoteles sagt in dieser Hinsicht in Poet. 3: othen p2b_030.011
kai dramata kaleisthai tines auta phasin, oti mimountai drontas, p2b_030.012
desgleichen in Poet. 2: mimountai oi mimoumenoi prattontas.)

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Der Handelnde repräsentiert die subjektive gegenwärtige Empfindung im p2b_030.014
Affekt, in der Leidenschaft. Anstatt Erzählung der Begebenheiten - wie im p2b_030.015
Epos, - führt das Drama die Begebenheit in dialogischer Form wirklich auf, p2b_030.016
und es werden die Begebenheiten im Drama zur That, oder besser zu dem, p2b_030.017
was man eben Handlung (d. i. die in Entwickelung begriffene entscheidende p2b_030.018
That bis zur Vollendung) nennt. Jm Drama begiebt sich nicht nur Verschiedenes p2b_030.019
mit und an den auftretenden Personen, sondern diese zeigen durch p2b_030.020
eigene handelnde Vor- und Darstellung alle Seelenprozesse, welche in der p2b_030.021
Hauptperson des Drama bis zur leidenschaftlich vollbrachten That sich vollziehen, p2b_030.022
alle inneren Motive in ihrer vollen Geltung, weshalb die griechische Bezeichnung p2b_030.023
Drama (von dran == handeln) viel bezeichnender ist, als die lateinische p2b_030.024
fabula, die doch nur das epische Moment charakterisiert. (Der Lateiner hilft p2b_030.025
sich, indem er sagt: fabulam agere.)

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2. Nach Shakespeare (Hamlet Akt III, Scene 2) bezweckt die dramatische p2b_030.027
Poesie, der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten, der Tugend ihre eigenen p2b_030.028
Züge, der Schmach ihr eigenes Bild und dem Jahrhundert und Körper der p2b_030.029
Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen. (Jm Englischen lauten die letzten p2b_030.030
Worte: to show ... the very age and body of the time his forme and p2b_030.031
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. Delius (3. Aufl. Elberf. 1872. II. 391) kommentiert: Dem p2b_030.032
Jahrhundert (age) selbst wie der in Eins zusammengefaßten Zeit (body of p2b_030.033
the time
) ihre Gestalt und ihren Ausdruck zu zeigen. Nach S. Johnson p2b_030.034
bedeutet age bei Shakespeare any period of time attributed to something p2b_030.035
as the whole or part of his duration
: also jede Periode, den ganzen p2b_030.036
Verlauf der Zeit, auch den Charakter der Zeit soll das Drama nach Shakespeare p2b_030.037
darstellen. Wir möchten ergänzend auch an die verkörperte Zeit, d. i. die p2b_030.038
Zeitgenossen denken, insofern sie persönliche Zuschauer resp. Leser sind.

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3. Das Wesen des Drama ist die in Kampf, Gegenkampf, Spannung &c. p2b_030.040
sich zeigende Handlung. Diese bedarf zu ihrer Vorführung einer Bühne (skene), p2b_030.041
der Dekorationen, der Kostüme, wobei selbstredend auch ein Schauplatz (theatron) p2b_030.042
und Zuschauer vorausgesetzt sind. Die Ausmalung, Schilderung und die Beschreibungen p2b_030.043
der Gegenden sind beim Drama Aufgabe der Scenerie.

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und Seelenbewegungen die Poesie der Gegenwart des Gefühls, und p2b_030.002
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καὶ δράματα καλεῖσθαί τινες αὐτά φασιν, ὅτι μιμοῦνται δρῶντας, p2b_030.012
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Der Handelnde repräsentiert die subjektive gegenwärtige Empfindung im p2b_030.014
Affekt, in der Leidenschaft. Anstatt Erzählung der Begebenheiten ─ wie im p2b_030.015
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/52>, abgerufen am 25.11.2024.