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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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4. Zum Ausdruck der innern Empfindungen und der Zustände, welche p2b_031.002
in einem kausalen Verhältnisse stehen, bedient sich das Drama der Gesprächsform, p2b_031.003
des durch Mimik und Gestikulation unterstützten Wortes, p2b_031.004
der wechselnden Rede und Gegenrede.

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§ 21. Handlung, Fabel und Charaktere im Drama.

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Die unmittelbar vor den Augen des Zuschauers sich entrollende p2b_031.007
Begebenheit ist die Handlung. Sie wird als äußere That durch den p2b_031.008
freien Willen des Handelnden hervorgebracht. Sie unterscheidet sich p2b_031.009
wesentlich von der Fabel, unter welcher lediglich diese nicht zur Darstellung p2b_031.010
gelangte Begebenheit zu verstehen ist.

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Die handelnden Personen nennt man die Charaktere.

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Die Fabel im Drama ist die äußere stufenweise Entwickelung der Begebenheiten, p2b_031.013
aus denen die That resultiert. Oder besser: Unter Fabel im Drama p2b_031.014
versteht man die nach dem Zweck des Dichters eingerichteten Begebenheiten, p2b_031.015
deren Anfang, Fortgang und Ende sich der Dichter dem Ausgang entsprechend p2b_031.016
zubereitet, während Handlung die in Ausführung begriffene Begebenheit p2b_031.017
ist.
Oder endlich: Handlung ist dasjenige, wodurch die Begebenheit geschieht, p2b_031.018
ihren Fortgang gewinnt, ihr Ende erreicht: die Vorführung alles dessen, p2b_031.019
was sich begiebt, was geschieht.

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Über die Begriffe Handlung und Fabel herrscht selbst bei den gewiegtesten p2b_031.021
Dramaturgen keine Übereinstimmung. Manche bezeichnen als Fabel, p2b_031.022
was wir als Handlung bezeichnen, und umgekehrt. Die Römer nennen die Handlung, p2b_031.023
wie erwähnt, fabula. (Vgl. S. 30 d. Bds.)

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Die Handlung, welche im freien, nach bestimmter Absicht handelnden p2b_031.025
Wesen ihren Grund haben und also aus den Charakteren und Verhältnissen p2b_031.026
der Personen gewissermaßen entspringen muß, ist so wichtig, daß die handelnden p2b_031.027
Personen erst in zweite Linie zu setzen sind. Ja, sie ist das Wichtigste p2b_031.028
im Drama. Aristoteles sagt (Poet. 6): "Man handelt nicht, um seinen p2b_031.029
Charakter darzustellen, sondern man macht durch seine Handlungen zugleich p2b_031.030
auch seinen Charakter kund.
"

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Daher sind die Thatsachen und die Fabel der Endzweck der tragischen p2b_031.032
Darstellung, der Grundbestandteil und gleichsam die Seele der Tragödie.

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Das zweite darin sind die Charaktere, d. h. die idealen Personen, p2b_031.034
welche durch Kraft der Empfindung, Eigenart des Willens und Wesens besondern p2b_031.035
Charakter besitzen. (Das Dritte sind nach Aristoteles die Gedanken, d. i. die p2b_031.036
Gesamthandlung, die über die Entfaltung des Charakters hinübergeht, oder p2b_031.037
wodurch die Charaktere ihr inneres Leben bethätigen: die nach bestimmter p2b_031.038
Jdee organisierte Begebenheit, welche eben durch die Charaktere dargestellt wird.)

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Eine Tragödie ohne Handlung ist undenkbar; aber immerhin wäre eine p2b_031.040
solche ohne individuelle Charaktere möglich.

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Charakterschildernde Reden und geistreiche Gespräche geben kein Drama, p2b_031.042
aber sie werden in einem Drama möglich sein, in welchem die Handlung fortschreitet.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/53>, abgerufen am 22.11.2024.