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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Vorzüge, Mängel, Verkehrtheiten &c.) so heißt ein solches Stück Charakterlustspiel. p2b_484.002
Beispiele sind: Molieres Tartüffe; Shakespeares Falstaff; Freytags Journalisten; p2b_484.003
W. v. Hillerns Ein Autographensammler; Laubes Gottsched und Gellert; p2b_484.004
v. Plötz' Der Haustyrann; Birch-Pfeiffers Ein Kind des Glücks; W. Klägers p2b_484.005
Ludwig Devrient; Sheridans Lästerschule (übers. v. Schröder); Schröders Der p2b_484.006
Ring; Kotzebues Die beiden Klingsberge; Feldmanns Der Sohn auf Reisen, p2b_484.007
Der Rechnungsrat und seine Töchter &c. &c.

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Liegt dagegen das Komische mehr in der Überlistung und in der Gewandtheit, p2b_484.009
die Verhältnisse zu gestalten: also in der feinen und reich verschlungenen p2b_484.010
Verwickelung, im neckischen Spiel des Zufalls, in Durchkreuzung, Schaffung p2b_484.011
und Aufhebung der Verwickelungen, so heißt das Lustspiel Jntriguenstück. p2b_484.012
(Eine Eigentümlichkeit des mehr dem romanischen Charakter zusagenden Jntriguenlustspiels p2b_484.013
- das Herauswinden aus der Verwickelung - illustriert eine Anekdote, p2b_484.014
die man sich von Scribe, dem Meister desselben, erzählt. Es waren ihm p2b_484.015
die einzelnen Momente und der Zusammenhang seiner früher geschriebenen p2b_484.016
Lustspiele entfallen, die er immer wieder mit großem Jnteresse aufführen sah. p2b_484.017
Da wo der Knoten am besten geschürzt war, rief er in höchster Erregung aus: p2b_484.018
"Wie werd' ich mich da nur herausgewunden haben?") Beispiele sind: Shakespeares p2b_484.019
Was ihr wollt; Schillers Neffe als Onkel; Doczi's Kuß; Karl Mallachows p2b_484.020
Der Chevalier de Liriac; Ed. Ellersbergs Eine Damenverschwörung; A. Schröders p2b_484.021
Verheiratet wider Willen; A. Heinrichs Der Augenblick des Glücks; M. p2b_484.022
Dolmanns Fürst und Kavalier; A. Schreibers Der Jesuit und sein Zögling &c.

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2. Wir brauchen uns keinen Vorwurf zu machen, daß wir an Witz, p2b_484.024
Schlauheit, Jntrigue &c. den Franzosen nachstehen. Unsere Originalität liegt p2b_484.025
im Herzen. Daher wird das Jdeal eines deutschen Lustspiels weder ausgeprägtes, p2b_484.026
die Jntrigue und die Situationsmalerei vernachlässigendes Charakterstück noch ein p2b_484.027
die Charakteristik unterschätzendes Jntriguenstück sein können. Dieses Jdeal liegt p2b_484.028
vielmehr mitten innen. Es braucht nur darnach zu streben, die Schwächen und p2b_484.029
Thorheiten im Spiegel des Humors zu zeigen, um ein Charakterstück zu werden, p2b_484.030
das nicht als einzige Hauptsache die Charakteristik anstrebt, vielmehr auch die p2b_484.031
Fülle des Jnhalts berücksichtigt, die interessante Verwickelung und die naturgemäße p2b_484.032
Lösung. Die aufmerksame Charakteristik wird das lichte Moment bilden, p2b_484.033
um durch das verschlungene Gewirr von streitenden Jnteressen und Verwickelungen p2b_484.034
sicher hindurch zu führen.

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So entsprechen wir den Lessing'schen Traditionen und wahren uns ein p2b_484.036
national=deutsches Lustspiel, auf das wir ebenso stolz sein können, wie die Jtaliener p2b_484.037
auf ihre Masken, die Engländer auf ihre Charakterstücke, die Franzosen p2b_484.038
auf ihre Vaudevilles, die Spanier auf ihre Mantel- und Degenstücke &c.

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§ 172. Einteilung nach Form und Ausdehnung.

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Jn Beziehung auf Form und Ausdehnung unterscheidet man:

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a. die Bluette, b. das höhere, c. das niedere Lustspiel und dessen p2b_484.042
Abarten.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/506>, abgerufen am 23.11.2024.