p2b_482.001 zu den augenfälligsten Unmöglichkeiten versteigen. Aber die Symbolik dieser p2b_482.002 Unmöglichkeiten rechtfertigt sie und wirkt humoristisch.
p2b_482.003 3. Romantisch nennt man unsere modernen Lustspiele ausnahmsweise p2b_482.004 zur Unterscheidung von den antiken. Auch belegt man vorzugsweise die Lustspiele p2b_482.005 der Romantiker (I 59) mit diesem Namen. Man könnte auch sagen: p2b_482.006 die poetische Form zum poetischen Jnhalt macht mit Rücksicht auf die vergangene p2b_482.007 (die poetische) Zeit das romantische Lustspiel. Als Beispiele vgl. die p2b_482.008 unter 2 erwähnten Lustspiele von Platen und Tieck; ferner Ponce de Leon von p2b_482.009 Cl. Brentano; Halms Sohn der Wildnis, Wildfeuer, König und Bauer nach p2b_482.010 Lope de Vega und vor allem sein "Verbot und Befehl" u. a.
p2b_482.011 4. Der Name rührendes Lustspiel ist eigentlich ein Widerspruch (eine p2b_482.012 contradictio in adjecto). Man versteht darunter eine aus der Verbindung p2b_482.013 des Komischen mit dem Tragischen hervorgegangene Mischgattung komisch gefärbter p2b_482.014 Tragödien. Obgleich denselben genug rührende Scenen eingeflochten p2b_482.015 sind, so wird doch das Gefühl der Wehmut vom komischen Element überwogen. p2b_482.016 Beispiele: Lessings Minna von Barnhelm, Jfflands Die Hagestolzen, p2b_482.017 Nissels Ein schöner Wahn, verschiedene Lustspiele Diderots &c. Das rührende p2b_482.018 Lustspiel ist schwer vom bürgerlichen Schauspiel zu unterscheiden (S. 467 d. Bds).
p2b_482.019 5. Tritt als Tendenz des Lustspiels die Geißelung der Verkehrtheiten p2b_482.020 und sittlichen Schwächen einer bestimmten Zeit oder bestimmter Verhältnisse und p2b_482.021 Personen zutage, so nennt man es wohl auch Sittenstück. Beispiele: p2b_482.022 Michels Du sollst nicht lügen; Zahlhas' Ludwig XVI. und sein Hof.
p2b_482.023 6. Die französischen Übersetzungslustspiele bestechen durch leichte, gewandte p2b_482.024 Konversation, die sich, bei Licht besehen, meist als oberflächliches Salongeschwätz p2b_482.025 erweist. Jhrem dichterischen Wert nach sind diese Lustspiele oft zweifelhaft, p2b_482.026 ihrem ethischen Gehalt nach ebenso oft verwerflich.
p2b_482.027 Die französischen Lustspieldichter haben nur mehr Routine als wir. Sie p2b_482.028 sind geborene Akteurs, aber sie kennen keine tiefere Bedeutung ihrer Kunst; p2b_482.029 sie betrachten sie als Geschäft und sind zufrieden, wenn dieses sich als einträglich p2b_482.030 erweist. Daher bei ihnen auch kein Verständnis Shakespeare's. Wie p2b_482.031 Jffland und Kotzebue sind sie deshalb (Scribe etwa ausgenommen) bald verbraucht p2b_482.032 und vergessen. So viele ihrer auch sind, so haben sie der Welt in p2b_482.033 der Kunstform nichts Neues zugeführt; es müßten denn die Drames proverbesp2b_482.034 erwähnenswert sein; alle bewegen sich in längst ausgefahrenen Geleisen. Dagegen p2b_482.035 hat sich der Jnhalt der Komödien in ihren Händen immer mehr verschlechtert.p2b_482.036 Seit Viktor Hugo, Georges Sand, Alex. Dumas, Scribe und p2b_482.037 Alfred de Musset sind die Konflikte der Ehe der Lieblingsgegenstand der Lustspiele p2b_482.038 geworden. Mächtige Deklamationen und große Gewandtheit in der sinnlichen p2b_482.039 Farbe wollen wir diesen Dichtern gern zugestehen; aber sie sind unfähig, p2b_482.040 ihre Paradoxien glaubhaft durchzuführen, weil sie ohne den mindesten Respekt p2b_482.041 vor der Wahrheit und den sittlichen Maximen ihre Gestalten, ihre meist infamen p2b_482.042 Kreaturen schaffen. Solche Geschöpfe, auch wenn sie im heutigen Frankreich p2b_482.043 möglich sein sollten, gehören nicht auf die Bühne. Es sind Sünden gegen die p2b_482.044 menschliche Natur. Was wir von ihnen lernen, ist die liederliche Atmosphäre,
p2b_482.001 zu den augenfälligsten Unmöglichkeiten versteigen. Aber die Symbolik dieser p2b_482.002 Unmöglichkeiten rechtfertigt sie und wirkt humoristisch.
p2b_482.003 3. Romantisch nennt man unsere modernen Lustspiele ausnahmsweise p2b_482.004 zur Unterscheidung von den antiken. Auch belegt man vorzugsweise die Lustspiele p2b_482.005 der Romantiker (I 59) mit diesem Namen. Man könnte auch sagen: p2b_482.006 die poetische Form zum poetischen Jnhalt macht mit Rücksicht auf die vergangene p2b_482.007 (die poetische) Zeit das romantische Lustspiel. Als Beispiele vgl. die p2b_482.008 unter 2 erwähnten Lustspiele von Platen und Tieck; ferner Ponce de Leon von p2b_482.009 Cl. Brentano; Halms Sohn der Wildnis, Wildfeuer, König und Bauer nach p2b_482.010 Lope de Vega und vor allem sein „Verbot und Befehl“ u. a.
p2b_482.011 4. Der Name rührendes Lustspiel ist eigentlich ein Widerspruch (eine p2b_482.012 contradictio in adjecto). Man versteht darunter eine aus der Verbindung p2b_482.013 des Komischen mit dem Tragischen hervorgegangene Mischgattung komisch gefärbter p2b_482.014 Tragödien. Obgleich denselben genug rührende Scenen eingeflochten p2b_482.015 sind, so wird doch das Gefühl der Wehmut vom komischen Element überwogen. p2b_482.016 Beispiele: Lessings Minna von Barnhelm, Jfflands Die Hagestolzen, p2b_482.017 Nissels Ein schöner Wahn, verschiedene Lustspiele Diderots &c. Das rührende p2b_482.018 Lustspiel ist schwer vom bürgerlichen Schauspiel zu unterscheiden (S. 467 d. Bds).
p2b_482.019 5. Tritt als Tendenz des Lustspiels die Geißelung der Verkehrtheiten p2b_482.020 und sittlichen Schwächen einer bestimmten Zeit oder bestimmter Verhältnisse und p2b_482.021 Personen zutage, so nennt man es wohl auch Sittenstück. Beispiele: p2b_482.022 Michels Du sollst nicht lügen; Zahlhas' Ludwig XVI. und sein Hof.
p2b_482.023 6. Die französischen Übersetzungslustspiele bestechen durch leichte, gewandte p2b_482.024 Konversation, die sich, bei Licht besehen, meist als oberflächliches Salongeschwätz p2b_482.025 erweist. Jhrem dichterischen Wert nach sind diese Lustspiele oft zweifelhaft, p2b_482.026 ihrem ethischen Gehalt nach ebenso oft verwerflich.
p2b_482.027 Die französischen Lustspieldichter haben nur mehr Routine als wir. Sie p2b_482.028 sind geborene Akteurs, aber sie kennen keine tiefere Bedeutung ihrer Kunst; p2b_482.029 sie betrachten sie als Geschäft und sind zufrieden, wenn dieses sich als einträglich p2b_482.030 erweist. Daher bei ihnen auch kein Verständnis Shakespeare's. Wie p2b_482.031 Jffland und Kotzebue sind sie deshalb (Scribe etwa ausgenommen) bald verbraucht p2b_482.032 und vergessen. So viele ihrer auch sind, so haben sie der Welt in p2b_482.033 der Kunstform nichts Neues zugeführt; es müßten denn die Drames proverbesp2b_482.034 erwähnenswert sein; alle bewegen sich in längst ausgefahrenen Geleisen. Dagegen p2b_482.035 hat sich der Jnhalt der Komödien in ihren Händen immer mehr verschlechtert.p2b_482.036 Seit Viktor Hugo, Georges Sand, Alex. Dumas, Scribe und p2b_482.037 Alfred de Musset sind die Konflikte der Ehe der Lieblingsgegenstand der Lustspiele p2b_482.038 geworden. Mächtige Deklamationen und große Gewandtheit in der sinnlichen p2b_482.039 Farbe wollen wir diesen Dichtern gern zugestehen; aber sie sind unfähig, p2b_482.040 ihre Paradoxien glaubhaft durchzuführen, weil sie ohne den mindesten Respekt p2b_482.041 vor der Wahrheit und den sittlichen Maximen ihre Gestalten, ihre meist infamen p2b_482.042 Kreaturen schaffen. Solche Geschöpfe, auch wenn sie im heutigen Frankreich p2b_482.043 möglich sein sollten, gehören nicht auf die Bühne. Es sind Sünden gegen die p2b_482.044 menschliche Natur. Was wir von ihnen lernen, ist die liederliche Atmosphäre,
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Die französischen Lustspieldichter haben nur mehr Routine als wir. Sie p2b_482.028
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Jffland und Kotzebue sind sie deshalb (Scribe etwa ausgenommen) bald verbraucht p2b_482.032
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Alfred de Musset sind die Konflikte der Ehe der Lieblingsgegenstand der Lustspiele p2b_482.038
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/504>, abgerufen am 23.11.2024.
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