p2b_478.001 4. Das niedere Lustspiel ist in der Regel in Prosa geschrieben, während p2b_478.002 das feine auch in der Form seine höhere Stellung sich wahrt. Weniger ist p2b_478.003 es der in der Tragödie wie im Schauspiel beliebte jambische Quinar, als der p2b_478.004 neue Senarius, der Alexandriner, der jambische Viertakter, welche wir im Lustspiel p2b_478.005 angewandt finden. Ausnahmsweise begegnet man auch trochäischen Versen. p2b_478.006 Um zu beweisen, welchen Reiz der Vers auch dem Lustspiel zu verleihen vermag, p2b_478.007 brauchen wir bloß an das metrisch so schön aufgebaute allbekannte Lustspiel p2b_478.008 Der Kuß, von Doczi zu erinnern, das augenblicklich in Deutschland beliebtes p2b_478.009 Repertoirestück geworden ist, oder an das von Schreyvogel (wie auch von A. West) p2b_478.010 bearbeitete span. Lustspiel Donna Diana von Don Augustin Moreto; oder an p2b_478.011 Halms Verbot und Befehl; oder auch an das 1aktige Lustspiel Zweier Herren p2b_478.012 Magd von M. Tenelli u. s. w.
p2b_478.013
§ 168. Anforderungen an die Handlung im Lustspiel.
p2b_478.014 1. Die Handlung muß lebendig, dem geselligen Leben der Gegenwart p2b_478.015 entsprechend sein.
p2b_478.016 2. Sie muß komische Wirkung zu üben vermögen.
p2b_478.017 3. Je nach dem Charakter des Lustspiels hat sie das Feinkomische p2b_478.018 oder das Niedrigkomische hervorzukehren.
p2b_478.019 1. Die Anforderungen einer lebendigen Aktion (Handlung) sind an das p2b_478.020 Lustspiel - als einer Gattung des Drama - in gesteigertem Maß zu richten. p2b_478.021 Wenn der gewandte Paul Lindau in neuester Zeit in drei Stücken lyrische p2b_478.022 Ergüsse von Goethe, Eichendorff und Chamisso verwebte - und Andere (z. B. p2b_478.023 Rudolf Kneisel im Originalschwank "Sein einziges Gedicht", oder Fr. Rüffer p2b_478.024 in "Der Wildfang", einem Pendant zu "Sie hat ihr Herz entdeckt"), in wirksamer p2b_478.025 Weise ganze Gedichte einlegen, die in der Handlung selbst keine Rolle p2b_478.026 spielen, so ist dies doch nicht als Norm hinzustellen. Lindau weiß durch p2b_478.027 geistvollen, prickelnden, spannenden Dialog den Mangel an Handlung zu ersetzen, p2b_478.028 und Kneisel wie Rüffer haben bei ihrer vom poetischen Hauch durchzogenen p2b_478.029 Lustspielidee genug Gelegenheit, das Gedicht zum Substrat der Handlung zu p2b_478.030 erheben. Die selbsterfundene oder aus Ereignissen des geselligen Lebens entstandene p2b_478.031 Handlung darf den Charakter der Wahrscheinlichkeit nicht verlieren. p2b_478.032 Jm Gegensatz zum Epos und zur Tragödie darf bei der Komödie die Subjektivität p2b_478.033 des Dichters in der Handlung hervortreten. (Bei der antiken Komödie p2b_478.034 trat das subjektive Element nur in den komischen Chören, den Parabasen, zu Tage.)
p2b_478.035 2. Die Handlung muß solche Situationen aufsuchen, welche augenblicklich p2b_478.036 im Kontrast mit dem Charakter des Helden stehen, welche komisch wirken, p2b_478.037 ohne gegen die gewöhnlichen Lebensinteressen zu verstoßen. Sie muß daher vor p2b_478.038 allem seltsam sein und trotz aller komischen Hindernisse glücklichen Ausgang nehmen.
p2b_478.039 3. Jm seinen Lustspiel ist in der Handlung das Feinkomische vorherrschend, p2b_478.040 in der Posse das Niedrigkomische, Burleske. Das Feinkomische verlangt feinen p2b_478.041 Geschmack, elegante Darstellung, Kenntnis des feinen Umgangs. Der Begriff
p2b_478.001 4. Das niedere Lustspiel ist in der Regel in Prosa geschrieben, während p2b_478.002 das feine auch in der Form seine höhere Stellung sich wahrt. Weniger ist p2b_478.003 es der in der Tragödie wie im Schauspiel beliebte jambische Quinar, als der p2b_478.004 neue Senarius, der Alexandriner, der jambische Viertakter, welche wir im Lustspiel p2b_478.005 angewandt finden. Ausnahmsweise begegnet man auch trochäischen Versen. p2b_478.006 Um zu beweisen, welchen Reiz der Vers auch dem Lustspiel zu verleihen vermag, p2b_478.007 brauchen wir bloß an das metrisch so schön aufgebaute allbekannte Lustspiel p2b_478.008 Der Kuß, von Doczi zu erinnern, das augenblicklich in Deutschland beliebtes p2b_478.009 Repertoirestück geworden ist, oder an das von Schreyvogel (wie auch von A. West) p2b_478.010 bearbeitete span. Lustspiel Donna Diana von Don Augustin Moreto; oder an p2b_478.011 Halms Verbot und Befehl; oder auch an das 1aktige Lustspiel Zweier Herren p2b_478.012 Magd von M. Tenelli u. s. w.
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§ 168. Anforderungen an die Handlung im Lustspiel.
p2b_478.014 1. Die Handlung muß lebendig, dem geselligen Leben der Gegenwart p2b_478.015 entsprechend sein.
p2b_478.016 2. Sie muß komische Wirkung zu üben vermögen.
p2b_478.017 3. Je nach dem Charakter des Lustspiels hat sie das Feinkomische p2b_478.018 oder das Niedrigkomische hervorzukehren.
p2b_478.019 1. Die Anforderungen einer lebendigen Aktion (Handlung) sind an das p2b_478.020 Lustspiel ─ als einer Gattung des Drama ─ in gesteigertem Maß zu richten. p2b_478.021 Wenn der gewandte Paul Lindau in neuester Zeit in drei Stücken lyrische p2b_478.022 Ergüsse von Goethe, Eichendorff und Chamisso verwebte ─ und Andere (z. B. p2b_478.023 Rudolf Kneisel im Originalschwank „Sein einziges Gedicht“, oder Fr. Rüffer p2b_478.024 in „Der Wildfang“, einem Pendant zu „Sie hat ihr Herz entdeckt“), in wirksamer p2b_478.025 Weise ganze Gedichte einlegen, die in der Handlung selbst keine Rolle p2b_478.026 spielen, so ist dies doch nicht als Norm hinzustellen. Lindau weiß durch p2b_478.027 geistvollen, prickelnden, spannenden Dialog den Mangel an Handlung zu ersetzen, p2b_478.028 und Kneisel wie Rüffer haben bei ihrer vom poetischen Hauch durchzogenen p2b_478.029 Lustspielidee genug Gelegenheit, das Gedicht zum Substrat der Handlung zu p2b_478.030 erheben. Die selbsterfundene oder aus Ereignissen des geselligen Lebens entstandene p2b_478.031 Handlung darf den Charakter der Wahrscheinlichkeit nicht verlieren. p2b_478.032 Jm Gegensatz zum Epos und zur Tragödie darf bei der Komödie die Subjektivität p2b_478.033 des Dichters in der Handlung hervortreten. (Bei der antiken Komödie p2b_478.034 trat das subjektive Element nur in den komischen Chören, den Parabasen, zu Tage.)
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p2b_478.039 3. Jm seinen Lustspiel ist in der Handlung das Feinkomische vorherrschend, p2b_478.040 in der Posse das Niedrigkomische, Burleske. Das Feinkomische verlangt feinen p2b_478.041 Geschmack, elegante Darstellung, Kenntnis des feinen Umgangs. Der Begriff
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Magd von M. Tenelli u. s. w.
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1. Die Handlung muß lebendig, dem geselligen Leben der Gegenwart p2b_478.015
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oder das Niedrigkomische hervorzukehren.
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/500>, abgerufen am 23.11.2024.
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