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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Tragödie ausschließt, einen großen Spielraum. Es sind ja nicht Schicksalsmächte, p2b_477.002
gegen welche der Held kämpft, sondern die Schwächen seiner Mitmenschen, p2b_477.003
deren zufällig entgegenkommende Engherzigkeit oder deren zu benützende p2b_477.004
Thorheit. Er geht daher nicht über die Schranken des gewöhnlichen Lebens p2b_477.005
hinaus. Seiner Wirkungssphäre entsprechend führt er den Kampf mit List und p2b_477.006
Gewandtheit, mit Witz, Scherz und Laune. Die Lösung besteht nicht im Untergang p2b_477.007
der feindlichen Partei, sondern in deren Nachgeben, oder in Überlistung p2b_477.008
derselben, in Besiegung von Jntriguen.

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Oft ist der Held selbst der Verkehrte und Verirrte; er unterliegt sodann p2b_477.010
von Rechtswegen und kehrt zur richtigen Vernunft zurück. Dieser Ausgang p2b_477.011
hat etwas Erheiterndes, Komisches, Humoristisches, Befriedigendes, indem er p2b_477.012
zeigt, daß das Jrrtümliche, Bornierte und Verkehrte endlich der Vernunftmäßigkeit p2b_477.013
und Natürlichkeit weichen muß. Witz, Jronie und jene feine Komik, p2b_477.014
die mit ihrem unverstellten Blick alle Situationen durchdringt, sind die wesentlichen p2b_477.015
treibenden Momente im Lustspiel. (Vgl. I 103 ff.) Aber der Witz p2b_477.016
und die Jronie müssen sich aus der Handlung ergeben. Nicht der bloße Wortwitz, p2b_477.017
der ja auch zuweilen seine Wirkung übt, ist es, sondern Gedankenhumor p2b_477.018
im Handeln, in Überlistung des Geschicks, Jronie im Bild, was den Charakter p2b_477.019
des Ungesuchten an sich trägt. (Man vgl. z. B. Falstaff von Shakespeare.) p2b_477.020
Am besten entsteht das Komische durch den Kontrast des Charakters mit der p2b_477.021
Situation.

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Die Ungereimtheiten müssen von vernünftigen Wesen ausgehen, an wichtigen p2b_477.023
Dingen stattfinden und überraschend auftreten. Über den Stotternden wird p2b_477.024
man nur lachen, wenn er z. B. eine feierliche Rede halten wollte; über einen p2b_477.025
Zerstreuten, wenn er z. B. den Degen an der rechten Seite trägt; über alberne p2b_477.026
Redewendungen, die sich wiederholen, wenn der Redner sich für geistvoll hält; p2b_477.027
nicht aber über einen Geisteskranken &c. (vgl. I 102).

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Das Lustspiel, indem es durch Witz und feine Komik das wirkliche Leben p2b_477.029
mit seinen Mängeln und Schwächen von seiner lächerlichen Seite darstellt, zieht p2b_477.030
dazu auch das Edle, Liebenswürdige und Gefällige der menschlichen Verhältnisse p2b_477.031
und der gesellschaftlichen Zustände in seinen Kreis. Komische Situationen müssen p2b_477.032
das Jnteresse der Handlung beleben, und wir müssen durch dieselben nach den p2b_477.033
Gesetzen des Kontrastes an die schönen Verhältnisse erinnert werden, deren p2b_477.034
Gegenteil sie sind.

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Ein Unglück, welches dem Helden zustößt, muß als leicht zu lösende, "lächerliche p2b_477.036
Not erscheinen, die keine ernsten Folgen haben wird". Der Dichter hat p2b_477.037
eben die ergetzlichen Widersprüche geschickt zu verwerten, ohne sie auszugleichen.

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Wenn er sie wirklich ausgleicht, wenn die Thoren vernünftig, die Schlechtgesinnten p2b_477.039
gebessert, oder im tragischen Sinne bestraft werden, so ist es, wie p2b_477.040
Schlegel richtig bemerkt, um den lustigen Eindruck geschehen. Die Moral des p2b_477.041
Lustspiels ist nach ihm die Moral des Erfolgs, nicht, wie in der Tragödie die p2b_477.042
der Triebfeder. Jm feineren Lustspiel dürfen die handelnden Personen ihre p2b_477.043
Schwächen, die sie zu verbergen suchen, nicht kennen; nur aus der Handlung p2b_477.044
müssen diese mit ihrer ergetzlichen Wirkung hervorgehen.

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Tragödie ausschließt, einen großen Spielraum. Es sind ja nicht Schicksalsmächte, p2b_477.002
gegen welche der Held kämpft, sondern die Schwächen seiner Mitmenschen, p2b_477.003
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Gewandtheit, mit Witz, Scherz und Laune. Die Lösung besteht nicht im Untergang p2b_477.007
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derselben, in Besiegung von Jntriguen.

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Oft ist der Held selbst der Verkehrte und Verirrte; er unterliegt sodann p2b_477.010
von Rechtswegen und kehrt zur richtigen Vernunft zurück. Dieser Ausgang p2b_477.011
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Am besten entsteht das Komische durch den Kontrast des Charakters mit der p2b_477.021
Situation.

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Die Ungereimtheiten müssen von vernünftigen Wesen ausgehen, an wichtigen p2b_477.023
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nicht aber über einen Geisteskranken &c. (vgl. I 102).

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Das Lustspiel, indem es durch Witz und feine Komik das wirkliche Leben p2b_477.029
mit seinen Mängeln und Schwächen von seiner lächerlichen Seite darstellt, zieht p2b_477.030
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Ein Unglück, welches dem Helden zustößt, muß als leicht zu lösende, „lächerliche p2b_477.036
Not erscheinen, die keine ernsten Folgen haben wird“. Der Dichter hat p2b_477.037
eben die ergetzlichen Widersprüche geschickt zu verwerten, ohne sie auszugleichen.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/499>, abgerufen am 23.11.2024.