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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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1. Die Tragödie des besiegten Konflikts ist jene Tragödie, in welcher p2b_450.002
den Helden selbst eine verlockende Belohnung (wie z. B. Liebesglück) nicht von p2b_450.003
seinen Grundsätzen abwendig machen kann, für die er in den Tod geht.

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Jn der Tragödie des siegenden Konflikts zeigt sich der Held der Versuchung p2b_450.005
nicht gewachsen. Dennoch ändert er sein Geschick nicht; der Konflikt p2b_450.006
nimmt eine solche Wendung, daß der Held aus Verzweiflung oder aus Strafe p2b_450.007
für seine Schwäche den Tod erleidet.

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Jn der Tragödie der Schuld verstößt der Held entweder gegen göttliche p2b_450.009
und menschliche Ordnung, oder er unterläßt es, mit Energie für seine p2b_450.010
Pflicht einzutreten (Hamlet, Egmont), oder aber er wählt zwischen zwei sich p2b_450.011
entgegenstehenden Pflichten (Max' Abschied von der Geliebten in Wallensteins p2b_450.012
Tod) so, daß die Verhältnisse, wie sie jetzt liegen, seinen Untergang herbeiführen.

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Jn der reinen Tragödie geht der Held nicht von seiner großen Sache p2b_450.014
ab, auch wo er den Untergang voraussieht. Er kann schuldvoll oder (wie Calderons p2b_450.015
standhafter Prinz) schuldlos sein.

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Jn der Tragödie der Liebe kann der Held am Verrat der Geliebten p2b_450.017
zu Grunde gehen, oder aber beide Geliebte fallen am Ende den sich dem tragischen p2b_450.018
Konflikt entgegentürmenden Verhältnissen zum Opfer (Romeo und Julia).

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2. Die antiken Tragödien sind bekanntlich die Tragödien der Griechen; p2b_450.020
die romantischen haben ein Muster in der Jungfrau von Orleans, und die p2b_450.021
modernen Tragödien haben ihre Beispiele in den Tragödien der Liebe (z. B. p2b_450.022
Grillparzers Des Meeres und der Liebe Wellen [Hero und Leander]; Julius p2b_450.023
Mosens Wendelin und Helene &c.).

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3. Zu den Charaktertragödien zählen die Tragödien der Leidenschaft p2b_450.025
und der einfachen Schuld (Beispiele: Othello, Macbeth).

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Prinzipientragödien sind die Tragödien des sittlichen Konflikts p2b_450.027
(z. B. Sophokles' Antigone).

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Sittentragödien sind auf dem Gebiet der Tragödie dasselbe, was p2b_450.029
der Zeitroman auf dem des Romans ist (A. E. Brachvogels Narziß).

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§ 162. Unsere Einteilung der Tragödie nebst Begründung.

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Als eine allen Anforderungen genügende, erschöpfende Einteilung p2b_450.032
der Tragödie dürfte sich die nachstehende Rubrizierung der sämtlichen p2b_450.033
Tragödien empfehlen:

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I. Sagenhaft=heroische (altklassische) Tragödien;

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II. Philosophische;

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III. Geschichtliche oder heroische, sowie politische;

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IV. Bürgerliche;

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V. Moderne Schicksalstragödien.

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Es sind dies die später (S. 456) zu erwähnenden Tragödien der klassischen p2b_450.041
Völker. Sagenkreise sind Der Prometheus-Mythus; das mit Fluch beladene

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/472>, abgerufen am 23.11.2024.