Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_220.001 p2b_220.003 p2b_220.006 Vater ist, der alle Kinder, p2b_220.008 Keines mehr und keines minder, p2b_220.009 Liebt und jedes mehr als sich; p2b_220.010 Solche Lieb ist väterlich. p2b_220.011 Vater ist, der einen Bissen p2b_220.012 Misset eh'r, als lässet missen, p2b_220.013 Der den Kindern teilt sein Brot p2b_220.014 Und für sich behält die Not. p2b_220.015 Vater ist, der seine Rute p2b_220.016 Jhnen führt, nicht sich zu Gute, p2b_220.017 Und den Streich sich selber giebt, p2b_220.018 Den er dem giebt, was er liebt. p2b_220.019 (Rückert.)Vater ist, der alle kennet, p2b_220.020 Mit dem Namen alle nennet, p2b_220.021 Und in seinem kleinen Reich p2b_220.022 Alle hält in Liebe gleich. p2b_220.023 p2b_220.024 Viel rühmen dich, Warum? aus Überzeugung? Nein! p2b_220.026 p2b_220.035Man lehrt durch Höflichkeit dich wieder höflich sein. p2b_220.027 Warum hat dich Krispin so vielfach schon erhoben? p2b_220.028 Er wird dein Lob, um sich der Welt selbst einzuloben. p2b_220.029 Der Redner rühmet dich, nicht, weil du's würdig bist, p2b_220.030 Nein, um uns darzuthun, daß er ein Redner ist. p2b_220.031 Hier spricht ein Tisch von dir. Wie? schätzen dich die Blöden? p2b_220.032 O nein, sie wollten jetzt nicht mehr vom Wetter reden. p2b_220.033 Sarkast lobt heute dich; warum? dächtst du es wohl? p2b_220.034 Damit sein künft'ger Spott mehr Eindruck machen soll. (Aus Gellerts Reichtum und Ehre.) p2b_220.036 p2b_220.039 p2b_220.001 p2b_220.003 p2b_220.006 Vater ist, der alle Kinder, p2b_220.008 Keines mehr und keines minder, p2b_220.009 Liebt und jedes mehr als sich; p2b_220.010 Solche Lieb ist väterlich. p2b_220.011 Vater ist, der einen Bissen p2b_220.012 Misset eh'r, als lässet missen, p2b_220.013 Der den Kindern teilt sein Brot p2b_220.014 Und für sich behält die Not. p2b_220.015 Vater ist, der seine Rute p2b_220.016 Jhnen führt, nicht sich zu Gute, p2b_220.017 Und den Streich sich selber giebt, p2b_220.018 Den er dem giebt, was er liebt. p2b_220.019 (Rückert.)Vater ist, der alle kennet, p2b_220.020 Mit dem Namen alle nennet, p2b_220.021 Und in seinem kleinen Reich p2b_220.022 Alle hält in Liebe gleich. p2b_220.023 p2b_220.024 Viel rühmen dich, Warum? aus Überzeugung? 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Die Mittel, welche die didaktische Poesie im wirklichen Lehrgedicht zur <lb n="p2b_220.002"/> Darstellung und Klarlegung der Wahrheit anwendet, sind:</p> <p><lb n="p2b_220.003"/><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Die poetische Definition,</hi> die mit der logischen Prosa-Definition <lb n="p2b_220.004"/> kaum die Form gemein hat, indem sie Begriffe zur Erklärung häuft, während <lb n="p2b_220.005"/> jene nur die Kennzeichen des Begriffs einzeln vorführt.</p> <p> <lb n="p2b_220.006"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p> <lb n="p2b_220.007"/> <p> <lg> <l> Vater ist, der alle Kinder,</l> <lb n="p2b_220.008"/> <l>Keines mehr und keines minder,</l> <lb n="p2b_220.009"/> <l>Liebt und jedes mehr als sich;</l> <lb n="p2b_220.010"/> <l>Solche Lieb ist väterlich. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_220.011"/> <l> Vater ist, der einen Bissen</l> <lb n="p2b_220.012"/> <l>Misset eh'r, als lässet missen,</l> <lb n="p2b_220.013"/> <l>Der den Kindern teilt sein Brot</l> <lb n="p2b_220.014"/> <l>Und für sich behält die Not. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_220.015"/> <l> Vater ist, der seine Rute</l> <lb n="p2b_220.016"/> <l>Jhnen führt, nicht sich zu Gute,</l> <lb n="p2b_220.017"/> <l>Und den Streich sich selber giebt,</l> <lb n="p2b_220.018"/> <l>Den er dem giebt, was er liebt. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_220.019"/> <l> Vater ist, der alle kennet,</l> <lb n="p2b_220.020"/> <l>Mit dem Namen alle nennet,</l> <lb n="p2b_220.021"/> <l>Und in seinem kleinen Reich</l> <lb n="p2b_220.022"/> <l>Alle hält in Liebe gleich.</l> </lg> <hi rendition="#right">(Rückert.)</hi> </p> <p><lb n="p2b_220.023"/><hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">Die poetische Jnduktion,</hi> welche die Wahrheit in Beispielen zeigt.</p> <p> <lb n="p2b_220.024"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p> <lb n="p2b_220.025"/> <p> <lg> <l> Viel rühmen dich, Warum? aus Überzeugung? 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(Vgl. als Beispiel die gute <lb n="p2b_220.041"/> Lehre des Bettlers unter <hi rendition="#aq">II</hi>.)</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0242]
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2. Die Mittel, welche die didaktische Poesie im wirklichen Lehrgedicht zur p2b_220.002
Darstellung und Klarlegung der Wahrheit anwendet, sind:
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a. Die poetische Definition, die mit der logischen Prosa-Definition p2b_220.004
kaum die Form gemein hat, indem sie Begriffe zur Erklärung häuft, während p2b_220.005
jene nur die Kennzeichen des Begriffs einzeln vorführt.
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Beispiel:
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Vater ist, der alle Kinder, p2b_220.008
Keines mehr und keines minder, p2b_220.009
Liebt und jedes mehr als sich; p2b_220.010
Solche Lieb ist väterlich.
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Vater ist, der einen Bissen p2b_220.012
Misset eh'r, als lässet missen, p2b_220.013
Der den Kindern teilt sein Brot p2b_220.014
Und für sich behält die Not.
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Vater ist, der seine Rute p2b_220.016
Jhnen führt, nicht sich zu Gute, p2b_220.017
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Den er dem giebt, was er liebt.
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Und in seinem kleinen Reich p2b_220.022
Alle hält in Liebe gleich.
(Rückert.)
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b. Die poetische Jnduktion, welche die Wahrheit in Beispielen zeigt.
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Beispiel:
p2b_220.025
Viel rühmen dich, Warum? aus Überzeugung? Nein! p2b_220.026
Man lehrt durch Höflichkeit dich wieder höflich sein. p2b_220.027
Warum hat dich Krispin so vielfach schon erhoben? p2b_220.028
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Der Redner rühmet dich, nicht, weil du's würdig bist, p2b_220.030
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Hier spricht ein Tisch von dir. Wie? schätzen dich die Blöden? p2b_220.032
O nein, sie wollten jetzt nicht mehr vom Wetter reden. p2b_220.033
Sarkast lobt heute dich; warum? dächtst du es wohl? p2b_220.034
Damit sein künft'ger Spott mehr Eindruck machen soll.
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(Aus Gellerts Reichtum und Ehre.)
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c. Die poetische Analogie, welche die Ähnlichkeit des Gegenstandes p2b_220.037
in Beziehung mit anderen setzt. (Vgl. als Probe „Dem Liebesänger“ unter p2b_220.038
I. der Beispiele.)
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d. Die poetische Jndividualisation, welche statt eines abstrakten p2b_220.040
Begriffes die untergeordneten Jndividuen nimmt. (Vgl. als Beispiel die gute p2b_220.041
Lehre des Bettlers unter II.)
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