Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_192.001 p2b_192.003 p2b_192.008 p2b_192.013 p2b_192.016 p2b_192.019 p2b_192.023 p2b_192.026 Äneas' Flucht aus Troja. p2b_192.028 Und lauter, immer lauter hört man schon p2b_192.032 p2b_192.042Des Brandes nahe Feuerflammen krachen. p2b_192.033 Auf, Vater, ruf' ich, auf! Jch trage dich, p2b_192.034 den Schwachen; p2b_192.035 Leicht drückt des Vaters teure Last den p2b_192.036 Sohn. p2b_192.037 Was nun auch kommen mag, wir teilen p2b_192.038 Tod und Leben, p2b_192.039 Die Hand will ich dem Kleinen geben, p2b_192.040 Jn ein'ger Ferne folgt Kreusa still. p2b_192.041 Jhr Knechte, merkt, was ich verkünden will. 120. p2b_192.043 Gleich vor der Stadt steht ihr an einem p2b_192.044 [Spaltenumbruch]
p2b_192.101Felsenhange, p2b_192.045 Den ein verlassner Cerestempel schmückt, p2b_192.046 Daneben ein Cypressenbaum, seit lange Travestie. (Aus: Blumauers travestierte p2b_192.102 Äneis.) p2b_192.103 Jch trat ins Zimmer. Welch' ein Bild! p2b_192.104 Wie ward ich da betroffen! p2b_192.105 Mein Vater hinter einem Schild, p2b_192.106 Mein Söhnchen hinterm Ofen. p2b_192.107 Mein Weib, das hoch die Hände rang, p2b_192.108 Schrie heulend: Schütze mich vor Zwang, p2b_192.109 Du heil'ge Mutter Anna! p2b_192.110 Kourage, rief ich, faßt euch! Wißt, p2b_192.111 Frau Venus hat mir eben p2b_192.112 Ein Land, wo Milch und Honig fließt, p2b_192.113 Statt diesem Nest gegeben. p2b_192.114 Kommt mit in dies Schlaraffenland, p2b_192.115 Da sind die Felsen von Tragant, p2b_192.116 Die Wälder voll Zibeben. p2b_192.117 [Ende Spaltensatz]
Da will ich naschen, rief Askan, p2b_192.118 Und hing an meiner Seite; p2b_192.001 p2b_192.003 p2b_192.008 p2b_192.013 p2b_192.016 p2b_192.019 p2b_192.023 p2b_192.026 Äneas' Flucht aus Troja. p2b_192.028 Und lauter, immer lauter hört man schon p2b_192.032 p2b_192.042Des Brandes nahe Feuerflammen krachen. p2b_192.033 Auf, Vater, ruf' ich, auf! Jch trage dich, p2b_192.034 den Schwachen; p2b_192.035 Leicht drückt des Vaters teure Last den p2b_192.036 Sohn. p2b_192.037 Was nun auch kommen mag, wir teilen p2b_192.038 Tod und Leben, p2b_192.039 Die Hand will ich dem Kleinen geben, p2b_192.040 Jn ein'ger Ferne folgt Kreusa still. p2b_192.041 Jhr Knechte, merkt, was ich verkünden will. 120. p2b_192.043 Gleich vor der Stadt steht ihr an einem p2b_192.044 [Spaltenumbruch]
p2b_192.101Felsenhange, p2b_192.045 Den ein verlassner Cerestempel schmückt, p2b_192.046 Daneben ein Cypressenbaum, seit lange Travestie. (Aus: Blumauers travestierte p2b_192.102 Äneis.) p2b_192.103 Jch trat ins Zimmer. Welch' ein Bild! p2b_192.104 Wie ward ich da betroffen! p2b_192.105 Mein Vater hinter einem Schild, p2b_192.106 Mein Söhnchen hinterm Ofen. p2b_192.107 Mein Weib, das hoch die Hände rang, p2b_192.108 Schrie heulend: Schütze mich vor Zwang, p2b_192.109 Du heil'ge Mutter Anna! p2b_192.110 Kourage, rief ich, faßt euch! Wißt, p2b_192.111 Frau Venus hat mir eben p2b_192.112 Ein Land, wo Milch und Honig fließt, p2b_192.113 Statt diesem Nest gegeben. p2b_192.114 Kommt mit in dies Schlaraffenland, p2b_192.115 Da sind die Felsen von Tragant, p2b_192.116 Die Wälder voll Zibeben. p2b_192.117 [Ende Spaltensatz]
Da will ich naschen, rief Askan, p2b_192.118 Und hing an meiner Seite; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0214" n="192"/><lb n="p2b_192.001"/> und lächerlich macht. Daher heißt travestieren soviel als ein erhabenes Gedicht <lb n="p2b_192.002"/> in's Lächerliche ziehen, es scherzhaft umformen, umkleiden.</p> <p><lb n="p2b_192.003"/> Da der Gegenstand häufig in niedrige, gewöhnliche Sphären herabgezogen, <lb n="p2b_192.004"/> ja nicht selten herabgewürdigt wird, so wirkt der <hi rendition="#g">Kontrast</hi> mit dem erhabenen <lb n="p2b_192.005"/> Vorbild um so greller. Daher haben nur wenige Travestien poetischen Wert. Die <lb n="p2b_192.006"/> meisten sind lediglich als Ausdruck von Witz und Laune bemerkenswert und <lb n="p2b_192.007"/> werden nur so lange ertragen, als sie nicht in's Frivole und Gemeine übergehen.</p> <p><lb n="p2b_192.008"/> Zu den vornehmsten Arten des Lächerlichen gehört der Kontrast zwischen <lb n="p2b_192.009"/> Ursache und Wirkung, zwischen Zweck und Mittel, ferner die Entdeckung einer <lb n="p2b_192.010"/> unerwarteten Ähnlichkeit zwischen unähnlichen Gegenständen, endlich der Kontrast <lb n="p2b_192.011"/> zwischen Bedeutendem und Unbedeutendem, Großem und Kleinem nebst kurzen <lb n="p2b_192.012"/> witzigen Einfällen (Bonmots).</p> <p><lb n="p2b_192.013"/> Darauf gründet sich ebenso der <hi rendition="#g">heroisch=komische,</hi> wie der <hi rendition="#g">niedrigkomische</hi> <lb n="p2b_192.014"/> oder burleske Stil in der Travestie (wie auch in der Parodie; <lb n="p2b_192.015"/> § 87 d. Bds.).</p> <p><lb n="p2b_192.016"/> Der heroisch=komische Stil stellt Unwichtiges als wichtig in erhabener feierlicher <lb n="p2b_192.017"/> Ausdrucksweise dar. Der burleske Stil dagegen zieht Erhabenes in's <lb n="p2b_192.018"/> Niedrige. Das Launige und Humoristische stellt Ernstes lächerlich dar und umgekehrt.</p> <p><lb n="p2b_192.019"/> Didaktisch wirkt die Travestie dann, wenn sie satirisch ist und ihr also <lb n="p2b_192.020"/> ein höheres Jnteresse als bloße Belustigung zu Grunde liegt. Jn diesem Falle <lb n="p2b_192.021"/> macht sie eine falsche, überschwengliche Richtung des Gefühls lächerlich und <lb n="p2b_192.022"/> vertritt somit die Sache der Wahrheit und der Vernunft.</p> <p><lb n="p2b_192.023"/> Jm Französischen hat Scarron die gelungensten Travestien geliefert; im <lb n="p2b_192.024"/> Deutschen Blumauer (Äneis). Gesammelte Travestien finden sich z. B. im <lb n="p2b_192.025"/> Buche deutscher Parodien und Travestien von Z. Funk. 1840.</p> <p> <lb n="p2b_192.026"/> <hi rendition="#g">Beispiel der Travestie.</hi> </p> <lb n="p2b_192.027"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Äneas' Flucht aus Troja. <lb n="p2b_192.028"/> <cb type="start"/> Originalgedicht Schillers nach <lb n="p2b_192.029"/> Virgil.</hi><lb n="p2b_192.030"/> Strophe 119.</hi> <lb n="p2b_192.031"/> <lg> <l>Und lauter, immer lauter hört man schon</l> <lb n="p2b_192.032"/> <l>Des Brandes nahe Feuerflammen krachen.</l> <lb n="p2b_192.033"/> <l>Auf, Vater, ruf' ich, auf! 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und lächerlich macht. Daher heißt travestieren soviel als ein erhabenes Gedicht p2b_192.002
in's Lächerliche ziehen, es scherzhaft umformen, umkleiden.
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Da der Gegenstand häufig in niedrige, gewöhnliche Sphären herabgezogen, p2b_192.004
ja nicht selten herabgewürdigt wird, so wirkt der Kontrast mit dem erhabenen p2b_192.005
Vorbild um so greller. Daher haben nur wenige Travestien poetischen Wert. Die p2b_192.006
meisten sind lediglich als Ausdruck von Witz und Laune bemerkenswert und p2b_192.007
werden nur so lange ertragen, als sie nicht in's Frivole und Gemeine übergehen.
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Zu den vornehmsten Arten des Lächerlichen gehört der Kontrast zwischen p2b_192.009
Ursache und Wirkung, zwischen Zweck und Mittel, ferner die Entdeckung einer p2b_192.010
unerwarteten Ähnlichkeit zwischen unähnlichen Gegenständen, endlich der Kontrast p2b_192.011
zwischen Bedeutendem und Unbedeutendem, Großem und Kleinem nebst kurzen p2b_192.012
witzigen Einfällen (Bonmots).
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Darauf gründet sich ebenso der heroisch=komische, wie der niedrigkomische p2b_192.014
oder burleske Stil in der Travestie (wie auch in der Parodie; p2b_192.015
§ 87 d. Bds.).
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Der heroisch=komische Stil stellt Unwichtiges als wichtig in erhabener feierlicher p2b_192.017
Ausdrucksweise dar. Der burleske Stil dagegen zieht Erhabenes in's p2b_192.018
Niedrige. Das Launige und Humoristische stellt Ernstes lächerlich dar und umgekehrt.
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Didaktisch wirkt die Travestie dann, wenn sie satirisch ist und ihr also p2b_192.020
ein höheres Jnteresse als bloße Belustigung zu Grunde liegt. Jn diesem Falle p2b_192.021
macht sie eine falsche, überschwengliche Richtung des Gefühls lächerlich und p2b_192.022
vertritt somit die Sache der Wahrheit und der Vernunft.
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Jm Französischen hat Scarron die gelungensten Travestien geliefert; im p2b_192.024
Deutschen Blumauer (Äneis). Gesammelte Travestien finden sich z. B. im p2b_192.025
Buche deutscher Parodien und Travestien von Z. Funk. 1840.
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Beispiel der Travestie.
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Äneas' Flucht aus Troja. p2b_192.028
Originalgedicht Schillers nach p2b_192.029
Virgil. p2b_192.030
Strophe 119. p2b_192.031
Und lauter, immer lauter hört man schon p2b_192.032
Des Brandes nahe Feuerflammen krachen. p2b_192.033
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den Schwachen; p2b_192.035
Leicht drückt des Vaters teure Last den p2b_192.036
Sohn. p2b_192.037
Was nun auch kommen mag, wir teilen p2b_192.038
Tod und Leben, p2b_192.039
Die Hand will ich dem Kleinen geben, p2b_192.040
Jn ein'ger Ferne folgt Kreusa still. p2b_192.041
Jhr Knechte, merkt, was ich verkünden will.
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120. p2b_192.043
Gleich vor der Stadt steht ihr an einem p2b_192.044
Felsenhange, p2b_192.045
Den ein verlassner Cerestempel schmückt, p2b_192.046
Daneben ein Cypressenbaum, seit lange
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Travestie. (Aus: Blumauers travestierte p2b_192.102
Äneis.) p2b_192.103
Jch trat ins Zimmer. Welch' ein Bild! p2b_192.104
Wie ward ich da betroffen! p2b_192.105
Mein Vater hinter einem Schild, p2b_192.106
Mein Söhnchen hinterm Ofen. p2b_192.107
Mein Weib, das hoch die Hände rang, p2b_192.108
Schrie heulend: Schütze mich vor Zwang, p2b_192.109
Du heil'ge Mutter Anna!
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Kourage, rief ich, faßt euch! Wißt, p2b_192.111
Frau Venus hat mir eben p2b_192.112
Ein Land, wo Milch und Honig fließt, p2b_192.113
Statt diesem Nest gegeben. p2b_192.114
Kommt mit in dies Schlaraffenland, p2b_192.115
Da sind die Felsen von Tragant, p2b_192.116
Die Wälder voll Zibeben.
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Da will ich naschen, rief Askan, p2b_192.118
Und hing an meiner Seite;
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/214>, abgerufen am 23.07.2024. |