Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite
p2b_164.001

b. Tierfabel, die das Epimythium dem Leser überläßt.

p2b_164.002

Das Johanniswürmchen, von Pfeffel.

p2b_164.003
Ein Johanniswürmchen saß, p2b_164.004
Seines Demantscheins p2b_164.005
Unbewußt, im weichen Gras p2b_164.006
Eines Bardenhains.
p2b_164.007
Leise schlich aus faulem Moos p2b_164.008
Sich ein Ungetüm, p2b_164.009
Eine Kröte, her und schoß p2b_164.010
All ihr Gift nach ihm.
p2b_164.011
Ach! was hab' ich dir gethan? p2b_164.012
Rief der Wurm ihr zu. p2b_164.013
Ei, fuhr ihn das Untier an, p2b_164.014
Warum glänzest du?
p2b_164.015
B. Fabel, die leblose Gegenstände redend einführt.
p2b_164.016

a. Mit Epimythium.

p2b_164.017

Der Eppich und der Thymian, von Pfeffel.

p2b_164.018
An einer Eiche Wurzel stand p2b_164.019
Ein Stäudchen Thymian. p2b_164.020
Ein Eppich, der den Baum umwand, p2b_164.021
Sah es voll Mitleid an.
p2b_164.022
Du armes Ding, man sieht dich kaum, p2b_164.023
Sprach er zu ihm, und ich p2b_164.024
Erhebe mit Chronions Baum p2b_164.025
Bis an die Wolken mich.
p2b_164.026
Jch trage, rief das Kraut ihm zu, p2b_164.027
Mich selbst, so klein ich bin; p2b_164.028
Doch ohne Stütze kröchest du p2b_164.029
Ja gar am Boden hin.
p2b_164.030
Wer sich auf fremden Schultern hebt, p2b_164.031
Jst Sklave, wer er sei, p2b_164.032
Nur wer für sich im Dunkeln lebt, p2b_164.033
Kann sagen: Jch bin frei!
p2b_164.034

b. Ohne Epimythium.

p2b_164.035

Niederes Loos, von Abr. Em. Fröhlich.

p2b_164.036
Zu der niedern Trauerweide, p2b_164.037
Grünend an dem klaren Bach', p2b_164.038
Sagt' die Pappel: "Wachs' mir nach p2b_164.039
Zu der Höhe stolzer Freude!" p2b_164.040
Und die Weide sprach dawider: p2b_164.041
"Pappel, neige dich hernieder p2b_164.042
Zu des Baches frischen Wellen, p2b_164.043
Wo mir solche Freuden quellen, p2b_164.044
Die du droben nicht genossen! p2b_164.045
Schau, wie hier die Blumen sprossen, p2b_164.046
Und die Sterne sich erhellen!"
p2b_164.001

b. Tierfabel, die das Epimythium dem Leser überläßt.

p2b_164.002

Das Johanniswürmchen, von Pfeffel.

p2b_164.003
Ein Johanniswürmchen saß, p2b_164.004
Seines Demantscheins p2b_164.005
Unbewußt, im weichen Gras p2b_164.006
Eines Bardenhains.
p2b_164.007
Leise schlich aus faulem Moos p2b_164.008
Sich ein Ungetüm, p2b_164.009
Eine Kröte, her und schoß p2b_164.010
All ihr Gift nach ihm.
p2b_164.011
Ach! was hab' ich dir gethan? p2b_164.012
Rief der Wurm ihr zu. p2b_164.013
Ei, fuhr ihn das Untier an, p2b_164.014
Warum glänzest du?
p2b_164.015
B. Fabel, die leblose Gegenstände redend einführt.
p2b_164.016

a. Mit Epimythium.

p2b_164.017

Der Eppich und der Thymian, von Pfeffel.

p2b_164.018
An einer Eiche Wurzel stand p2b_164.019
Ein Stäudchen Thymian. p2b_164.020
Ein Eppich, der den Baum umwand, p2b_164.021
Sah es voll Mitleid an.
p2b_164.022
Du armes Ding, man sieht dich kaum, p2b_164.023
Sprach er zu ihm, und ich p2b_164.024
Erhebe mit Chronions Baum p2b_164.025
Bis an die Wolken mich.
p2b_164.026
Jch trage, rief das Kraut ihm zu, p2b_164.027
Mich selbst, so klein ich bin; p2b_164.028
Doch ohne Stütze kröchest du p2b_164.029
Ja gar am Boden hin.
p2b_164.030
Wer sich auf fremden Schultern hebt, p2b_164.031
Jst Sklave, wer er sei, p2b_164.032
Nur wer für sich im Dunkeln lebt, p2b_164.033
Kann sagen: Jch bin frei!
p2b_164.034

b. Ohne Epimythium.

p2b_164.035

Niederes Loos, von Abr. Em. Fröhlich.

p2b_164.036
Zu der niedern Trauerweide, p2b_164.037
Grünend an dem klaren Bach', p2b_164.038
Sagt' die Pappel: „Wachs' mir nach p2b_164.039
Zu der Höhe stolzer Freude!“ p2b_164.040
Und die Weide sprach dawider: p2b_164.041
„Pappel, neige dich hernieder p2b_164.042
Zu des Baches frischen Wellen, p2b_164.043
Wo mir solche Freuden quellen, p2b_164.044
Die du droben nicht genossen! p2b_164.045
Schau, wie hier die Blumen sprossen, p2b_164.046
Und die Sterne sich erhellen!“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0186" n="164"/>
                <lb n="p2b_164.001"/>
                <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">b</hi>. Tierfabel, die das Epimythium dem Leser überläßt.</hi> </p>
                <lb n="p2b_164.002"/>
                <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Das Johanniswürmchen, von Pfeffel.</hi> </hi> </p>
                <lb n="p2b_164.003"/>
                <lg>
                  <l>  Ein Johanniswürmchen saß,</l>
                  <lb n="p2b_164.004"/>
                  <l>Seines Demantscheins</l>
                  <lb n="p2b_164.005"/>
                  <l>Unbewußt, im weichen Gras</l>
                  <lb n="p2b_164.006"/>
                  <l>Eines Bardenhains. </l>
                </lg>
                <lg>
                  <lb n="p2b_164.007"/>
                  <l> Leise schlich aus faulem Moos</l>
                  <lb n="p2b_164.008"/>
                  <l>Sich ein Ungetüm,</l>
                  <lb n="p2b_164.009"/>
                  <l>Eine Kröte, her und schoß</l>
                  <lb n="p2b_164.010"/>
                  <l>All ihr Gift nach ihm. </l>
                </lg>
                <lg>
                  <lb n="p2b_164.011"/>
                  <l> Ach! was hab' ich dir gethan?</l>
                  <lb n="p2b_164.012"/>
                  <l>Rief der Wurm ihr zu.</l>
                  <lb n="p2b_164.013"/>
                  <l>Ei, fuhr ihn das Untier an,</l>
                  <lb n="p2b_164.014"/>
                  <l>Warum glänzest du?</l>
                </lg>
              </div>
              <lb n="p2b_164.015"/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">B</hi>. <hi rendition="#g">Fabel, die leblose Gegenstände redend einführt</hi>.</hi> </head>
                <lb n="p2b_164.016"/>
                <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">a</hi>. Mit Epimythium.</hi> </p>
                <lb n="p2b_164.017"/>
                <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Der Eppich und der Thymian, von Pfeffel.</hi> </hi> </p>
                <lb n="p2b_164.018"/>
                <lg>
                  <l>An einer Eiche Wurzel stand</l>
                  <lb n="p2b_164.019"/>
                  <l> Ein Stäudchen Thymian.</l>
                  <lb n="p2b_164.020"/>
                  <l>Ein Eppich, der den Baum umwand,</l>
                  <lb n="p2b_164.021"/>
                  <l> Sah es voll Mitleid an. </l>
                </lg>
                <lg>
                  <lb n="p2b_164.022"/>
                  <l>Du armes Ding, man sieht dich kaum,</l>
                  <lb n="p2b_164.023"/>
                  <l> Sprach er zu ihm, und ich</l>
                  <lb n="p2b_164.024"/>
                  <l>Erhebe mit Chronions Baum</l>
                  <lb n="p2b_164.025"/>
                  <l> Bis an die Wolken mich. </l>
                </lg>
                <lg>
                  <lb n="p2b_164.026"/>
                  <l>Jch trage, rief das Kraut ihm zu,</l>
                  <lb n="p2b_164.027"/>
                  <l> Mich selbst, so klein ich bin;</l>
                  <lb n="p2b_164.028"/>
                  <l>Doch ohne Stütze kröchest du</l>
                  <lb n="p2b_164.029"/>
                  <l> Ja gar am Boden hin. </l>
                </lg>
                <lg>
                  <lb n="p2b_164.030"/>
                  <l>Wer sich auf fremden Schultern hebt,</l>
                  <lb n="p2b_164.031"/>
                  <l> Jst Sklave, wer er sei,</l>
                  <lb n="p2b_164.032"/>
                  <l>Nur wer für sich im Dunkeln lebt,</l>
                  <lb n="p2b_164.033"/>
                  <l> Kann sagen: <hi rendition="#g">Jch bin frei!</hi></l>
                </lg>
                <lb n="p2b_164.034"/>
                <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">b</hi>. Ohne Epimythium.</hi> </p>
                <lb n="p2b_164.035"/>
                <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Niederes Loos, von Abr. Em. Fröhlich.</hi> </hi> </p>
                <lb n="p2b_164.036"/>
                <lg>
                  <l>  Zu der niedern Trauerweide,</l>
                  <lb n="p2b_164.037"/>
                  <l>Grünend an dem klaren Bach',</l>
                  <lb n="p2b_164.038"/>
                  <l>Sagt' die Pappel: &#x201E;Wachs' mir nach</l>
                  <lb n="p2b_164.039"/>
                  <l>Zu der Höhe stolzer Freude!&#x201C;</l>
                  <lb n="p2b_164.040"/>
                  <l>Und die Weide sprach dawider:</l>
                  <lb n="p2b_164.041"/>
                  <l>&#x201E;Pappel, neige dich hernieder</l>
                  <lb n="p2b_164.042"/>
                  <l>Zu des Baches frischen Wellen,</l>
                  <lb n="p2b_164.043"/>
                  <l>Wo mir solche Freuden quellen,</l>
                  <lb n="p2b_164.044"/>
                  <l>Die du droben nicht genossen!</l>
                  <lb n="p2b_164.045"/>
                  <l>Schau, wie hier die Blumen sprossen,</l>
                  <lb n="p2b_164.046"/>
                  <l>Und die Sterne sich erhellen!&#x201C;</l>
                </lg>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0186] p2b_164.001 b. Tierfabel, die das Epimythium dem Leser überläßt. p2b_164.002 Das Johanniswürmchen, von Pfeffel. p2b_164.003 Ein Johanniswürmchen saß, p2b_164.004 Seines Demantscheins p2b_164.005 Unbewußt, im weichen Gras p2b_164.006 Eines Bardenhains. p2b_164.007 Leise schlich aus faulem Moos p2b_164.008 Sich ein Ungetüm, p2b_164.009 Eine Kröte, her und schoß p2b_164.010 All ihr Gift nach ihm. p2b_164.011 Ach! was hab' ich dir gethan? p2b_164.012 Rief der Wurm ihr zu. p2b_164.013 Ei, fuhr ihn das Untier an, p2b_164.014 Warum glänzest du? p2b_164.015 B. Fabel, die leblose Gegenstände redend einführt. p2b_164.016 a. Mit Epimythium. p2b_164.017 Der Eppich und der Thymian, von Pfeffel. p2b_164.018 An einer Eiche Wurzel stand p2b_164.019 Ein Stäudchen Thymian. p2b_164.020 Ein Eppich, der den Baum umwand, p2b_164.021 Sah es voll Mitleid an. p2b_164.022 Du armes Ding, man sieht dich kaum, p2b_164.023 Sprach er zu ihm, und ich p2b_164.024 Erhebe mit Chronions Baum p2b_164.025 Bis an die Wolken mich. p2b_164.026 Jch trage, rief das Kraut ihm zu, p2b_164.027 Mich selbst, so klein ich bin; p2b_164.028 Doch ohne Stütze kröchest du p2b_164.029 Ja gar am Boden hin. p2b_164.030 Wer sich auf fremden Schultern hebt, p2b_164.031 Jst Sklave, wer er sei, p2b_164.032 Nur wer für sich im Dunkeln lebt, p2b_164.033 Kann sagen: Jch bin frei! p2b_164.034 b. Ohne Epimythium. p2b_164.035 Niederes Loos, von Abr. Em. Fröhlich. p2b_164.036 Zu der niedern Trauerweide, p2b_164.037 Grünend an dem klaren Bach', p2b_164.038 Sagt' die Pappel: „Wachs' mir nach p2b_164.039 Zu der Höhe stolzer Freude!“ p2b_164.040 Und die Weide sprach dawider: p2b_164.041 „Pappel, neige dich hernieder p2b_164.042 Zu des Baches frischen Wellen, p2b_164.043 Wo mir solche Freuden quellen, p2b_164.044 Die du droben nicht genossen! p2b_164.045 Schau, wie hier die Blumen sprossen, p2b_164.046 Und die Sterne sich erhellen!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/186
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/186>, abgerufen am 22.11.2024.