Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_150.001 Reizend noch stets, noch immer liebenswürdig, p2b_150.002 Lag Clarissa, da sie uns weggeblüht war, p2b_150.003 Und noch stille Röte die hingesunkne p2b_150.004 Wange bedeckte. p2b_150.005 Freudiger war entronnen ihre Seele, p2b_150.006 War zu Seelen gekommen, welch' ihr glichen, p2b_150.007 Schönen, ihr verwandten, geliebten Seelen, p2b_150.008 Die sie empfingen, p2b_150.009 Daß in dem Himmel sanft die liedervollen, p2b_150.010 Frohen Hügel umher zugleich ertönten: p2b_150.011 Ruhe dir, und Kronen des Siegs, o Seele, p2b_150.012 Weil du so schön warst! p2b_150.013 So triumphierten, die es würdig waren. p2b_150.014 Komm, und laß wie ein Fest die Stund' uns, Cidli, p2b_150.015 Da sie fliehend uns ihr erhabnes Bild ließ, p2b_150.016 Einsamer feiren! p2b_150.017 Sammle Cypressen, daß des Trauerlaubes p2b_150.018 Kränz' ich winde, du dann auf diese Kränze p2b_150.019 Mitgeweinte Thränen zur ernsten Feier p2b_150.020 Schwesterlich weinest! p2b_150.021 Mit unsern Rossen fährt er Donnerwagen, p2b_150.025 Mit unsern Sicheln mäht er Menschen ab; p2b_150.026 Den Vater hat er jüngst, er hat den Mann erschlagen, p2b_150.027 Nun fordert er den Knaben ab. p2b_150.028 Erbarme dich des langen Jammers! rette p2b_150.029 Von deinem Volk den armen Überrest! p2b_150.030 Bind' an der Hölle Thor mit siebenfacher Kette p2b_150.031 Auf ewig den Verderber fest. p2b_150.032 Schlaf wohl denn, bis die Stimme ruft! p2b_150.035 Wir gönnen dir dein Glück, p2b_150.036 Und gehen heim von deiner Gruft p2b_150.037 Und lassen dich zurück. p2b_150.038 Wie ein Engel stand im Schäferkleide p2b_150.042
Sie vor ihrer kleinen Hüttenthür; p2b_150.043 Wiesenblumen waren ihr Geschmeide, p2b_150.044 Und ein Veilchen ihres Busens Zier. p2b_150.045 Jhre Fächer waren Zephyrs Flügel, p2b_150.046 Und der Morgenhain ihr Putzgemach; p2b_150.047 Diese Silberquellen ihre Spiegel, p2b_150.048 Jhre Schminke dieser Bach. p2b_150.001 Reizend noch stets, noch immer liebenswürdig, p2b_150.002 Lag Clarissa, da sie uns weggeblüht war, p2b_150.003 Und noch stille Röte die hingesunkne p2b_150.004 Wange bedeckte. p2b_150.005 Freudiger war entronnen ihre Seele, p2b_150.006 War zu Seelen gekommen, welch' ihr glichen, p2b_150.007 Schönen, ihr verwandten, geliebten Seelen, p2b_150.008 Die sie empfingen, p2b_150.009 Daß in dem Himmel sanft die liedervollen, p2b_150.010 Frohen Hügel umher zugleich ertönten: p2b_150.011 Ruhe dir, und Kronen des Siegs, o Seele, p2b_150.012 Weil du so schön warst! p2b_150.013 So triumphierten, die es würdig waren. p2b_150.014 Komm, und laß wie ein Fest die Stund' uns, Cidli, p2b_150.015 Da sie fliehend uns ihr erhabnes Bild ließ, p2b_150.016 Einsamer feiren! p2b_150.017 Sammle Cypressen, daß des Trauerlaubes p2b_150.018 Kränz' ich winde, du dann auf diese Kränze p2b_150.019 Mitgeweinte Thränen zur ernsten Feier p2b_150.020 Schwesterlich weinest! p2b_150.021 Mit unsern Rossen fährt er Donnerwagen, p2b_150.025 Mit unsern Sicheln mäht er Menschen ab; p2b_150.026 Den Vater hat er jüngst, er hat den Mann erschlagen, p2b_150.027 Nun fordert er den Knaben ab. p2b_150.028 Erbarme dich des langen Jammers! rette p2b_150.029 Von deinem Volk den armen Überrest! p2b_150.030 Bind' an der Hölle Thor mit siebenfacher Kette p2b_150.031 Auf ewig den Verderber fest. p2b_150.032 Schlaf wohl denn, bis die Stimme ruft! p2b_150.035 Wir gönnen dir dein Glück, p2b_150.036 Und gehen heim von deiner Gruft p2b_150.037 Und lassen dich zurück. p2b_150.038 Wie ein Engel stand im Schäferkleide p2b_150.042
Sie vor ihrer kleinen Hüttenthür; p2b_150.043 Wiesenblumen waren ihr Geschmeide, p2b_150.044 Und ein Veilchen ihres Busens Zier. p2b_150.045 Jhre Fächer waren Zephyrs Flügel, p2b_150.046 Und der Morgenhain ihr Putzgemach; p2b_150.047 Diese Silberquellen ihre Spiegel, p2b_150.048 Jhre Schminke dieser Bach. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0172" n="150"/> <lb n="p2b_150.001"/> <lg> <l> Reizend noch stets, noch immer liebenswürdig,</l> <lb n="p2b_150.002"/> <l>Lag Clarissa, da sie uns weggeblüht war,</l> <lb n="p2b_150.003"/> <l>Und noch stille Röte die hingesunkne</l> <lb n="p2b_150.004"/> <l>Wange bedeckte. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_150.005"/> <l> Freudiger war entronnen ihre Seele,</l> <lb n="p2b_150.006"/> <l>War zu Seelen gekommen, welch' ihr glichen,</l> <lb n="p2b_150.007"/> <l>Schönen, ihr verwandten, geliebten Seelen,</l> <lb n="p2b_150.008"/> <l>Die sie empfingen, </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_150.009"/> <l> Daß in dem Himmel sanft die liedervollen,</l> <lb n="p2b_150.010"/> <l>Frohen Hügel umher zugleich ertönten:</l> <lb n="p2b_150.011"/> <l>Ruhe dir, und Kronen des Siegs, o Seele,</l> <lb n="p2b_150.012"/> <l>Weil du so schön warst! </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_150.013"/> <l> So triumphierten, die es würdig waren.</l> <lb n="p2b_150.014"/> <l>Komm, und laß wie ein Fest die Stund' uns, Cidli,</l> <lb n="p2b_150.015"/> <l>Da sie fliehend uns ihr erhabnes Bild ließ,</l> <lb n="p2b_150.016"/> <l>Einsamer feiren! </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_150.017"/> <l> Sammle Cypressen, daß des Trauerlaubes</l> <lb n="p2b_150.018"/> <l>Kränz' ich winde, du dann auf diese Kränze</l> <lb n="p2b_150.019"/> <l>Mitgeweinte Thränen zur ernsten Feier</l> <lb n="p2b_150.020"/> <l>Schwesterlich weinest!</l> </lg> <p><lb n="p2b_150.021"/> Jn der Elegie „An den Frieden“ drückt Ramler mit kräftigem, ungekünsteltem <lb n="p2b_150.022"/> Ausdruck den Wunsch nach Frieden aus. Wir hören die vom <lb n="p2b_150.023"/> Kriege geängstete Menschheit in Not und Elend rufen:</p> <lb n="p2b_150.024"/> <lg> <l> Mit unsern Rossen fährt er Donnerwagen,</l> <lb n="p2b_150.025"/> <l>Mit unsern Sicheln mäht er Menschen ab;</l> <lb n="p2b_150.026"/> <l>Den Vater hat er jüngst, er hat den Mann erschlagen,</l> <lb n="p2b_150.027"/> <l>Nun fordert er den Knaben ab. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_150.028"/> <l> Erbarme dich des langen Jammers! rette</l> <lb n="p2b_150.029"/> <l>Von deinem Volk den armen Überrest!</l> <lb n="p2b_150.030"/> <l>Bind' an der Hölle Thor mit siebenfacher Kette</l> <lb n="p2b_150.031"/> <l>Auf ewig den Verderber fest.</l> </lg> <p><lb n="p2b_150.032"/> Aus der Elegie „Bei dem Begräbnis eines Kindes“ von Claudius spricht <lb n="p2b_150.033"/> christliche Resignation, die den Schmerz zu verklären vermag. Sie schließt:</p> <lb n="p2b_150.034"/> <lg> <l>Schlaf wohl denn, bis die Stimme ruft!</l> <lb n="p2b_150.035"/> <l> Wir gönnen dir dein Glück,</l> <lb n="p2b_150.036"/> <l>Und gehen heim von deiner Gruft</l> <lb n="p2b_150.037"/> <l> Und lassen dich zurück.</l> </lg> <p><lb n="p2b_150.038"/> Jn engem Rahmen sind in Höltys „Elegie auf ein Landmädchen“ viele <lb n="p2b_150.039"/> treffende Bilder vereint und der Gegensatz städtischer Eitelkeit und ländlicher <lb n="p2b_150.040"/> Einfalt herrlich hervorgehoben. Die 3. Strophe lautet:</p> <lb n="p2b_150.041"/> <lg> <l>Wie ein Engel stand im Schäferkleide</l> <lb n="p2b_150.042"/> <l> Sie vor ihrer kleinen Hüttenthür;</l> <lb n="p2b_150.043"/> <l>Wiesenblumen waren ihr Geschmeide,</l> <lb n="p2b_150.044"/> <l> Und ein Veilchen ihres Busens Zier.</l> <lb n="p2b_150.045"/> <l>Jhre Fächer waren Zephyrs Flügel,</l> <lb n="p2b_150.046"/> <l> Und der Morgenhain ihr Putzgemach;</l> <lb n="p2b_150.047"/> <l>Diese Silberquellen ihre Spiegel,</l> <lb n="p2b_150.048"/> <l> Jhre Schminke dieser Bach.</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0172]
p2b_150.001
Reizend noch stets, noch immer liebenswürdig, p2b_150.002
Lag Clarissa, da sie uns weggeblüht war, p2b_150.003
Und noch stille Röte die hingesunkne p2b_150.004
Wange bedeckte.
p2b_150.005
Freudiger war entronnen ihre Seele, p2b_150.006
War zu Seelen gekommen, welch' ihr glichen, p2b_150.007
Schönen, ihr verwandten, geliebten Seelen, p2b_150.008
Die sie empfingen,
p2b_150.009
Daß in dem Himmel sanft die liedervollen, p2b_150.010
Frohen Hügel umher zugleich ertönten: p2b_150.011
Ruhe dir, und Kronen des Siegs, o Seele, p2b_150.012
Weil du so schön warst!
p2b_150.013
So triumphierten, die es würdig waren. p2b_150.014
Komm, und laß wie ein Fest die Stund' uns, Cidli, p2b_150.015
Da sie fliehend uns ihr erhabnes Bild ließ, p2b_150.016
Einsamer feiren!
p2b_150.017
Sammle Cypressen, daß des Trauerlaubes p2b_150.018
Kränz' ich winde, du dann auf diese Kränze p2b_150.019
Mitgeweinte Thränen zur ernsten Feier p2b_150.020
Schwesterlich weinest!
p2b_150.021
Jn der Elegie „An den Frieden“ drückt Ramler mit kräftigem, ungekünsteltem p2b_150.022
Ausdruck den Wunsch nach Frieden aus. Wir hören die vom p2b_150.023
Kriege geängstete Menschheit in Not und Elend rufen:
p2b_150.024
Mit unsern Rossen fährt er Donnerwagen, p2b_150.025
Mit unsern Sicheln mäht er Menschen ab; p2b_150.026
Den Vater hat er jüngst, er hat den Mann erschlagen, p2b_150.027
Nun fordert er den Knaben ab.
p2b_150.028
Erbarme dich des langen Jammers! rette p2b_150.029
Von deinem Volk den armen Überrest! p2b_150.030
Bind' an der Hölle Thor mit siebenfacher Kette p2b_150.031
Auf ewig den Verderber fest.
p2b_150.032
Aus der Elegie „Bei dem Begräbnis eines Kindes“ von Claudius spricht p2b_150.033
christliche Resignation, die den Schmerz zu verklären vermag. Sie schließt:
p2b_150.034
Schlaf wohl denn, bis die Stimme ruft! p2b_150.035
Wir gönnen dir dein Glück, p2b_150.036
Und gehen heim von deiner Gruft p2b_150.037
Und lassen dich zurück.
p2b_150.038
Jn engem Rahmen sind in Höltys „Elegie auf ein Landmädchen“ viele p2b_150.039
treffende Bilder vereint und der Gegensatz städtischer Eitelkeit und ländlicher p2b_150.040
Einfalt herrlich hervorgehoben. Die 3. Strophe lautet:
p2b_150.041
Wie ein Engel stand im Schäferkleide p2b_150.042
Sie vor ihrer kleinen Hüttenthür; p2b_150.043
Wiesenblumen waren ihr Geschmeide, p2b_150.044
Und ein Veilchen ihres Busens Zier. p2b_150.045
Jhre Fächer waren Zephyrs Flügel, p2b_150.046
Und der Morgenhain ihr Putzgemach; p2b_150.047
Diese Silberquellen ihre Spiegel, p2b_150.048
Jhre Schminke dieser Bach.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |