Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_647.001 b. Es läuft ein fremdes Kind p1b_647.002 p1b_647.006Am Abend vor Weihnachten p1b_647.003 Durch eine Stadt geschwind, p1b_647.004 Die Lichter zu betrachten, p1b_647.005 Die angezündet sind. (Rückert. Vgl. noch Ges. Ausg. II. 5. III. 81, 84.) p1b_647.007 p1b_647.008 p1b_647.019 So seid ihr alle wieder da, p1b_647.021 Geliebte Frühlingsboten? p1b_647.022 Jhr Blüten alle, fern und nah, p1b_647.023 So schön, als ich euch jemals sah, p1b_647.024 Jhr weißen und ihr roten? (Herm. Schmid.) p1b_647.025 p1b_647.026 p1b_647.031 1. Stollen. Komen sint die lichten tage lange, p1b_647.0332. Stollen. Also sint diu vogelin mit gesange, p1b_647.034Abgesang. Die habent ein niuwez vunden, p1b_647.035 p1b_647.037des si nie vor mangen stunden p1b_647.036 baz begunden. (Nithart. Aus v. d. Hagens Minnesinger II. 117.) p1b_647.038 p1b_647.039 p1b_647.001 b. Es läuft ein fremdes Kind p1b_647.002 p1b_647.006Am Abend vor Weihnachten p1b_647.003 Durch eine Stadt geschwind, p1b_647.004 Die Lichter zu betrachten, p1b_647.005 Die angezündet sind. (Rückert. Vgl. noch Ges. Ausg. II. 5. III. 81, 84.) p1b_647.007 p1b_647.008 p1b_647.019 So seid ihr alle wieder da, p1b_647.021 Geliebte Frühlingsboten? p1b_647.022 Jhr Blüten alle, fern und nah, p1b_647.023 So schön, als ich euch jemals sah, p1b_647.024 Jhr weißen und ihr roten? (Herm. Schmid.) p1b_647.025 p1b_647.026 p1b_647.031 1. Stollen. Komen sint die lichten tage lange, p1b_647.0332. Stollen. Also sint diu vogelin mit gesange, p1b_647.034Abgesang. Die habent ein niuwez vunden, p1b_647.035 p1b_647.037des si nie vor mangen stunden p1b_647.036 baz begunden. (Nithart. Aus v. d. Hagens Minnesinger II. 117.) p1b_647.038 p1b_647.039 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0681" n="647"/> <lb n="p1b_647.001"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">b</hi>.</p> <lg> <l>Es läuft ein fremdes Kind</l> <lb n="p1b_647.002"/> <l>Am Abend vor Weihnachten</l> <lb n="p1b_647.003"/> <l>Durch eine Stadt geschwind,</l> <lb n="p1b_647.004"/> <l>Die Lichter zu betrachten,</l> <lb n="p1b_647.005"/> <l>Die angezündet sind.</l> </lg> <lb n="p1b_647.006"/> <p> <hi rendition="#right">(Rückert. Vgl. noch Ges. Ausg. <hi rendition="#aq">II. 5. III</hi>. 81, 84.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_647.007"/> 5. <hi rendition="#aq">a b a a b</hi>.</p> <p><lb n="p1b_647.008"/> Diese Strophe, welche anstatt des erwarteten <hi rendition="#aq">a b a b</hi>=Reimes durch Einschiebung <lb n="p1b_647.009"/> der <hi rendition="#aq">a</hi>=Zeile vor dem Schluß den Eintritt der letzten Zeile verzögert, <lb n="p1b_647.010"/> steigert durch ihren befriedigenden Schluß die Wirkung. Der Minnesinger <lb n="p1b_647.011"/> Otto von Botenlauben hat diese Strophe zuerst angewandt. Nach ihm Arndt <lb n="p1b_647.012"/> in seinem bekannten Trinklied (Bringt mir Blut &c.). Von den neueren Dichtern <lb n="p1b_647.013"/> finden wir sie bei Rückert in Ges. Ausg. <hi rendition="#aq">I</hi>. 232, sowie <hi rendition="#aq">II</hi>. 374 und 551; <lb n="p1b_647.014"/> bei Goethe in März <hi rendition="#aq">I</hi>. S. 27; bei Hermann Lingg im Gedicht Der schwarze <lb n="p1b_647.015"/> Tod; bei Platen in Euch liebe Berge, grüß' ich wieder, und im Frühlingslied; <lb n="p1b_647.016"/> bei Schiller in Resignation, und Graf Eberhard; bei Strodtmann in Rast <lb n="p1b_647.017"/> auf dem Marsche; bei K. Woermann Jm Louvre 1869; bei H. Zeise in <lb n="p1b_647.018"/> Waldfrieden &c.</p> <p> <lb n="p1b_647.019"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p> <lb n="p1b_647.020"/> <lg> <l>So seid ihr alle wieder da,</l> <lb n="p1b_647.021"/> <l>Geliebte Frühlingsboten?</l> <lb n="p1b_647.022"/> <l>Jhr Blüten alle, fern und nah,</l> <lb n="p1b_647.023"/> <l>So schön, als ich euch jemals sah,</l> <lb n="p1b_647.024"/> <l>Jhr weißen und ihr roten?</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Herm. Schmid.)</hi> </p> <div n="4"> <p><lb n="p1b_647.025"/> 6. <hi rendition="#aq">a a b b b</hi>. (<hi rendition="#g">Nithartstrophe</hi>.)</p> <p><lb n="p1b_647.026"/> Zwei Reimpaare mit angefügtem <hi rendition="#aq">b</hi>=Reime oder ein dreizeiliger Abgesang <lb n="p1b_647.027"/> zu zwei einzeiligen Stollen, wie wir einen ähnlichen Abgesang nur noch in der <lb n="p1b_647.028"/> Strophe <hi rendition="#aq">a b c c c</hi> finden, bilden diese Strophe. Der Minnesinger Nithart <lb n="p1b_647.029"/> hat sie mit Vorliebe verwendet; in der Neuzeit Rückert. (Vgl. Rückerts Ges. <lb n="p1b_647.030"/> Ausg. <hi rendition="#aq">II</hi>. 347 und 363, sowie <hi rendition="#aq">VII</hi>. 355.)</p> <p> <lb n="p1b_647.031"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p> <lb n="p1b_647.032"/> <p rendition="#left">1. <hi rendition="#g">Stollen.</hi></p> <lg> <l><hi rendition="#aq">Komen sint die lichten tage lange</hi>,</l> </lg> <lb n="p1b_647.033"/> <p rendition="#left">2. <hi rendition="#g">Stollen.</hi></p> <lg> <l><hi rendition="#aq">Also sint diu vogelin mit gesange</hi>,</l> </lg> <lb n="p1b_647.034"/> <p rendition="#left"> <hi rendition="#g">Abgesang.</hi> </p> <lg> <l> <hi rendition="#aq">Die habent ein niuwez vunden,</hi> </l> <lb n="p1b_647.035"/> <l> <hi rendition="#aq">des si nie vor mangen stunden</hi> </l> <lb n="p1b_647.036"/> <l><hi rendition="#aq">baz begunden</hi>.</l> </lg> <lb n="p1b_647.037"/> <p> <hi rendition="#right">(Nithart. 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b.
Es läuft ein fremdes Kind p1b_647.002
Am Abend vor Weihnachten p1b_647.003
Durch eine Stadt geschwind, p1b_647.004
Die Lichter zu betrachten, p1b_647.005
Die angezündet sind.
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(Rückert. Vgl. noch Ges. Ausg. II. 5. III. 81, 84.)
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5. a b a a b.
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Diese Strophe, welche anstatt des erwarteten a b a b=Reimes durch Einschiebung p1b_647.009
der a=Zeile vor dem Schluß den Eintritt der letzten Zeile verzögert, p1b_647.010
steigert durch ihren befriedigenden Schluß die Wirkung. Der Minnesinger p1b_647.011
Otto von Botenlauben hat diese Strophe zuerst angewandt. Nach ihm Arndt p1b_647.012
in seinem bekannten Trinklied (Bringt mir Blut &c.). Von den neueren Dichtern p1b_647.013
finden wir sie bei Rückert in Ges. Ausg. I. 232, sowie II. 374 und 551; p1b_647.014
bei Goethe in März I. S. 27; bei Hermann Lingg im Gedicht Der schwarze p1b_647.015
Tod; bei Platen in Euch liebe Berge, grüß' ich wieder, und im Frühlingslied; p1b_647.016
bei Schiller in Resignation, und Graf Eberhard; bei Strodtmann in Rast p1b_647.017
auf dem Marsche; bei K. Woermann Jm Louvre 1869; bei H. Zeise in p1b_647.018
Waldfrieden &c.
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Beispiel:
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So seid ihr alle wieder da, p1b_647.021
Geliebte Frühlingsboten? p1b_647.022
Jhr Blüten alle, fern und nah, p1b_647.023
So schön, als ich euch jemals sah, p1b_647.024
Jhr weißen und ihr roten?
(Herm. Schmid.)
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6. a a b b b. (Nithartstrophe.)
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zu zwei einzeiligen Stollen, wie wir einen ähnlichen Abgesang nur noch in der p1b_647.028
Strophe a b c c c finden, bilden diese Strophe. Der Minnesinger Nithart p1b_647.029
hat sie mit Vorliebe verwendet; in der Neuzeit Rückert. (Vgl. Rückerts Ges. p1b_647.030
Ausg. II. 347 und 363, sowie VII. 355.)
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Beispiel:
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1. Stollen.
Komen sint die lichten tage lange,
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2. Stollen.
Also sint diu vogelin mit gesange,
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Abgesang.
Die habent ein niuwez vunden, p1b_647.035
des si nie vor mangen stunden p1b_647.036
baz begunden.
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(Nithart. Aus v. d. Hagens Minnesinger II. 117.)
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7. a b a b b. (Rückerts Vollendungsstrophe.)
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Kein Dichter hat das Geheimnis der Strophik in einer fünfzeiligen Strophe p1b_647.040
so schön zum Ausdruck gebracht als Rückert durch Ausführung des vorstehenden p1b_647.041
Strophenschemas, das ähnlich der Strophe 1 und 4 zwei zweizeilige p1b_647.042
Stollen einem schönwirkenden einzeiligen Abgesang vereint. Um die Strophe p1b_647.043
charakteristisch als Teilganzes erscheinen zu lassen und ihren Schluß zu markieren,
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