Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_616.001 p1b_616.004
(Reinmar der Alte. Vgl. v. d. Hagens Minnesinger I. 175.) p1b_616.014 Gewann ich jemals einen Mut, p1b_616.017 p1b_616.024Der hoch mir stand, den hab ich noch. p1b_616.018 Es dünket mich mein Leben gut, p1b_616.019 Und ist es nicht, so wähn' ich's doch. p1b_616.020 Es thut mir wohl, was will ich mehr? p1b_616.021 Jch fürcht unrechten Spott nicht sehr, p1b_616.022 Und kann wohl leiden bösen Haß! p1b_616.023 Wie lang' ich's treiben soll, ich wünsch' es nimmer baß. (Rückerts "Herr Reinmar der Alte". Ges. Ausg. V. 126.) p1b_616.025 p1b_616.027 § 195. Die Dreiteiligkeit der Strophen bei den neueren p1b_616.028 Dichtern. p1b_616.029 p1b_616.033 Freude, schöner Götterfunken! p1b_616.037
Tochter aus Elysium, p1b_616.038 Wir betreten feuertrunken, p1b_616.039 Himmlische, dein Heiligtum. p1b_616.040 Deine Zauber binden wieder, p1b_616.041 Was die Mode streng geteilt; p1b_616.042 Alle Menschen werden Brüder, p1b_616.043 Wo dein sanfter Flügel weilt. p1b_616.001 p1b_616.004
(Reinmar der Alte. Vgl. v. d. Hagens Minnesinger I. 175.) p1b_616.014 Gewann ich jemals einen Mut, p1b_616.017 p1b_616.024Der hoch mir stand, den hab ich noch. p1b_616.018 Es dünket mich mein Leben gut, p1b_616.019 Und ist es nicht, so wähn' ich's doch. p1b_616.020 Es thut mir wohl, was will ich mehr? p1b_616.021 Jch fürcht unrechten Spott nicht sehr, p1b_616.022 Und kann wohl leiden bösen Haß! p1b_616.023 Wie lang' ich's treiben soll, ich wünsch' es nimmer baß. (Rückerts „Herr Reinmar der Alte“. Ges. Ausg. V. 126.) p1b_616.025 p1b_616.027 § 195. Die Dreiteiligkeit der Strophen bei den neueren p1b_616.028 Dichtern. p1b_616.029 p1b_616.033 Freude, schöner Götterfunken! p1b_616.037
Tochter aus Elysium, p1b_616.038 Wir betreten feuertrunken, p1b_616.039 Himmlische, dein Heiligtum. p1b_616.040 Deine Zauber binden wieder, p1b_616.041 Was die Mode streng geteilt; p1b_616.042 Alle Menschen werden Brüder, p1b_616.043 Wo dein sanfter Flügel weilt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0650" n="616"/><lb n="p1b_616.001"/><hi rendition="#g">Tieck</hi> ─ haben durch vorspringende Zeilen die Dreiteiligkeit noch schärfer <lb n="p1b_616.002"/> markiert. Nur tritt dadurch für den Unkundigen der Nachteil ein, daß er <lb n="p1b_616.003"/> Stollen und Abgesang für 3 Strophen hält.</p> <p> <lb n="p1b_616.004"/> <hi rendition="#g">Ein Beispiel der Schreibung bei den Minnesingern:</hi> </p> <lb n="p1b_616.005"/> <p> <hi rendition="#aq"> <lg> <l>Gewan ich je deheinen muot,</l> <lb n="p1b_616.006"/> <l>der hohe stuont, den han ich noch;</l> <lb n="p1b_616.007"/> <l>Min leben dunket mich vil guot</l> <lb n="p1b_616.008"/> <l>und ist es niht, so waen' ich's doch.</l> <lb n="p1b_616.009"/> <l>Ez tuot mir wol, waz wil ich's mere?</l> <lb n="p1b_616.010"/> <l>unt vürhte unrehten spot niht (al) ze sere,</l> <lb n="p1b_616.011"/> <l>unt kan wol liden boesen haz:</l> <lb n="p1b_616.012"/> <l>solt' ich's also die lenge pflegen, ich gert' es niemer baz.</l> </lg> </hi> </p> <lb n="p1b_616.013"/> <p> <hi rendition="#right">(Reinmar der Alte. Vgl. v. d. Hagens Minnesinger <hi rendition="#aq">I</hi>. 175.)</hi> </p> <p> <lb n="p1b_616.014"/> <hi rendition="#g">Dasselbe Beispiel in der Rückertschen Bearbeitung und <lb n="p1b_616.015"/> Schreibung:</hi> </p> <lb n="p1b_616.016"/> <lg> <l>Gewann ich jemals einen Mut,</l> <lb n="p1b_616.017"/> <l> Der hoch mir stand, den hab ich noch.</l> <lb n="p1b_616.018"/> <l>Es dünket mich mein Leben gut,</l> <lb n="p1b_616.019"/> <l> Und ist es nicht, so wähn' ich's doch.</l> <lb n="p1b_616.020"/> <l>Es thut mir wohl, was will ich mehr?</l> <lb n="p1b_616.021"/> <l> Jch fürcht unrechten Spott nicht sehr,</l> <lb n="p1b_616.022"/> <l> Und kann wohl leiden bösen Haß!</l> <lb n="p1b_616.023"/> <l> Wie lang' ich's treiben soll, ich wünsch' es nimmer baß.</l> </lg> <lb n="p1b_616.024"/> <p> <hi rendition="#right">(Rückerts „Herr Reinmar der Alte“. Ges. Ausg. <hi rendition="#aq">V</hi>. 126.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_616.025"/> (Vgl. hierzu auch Tiecks sämtliche Werke Bd. 20: „Minnelieder aus <lb n="p1b_616.026"/> dem schwäbischen Zeitalter.“)</p> </div> <div n="4"> <lb n="p1b_616.027"/> <head> <hi rendition="#c">§ 195. Die Dreiteiligkeit der Strophen bei den neueren <lb n="p1b_616.028"/> Dichtern.</hi> </head> <p><lb n="p1b_616.029"/> Bei den neueren Dichtern finden wir die Dreiteiligkeit der Strophen <lb n="p1b_616.030"/> nur sehr vereinzelt. Zuweilen tritt sie äußerlich nicht zu Tage, oder <lb n="p1b_616.031"/> der Dichter hat sie unabsichtlich nur in einzelnen Strophen einzelner <lb n="p1b_616.032"/> Dichtungen angewandt.</p> <p><lb n="p1b_616.033"/><hi rendition="#g">Schiller</hi> schreibt in seinem Lied an die Freude die beiden Stollen <lb n="p1b_616.034"/> des Aufgesangs als besondere Strophe und fügt den Abgesang als Chorstrophe <lb n="p1b_616.035"/> an:</p> <lb n="p1b_616.036"/> <lg> <l>Freude, schöner Götterfunken!</l> <lb n="p1b_616.037"/> <l>Tochter aus Elysium,</l> <lb n="p1b_616.038"/> <l>Wir betreten feuertrunken,</l> <lb n="p1b_616.039"/> <l>Himmlische, dein Heiligtum.</l> <lb n="p1b_616.040"/> <l>Deine Zauber binden wieder,</l> <lb n="p1b_616.041"/> <l>Was die Mode streng geteilt;</l> <lb n="p1b_616.042"/> <l>Alle Menschen werden Brüder,</l> <lb n="p1b_616.043"/> <l><hi rendition="#g">Wo</hi> dein sanfter Flügel weilt.</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [616/0650]
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Tieck ─ haben durch vorspringende Zeilen die Dreiteiligkeit noch schärfer p1b_616.002
markiert. Nur tritt dadurch für den Unkundigen der Nachteil ein, daß er p1b_616.003
Stollen und Abgesang für 3 Strophen hält.
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Ein Beispiel der Schreibung bei den Minnesingern:
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Gewan ich je deheinen muot, p1b_616.006
der hohe stuont, den han ich noch; p1b_616.007
Min leben dunket mich vil guot p1b_616.008
und ist es niht, so waen' ich's doch. p1b_616.009
Ez tuot mir wol, waz wil ich's mere? p1b_616.010
unt vürhte unrehten spot niht (al) ze sere, p1b_616.011
unt kan wol liden boesen haz: p1b_616.012
solt' ich's also die lenge pflegen, ich gert' es niemer baz.
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(Reinmar der Alte. Vgl. v. d. Hagens Minnesinger I. 175.)
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Dasselbe Beispiel in der Rückertschen Bearbeitung und p1b_616.015
Schreibung:
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Gewann ich jemals einen Mut, p1b_616.017
Der hoch mir stand, den hab ich noch. p1b_616.018
Es dünket mich mein Leben gut, p1b_616.019
Und ist es nicht, so wähn' ich's doch. p1b_616.020
Es thut mir wohl, was will ich mehr? p1b_616.021
Jch fürcht unrechten Spott nicht sehr, p1b_616.022
Und kann wohl leiden bösen Haß! p1b_616.023
Wie lang' ich's treiben soll, ich wünsch' es nimmer baß.
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(Rückerts „Herr Reinmar der Alte“. Ges. Ausg. V. 126.)
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(Vgl. hierzu auch Tiecks sämtliche Werke Bd. 20: „Minnelieder aus p1b_616.026
dem schwäbischen Zeitalter.“)
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Dichtern. p1b_616.029
Bei den neueren Dichtern finden wir die Dreiteiligkeit der Strophen p1b_616.030
nur sehr vereinzelt. Zuweilen tritt sie äußerlich nicht zu Tage, oder p1b_616.031
der Dichter hat sie unabsichtlich nur in einzelnen Strophen einzelner p1b_616.032
Dichtungen angewandt.
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Schiller schreibt in seinem Lied an die Freude die beiden Stollen p1b_616.034
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Freude, schöner Götterfunken! p1b_616.037
Tochter aus Elysium, p1b_616.038
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Himmlische, dein Heiligtum. p1b_616.040
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