Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
p1b_589.001
Doch braucht der Moschus nicht des Krämers Lob; der Käufer p1b_589.002
Riecht seinen Duft, bedarf, was ihn belehret, nicht.
p1b_589.003

(K. Heinr. Graf in Jolowiczs Polyglotte 1856. S. 532.)

p1b_589.004
§ 185. Malaisches Kettengedicht.

p1b_589.005
Eine von Chamisso eingeführte malaische Form besteht aus beliebig p1b_589.006
vielen Vierzeilen, bei welchen immer die 2. und 4. Verszeile der einen p1b_589.007
Strophe als 1. und 3. Verszeile der folgenden Strophe wieder erscheinen, p1b_589.008
sich also ganz wiederholen.

p1b_589.009
Das Versschema ist in Buchstaben:

p1b_589.010

a b a b, b c b c, c d c d, d e d e, e f e f u. s. w.

p1b_589.011
oder in Zahlen: 1 2 1 2, 2 3 2 3, 3 4 3 4, 4 5 4 5, 5 6 5 6 u. s. w.

p1b_589.012
Noch anschaulicher wird das Schema durch diesen Zweizeilendruck:

p1b_589.013

a a b b c c d d e e p1b_589.014
b b c c d d e e f f
.

p1b_589.015
Beispiel:

p1b_589.016

Korbflechterin.

p1b_589.017
Der Regen fällt, die Sonne scheint, p1b_589.018
Die Windfahn' dreht sich nach dem Wind, - p1b_589.019
Du findst uns Mädchen hier vereint, p1b_589.020
Und singest uns ein Lied geschwind.
p1b_589.021
Die Windfahn' dreht sich nach dem Wind p1b_589.022
Die Sonne färbt die Wolken rot, - p1b_589.023
Jch sing' euch wohl ein Lied geschwind, p1b_589.024
Ein Lied von übergroßer Not.
p1b_589.025
Die Sonne färbt die Wolken rot, p1b_589.026
Ein Vogel singt und lockt die Braut - p1b_589.027
Was hat's für übergroße Not p1b_589.028
Bei Mädchen fein, bei Mädchen traut?
p1b_589.029
Ein Vogel singt und lockt die Braut, p1b_589.030
Dem Fische wird das Netz gestellt, - p1b_589.031
Ein Mädchen fein, ein Mädchen traut, p1b_589.032
Ein rasches Mädchen mir gefällt.
p1b_589.033
Dem Fische wird das Netz gestellt, p1b_589.034
Es sengt die Fliege sich am Licht, p1b_589.035
Ein rasches Mädchen dir gefällt, p1b_589.036
Und du gefällst dem Mädchen nicht.

(Chamisso.)

p1b_589.037
§ 186. Die Makame.

p1b_589.038
Das Wort Makame bedeutete bei den alten Arabern ursprünglich p1b_589.039
eine Art litterarischer Sitzung, in welcher improvisierte Erzählungen p1b_589.040
zum Vortrag gelangten. Es entspricht dem persischen Worte Divan, p1b_589.041
welches auch nur das zu litterarischen Darstellungen bestimmte Zimmer

p1b_589.001
Doch braucht der Moschus nicht des Krämers Lob; der Käufer p1b_589.002
Riecht seinen Duft, bedarf, was ihn belehret, nicht.
p1b_589.003

(K. Heinr. Graf in Jolowiczs Polyglotte 1856. S. 532.)

p1b_589.004
§ 185. Malaisches Kettengedicht.

p1b_589.005
Eine von Chamisso eingeführte malaische Form besteht aus beliebig p1b_589.006
vielen Vierzeilen, bei welchen immer die 2. und 4. Verszeile der einen p1b_589.007
Strophe als 1. und 3. Verszeile der folgenden Strophe wieder erscheinen, p1b_589.008
sich also ganz wiederholen.

p1b_589.009
Das Versschema ist in Buchstaben:

p1b_589.010

a b a b, b c b c, c d c d, d e d e, e f e f u. s. w.

p1b_589.011
oder in Zahlen: 1 2 1 2, 2 3 2 3, 3 4 3 4, 4 5 4 5, 5 6 5 6 u. s. w.

p1b_589.012
Noch anschaulicher wird das Schema durch diesen Zweizeilendruck:

p1b_589.013

a a b b c c d d e e p1b_589.014
b b c c d d e e f f
.

p1b_589.015
Beispiel:

p1b_589.016

Korbflechterin.

p1b_589.017
Der Regen fällt, die Sonne scheint, p1b_589.018
Die Windfahn' dreht sich nach dem Wind, p1b_589.019
Du findst uns Mädchen hier vereint, p1b_589.020
Und singest uns ein Lied geschwind.
p1b_589.021
Die Windfahn' dreht sich nach dem Wind p1b_589.022
Die Sonne färbt die Wolken rot, ─ p1b_589.023
Jch sing' euch wohl ein Lied geschwind, p1b_589.024
Ein Lied von übergroßer Not.
p1b_589.025
Die Sonne färbt die Wolken rot, p1b_589.026
Ein Vogel singt und lockt die Braut ─ p1b_589.027
Was hat's für übergroße Not p1b_589.028
Bei Mädchen fein, bei Mädchen traut?
p1b_589.029
Ein Vogel singt und lockt die Braut, p1b_589.030
Dem Fische wird das Netz gestellt, ─ p1b_589.031
Ein Mädchen fein, ein Mädchen traut, p1b_589.032
Ein rasches Mädchen mir gefällt.
p1b_589.033
Dem Fische wird das Netz gestellt, p1b_589.034
Es sengt die Fliege sich am Licht, p1b_589.035
Ein rasches Mädchen dir gefällt, p1b_589.036
Und du gefällst dem Mädchen nicht.

(Chamisso.)

p1b_589.037
§ 186. Die Makame.

p1b_589.038
Das Wort Makame bedeutete bei den alten Arabern ursprünglich p1b_589.039
eine Art litterarischer Sitzung, in welcher improvisierte Erzählungen p1b_589.040
zum Vortrag gelangten. Es entspricht dem persischen Worte Divan, p1b_589.041
welches auch nur das zu litterarischen Darstellungen bestimmte Zimmer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0623" n="589"/>
              <lb n="p1b_589.001"/>
              <lg>
                <l>Doch braucht der Moschus nicht des Krämers Lob; der Käufer</l>
                <lb n="p1b_589.002"/>
                <l>Riecht seinen Duft, bedarf, was ihn belehret, nicht.</l>
              </lg>
              <lb n="p1b_589.003"/>
              <p> <hi rendition="#right">(K. Heinr. Graf in Jolowiczs Polyglotte 1856. S. 532.)</hi> </p>
            </div>
            <div n="4">
              <lb n="p1b_589.004"/>
              <head> <hi rendition="#c">§ 185. Malaisches Kettengedicht.</hi> </head>
              <p><lb n="p1b_589.005"/>
Eine von Chamisso eingeführte malaische Form besteht aus beliebig <lb n="p1b_589.006"/>
vielen Vierzeilen, bei welchen immer die 2. und 4. Verszeile der einen <lb n="p1b_589.007"/>
Strophe als 1. und 3. Verszeile der folgenden Strophe wieder erscheinen, <lb n="p1b_589.008"/>
sich also ganz wiederholen.</p>
              <p><lb n="p1b_589.009"/>
Das Versschema ist in Buchstaben:</p>
              <lb n="p1b_589.010"/>
              <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">a b a b, b c b c, c d c d, d e d e, e f e f</hi> u. s. w.</hi> </p>
              <p><lb n="p1b_589.011"/>
oder in Zahlen: 1 2 1 2, 2 3 2 3, 3 4 3 4, 4 5 4 5, 5 6 5 6 u. s. w.</p>
              <p><lb n="p1b_589.012"/>
Noch anschaulicher wird das Schema durch diesen Zweizeilendruck:</p>
              <lb n="p1b_589.013"/>
              <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">a a b b c c d d e e <lb n="p1b_589.014"/>
b b c c d d e e f f</hi>.</hi> </p>
              <p>
                <lb n="p1b_589.015"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p>
              <lb n="p1b_589.016"/>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Korbflechterin.</hi> </hi> </p>
              <lb n="p1b_589.017"/>
              <lg>
                <l>Der Regen fällt, die Sonne scheint,</l>
                <lb n="p1b_589.018"/>
                <l><hi rendition="#g">Die Windfahn' dreht sich nach dem Wind,</hi> &#x2500;</l>
                <lb n="p1b_589.019"/>
                <l>Du findst uns Mädchen hier vereint,</l>
                <lb n="p1b_589.020"/>
                <l> <hi rendition="#g">Und singest uns ein Lied geschwind.</hi> </l>
              </lg>
              <lg>
                <lb n="p1b_589.021"/>
                <l> <hi rendition="#g">Die Windfahn' dreht sich nach dem Wind</hi> </l>
                <lb n="p1b_589.022"/>
                <l>Die Sonne färbt die Wolken rot, &#x2500;</l>
                <lb n="p1b_589.023"/>
                <l> <hi rendition="#g">Jch sing' euch wohl ein Lied geschwind,</hi> </l>
                <lb n="p1b_589.024"/>
                <l>Ein Lied von übergroßer Not. </l>
              </lg>
              <lg>
                <lb n="p1b_589.025"/>
                <l>Die Sonne färbt die Wolken rot,</l>
                <lb n="p1b_589.026"/>
                <l>Ein Vogel singt und lockt die Braut &#x2500;</l>
                <lb n="p1b_589.027"/>
                <l>Was hat's für übergroße Not</l>
                <lb n="p1b_589.028"/>
                <l>Bei Mädchen fein, bei Mädchen traut? </l>
              </lg>
              <lg>
                <lb n="p1b_589.029"/>
                <l>Ein Vogel singt und lockt die Braut,</l>
                <lb n="p1b_589.030"/>
                <l>Dem Fische wird das Netz gestellt, &#x2500;</l>
                <lb n="p1b_589.031"/>
                <l>Ein Mädchen fein, ein Mädchen traut,</l>
                <lb n="p1b_589.032"/>
                <l>Ein rasches Mädchen mir gefällt. </l>
              </lg>
              <lg>
                <lb n="p1b_589.033"/>
                <l>Dem Fische wird das Netz gestellt,</l>
                <lb n="p1b_589.034"/>
                <l>Es sengt die Fliege sich am Licht,</l>
                <lb n="p1b_589.035"/>
                <l>Ein rasches Mädchen dir gefällt,</l>
                <lb n="p1b_589.036"/>
                <l>Und du gefällst dem Mädchen nicht.</l>
              </lg>
              <p> <hi rendition="#right">(Chamisso.)</hi> </p>
            </div>
            <div n="4">
              <lb n="p1b_589.037"/>
              <head> <hi rendition="#c">§ 186. Die Makame.</hi> </head>
              <p><lb n="p1b_589.038"/>
Das Wort <hi rendition="#g">Makame</hi> bedeutete bei den alten Arabern ursprünglich <lb n="p1b_589.039"/>
eine Art litterarischer Sitzung, in welcher improvisierte Erzählungen <lb n="p1b_589.040"/>
zum Vortrag gelangten. Es entspricht dem persischen Worte <hi rendition="#g">Divan,</hi> <lb n="p1b_589.041"/>
welches auch nur das zu litterarischen Darstellungen bestimmte Zimmer
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[589/0623] p1b_589.001 Doch braucht der Moschus nicht des Krämers Lob; der Käufer p1b_589.002 Riecht seinen Duft, bedarf, was ihn belehret, nicht. p1b_589.003 (K. Heinr. Graf in Jolowiczs Polyglotte 1856. S. 532.) p1b_589.004 § 185. Malaisches Kettengedicht. p1b_589.005 Eine von Chamisso eingeführte malaische Form besteht aus beliebig p1b_589.006 vielen Vierzeilen, bei welchen immer die 2. und 4. Verszeile der einen p1b_589.007 Strophe als 1. und 3. Verszeile der folgenden Strophe wieder erscheinen, p1b_589.008 sich also ganz wiederholen. p1b_589.009 Das Versschema ist in Buchstaben: p1b_589.010 a b a b, b c b c, c d c d, d e d e, e f e f u. s. w. p1b_589.011 oder in Zahlen: 1 2 1 2, 2 3 2 3, 3 4 3 4, 4 5 4 5, 5 6 5 6 u. s. w. p1b_589.012 Noch anschaulicher wird das Schema durch diesen Zweizeilendruck: p1b_589.013 a a b b c c d d e e p1b_589.014 b b c c d d e e f f. p1b_589.015 Beispiel: p1b_589.016 Korbflechterin. p1b_589.017 Der Regen fällt, die Sonne scheint, p1b_589.018 Die Windfahn' dreht sich nach dem Wind, ─ p1b_589.019 Du findst uns Mädchen hier vereint, p1b_589.020 Und singest uns ein Lied geschwind. p1b_589.021 Die Windfahn' dreht sich nach dem Wind p1b_589.022 Die Sonne färbt die Wolken rot, ─ p1b_589.023 Jch sing' euch wohl ein Lied geschwind, p1b_589.024 Ein Lied von übergroßer Not. p1b_589.025 Die Sonne färbt die Wolken rot, p1b_589.026 Ein Vogel singt und lockt die Braut ─ p1b_589.027 Was hat's für übergroße Not p1b_589.028 Bei Mädchen fein, bei Mädchen traut? p1b_589.029 Ein Vogel singt und lockt die Braut, p1b_589.030 Dem Fische wird das Netz gestellt, ─ p1b_589.031 Ein Mädchen fein, ein Mädchen traut, p1b_589.032 Ein rasches Mädchen mir gefällt. p1b_589.033 Dem Fische wird das Netz gestellt, p1b_589.034 Es sengt die Fliege sich am Licht, p1b_589.035 Ein rasches Mädchen dir gefällt, p1b_589.036 Und du gefällst dem Mädchen nicht. (Chamisso.) p1b_589.037 § 186. Die Makame. p1b_589.038 Das Wort Makame bedeutete bei den alten Arabern ursprünglich p1b_589.039 eine Art litterarischer Sitzung, in welcher improvisierte Erzählungen p1b_589.040 zum Vortrag gelangten. Es entspricht dem persischen Worte Divan, p1b_589.041 welches auch nur das zu litterarischen Darstellungen bestimmte Zimmer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/623
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/623>, abgerufen am 26.11.2024.