p1b_530.001 compositum erscheinen. Gereimte antike Strophen finden sich zwar schon im p1b_530.002 16. und 17. Jahrhundert. Aber erst Rückert, Platen und Schiller, dessen p1b_530.003 Griechenstrophe man im Hinblick auf den Reim bis in die Neuzeit für eine p1b_530.004 deutsche ansah, haben das durch Hegel erneuerte Vorurteil durchbrochen, daß p1b_530.005 der Reim mit der antiken Strophe unvereinbar sei. Besonders war es p1b_530.006 Rud. v. Gottschall vorbehalten, unserer Litteratur eine Fülle guter gereimter p1b_530.007 Strophen zu geben. Wir stimmen aus Überzeugung in seine nachstehende p1b_530.008 Empfehlung des Reimes für antike und namentlich für antikisierende Strophen ein, p1b_530.009 welche durch dieses Schönheitsmittel auch äußerlich zusammengehalten werden:
p1b_530.010
O zage vor dem kühneren Schwunge nicht,p1b_530.011 Der alten Brauches sklavische Fessel bricht,p1b_530.012 Der um die Regel, die uns bindet,p1b_530.013 Zartere Blüten des Reimes windet.
p1b_530.014 II. Fremde moderne Strophen und Dichtungsformen. p1b_530.015 (Südliche Formen.)
p1b_530.016 § 164. Erklärung und Einteilung.
p1b_530.017 Erklärung. Eine Anzahl jener, der romanischen und orientalischen p1b_530.018 Poesie entlehnten Dichtungsformen, denen ein geregeltes Strophenmaß p1b_530.019 zu Grunde liegt, zeichnen sich durch genau bestimmte, ihnen eigentümliche p1b_530.020 Zeilenzahl, durch Stellung der Reime u. s. w. aus. Dadurch p1b_530.021 unterscheiden sie sich namentlich von den ungereimten, nur nach Längen p1b_530.022 und Kürzen, in gewisser Ordnung wiederkehrender Silben aufgebauten p1b_530.023 antikisierenden wie von den deutschen, so elastischen Strophen.
p1b_530.024 Man nennt sie im Hinblick auf ihre Abstammung: südliche p1b_530.025 Formen und rechnet sie bezüglich ihres Jnhalts zu den lyrischen p1b_530.026 Strophen. (Vgl. II. Hauptstück im 2. Band d. B.)
p1b_530.027 Einteilung. Man unterscheidet bei den fremden Formen:
p1b_530.028 I. Provencalisch=italienische Formen. Zu diesen gehört: p1b_530.029 1. das Sonett, 2. die Terzine, 3. das Ritornell, 4. die Sestine, p1b_530.030 5. die Stanze, 6. die Siciliane, 7 die Kanzone, 8. die italienische p1b_530.031 Vierzeile.
p1b_530.032 II. Spanische Formen. Zu denselben gehört: 1. die Dezime, p1b_530.033 2. die Glosse, 3. die Tenzone, 4. das Kancion, 5. die Seguidilla.
p1b_530.034 III. Französische Formen. Zu ihnen rechnet man: 1. das p1b_530.035 Madrigal, 2. das Akrostichon, 3. das Triolet, 4. das Rondeau.
p1b_530.036 IV. Französisch=deutsche Strophen. Als solche sind die p1b_530.037 Alexandrinerstrophen anzusehen.
p1b_530.038 V. Orientalische Formen. Dieses sind: 1. die persische p1b_530.039 Vierzeile, 2. das Ghasel, 3. die malaische Form, 4. die Makame, p1b_530.040 5. das Sloka-Distichon.
p1b_530.001 compositum erscheinen. Gereimte antike Strophen finden sich zwar schon im p1b_530.002 16. und 17. Jahrhundert. Aber erst Rückert, Platen und Schiller, dessen p1b_530.003 Griechenstrophe man im Hinblick auf den Reim bis in die Neuzeit für eine p1b_530.004 deutsche ansah, haben das durch Hegel erneuerte Vorurteil durchbrochen, daß p1b_530.005 der Reim mit der antiken Strophe unvereinbar sei. Besonders war es p1b_530.006 Rud. v. Gottschall vorbehalten, unserer Litteratur eine Fülle guter gereimter p1b_530.007 Strophen zu geben. Wir stimmen aus Überzeugung in seine nachstehende p1b_530.008 Empfehlung des Reimes für antike und namentlich für antikisierende Strophen ein, p1b_530.009 welche durch dieses Schönheitsmittel auch äußerlich zusammengehalten werden:
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O zage vor dem kühneren Schwunge nicht,p1b_530.011 Der alten Brauches sklavische Fessel bricht,p1b_530.012 Der um die Regel, die uns bindet,p1b_530.013 Zartere Blüten des Reimes windet.
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p1b_530.016 § 164. Erklärung und Einteilung.
p1b_530.017 Erklärung. Eine Anzahl jener, der romanischen und orientalischen p1b_530.018 Poesie entlehnten Dichtungsformen, denen ein geregeltes Strophenmaß p1b_530.019 zu Grunde liegt, zeichnen sich durch genau bestimmte, ihnen eigentümliche p1b_530.020 Zeilenzahl, durch Stellung der Reime u. s. w. aus. Dadurch p1b_530.021 unterscheiden sie sich namentlich von den ungereimten, nur nach Längen p1b_530.022 und Kürzen, in gewisser Ordnung wiederkehrender Silben aufgebauten p1b_530.023 antikisierenden wie von den deutschen, so elastischen Strophen.
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p1b_530.027 Einteilung. Man unterscheidet bei den fremden Formen:
p1b_530.028 I. Provençalisch=italienische Formen. Zu diesen gehört: p1b_530.029 1. das Sonett, 2. die Terzine, 3. das Ritornell, 4. die Sestine, p1b_530.030 5. die Stanze, 6. die Siciliane, 7 die Kanzone, 8. die italienische p1b_530.031 Vierzeile.
p1b_530.032 II. Spanische Formen. Zu denselben gehört: 1. die Dezime, p1b_530.033 2. die Glosse, 3. die Tenzone, 4. das Kancion, 5. die Seguidilla.
p1b_530.034 III. Französische Formen. Zu ihnen rechnet man: 1. das p1b_530.035 Madrigal, 2. das Akrostichon, 3. das Triolet, 4. das Rondeau.
p1b_530.036 IV. Französisch=deutsche Strophen. Als solche sind die p1b_530.037 Alexandrinerstrophen anzusehen.
p1b_530.038 V. Orientalische Formen. Dieses sind: 1. die persische p1b_530.039 Vierzeile, 2. das Ghasel, 3. die malaische Form, 4. die Makame, p1b_530.040 5. das Sloka-Distichon.
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compositum erscheinen. Gereimte antike Strophen finden sich zwar schon im p1b_530.002
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Griechenstrophe man im Hinblick auf den Reim bis in die Neuzeit für eine p1b_530.004
deutsche ansah, haben das durch Hegel erneuerte Vorurteil durchbrochen, daß p1b_530.005
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/564>, abgerufen am 23.11.2024.
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