Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
p1b_531.001
A. Provencalisch=italienische Formen.
p1b_531.002
§ 165. Das Sonett.

p1b_531.003
1. Das Sonett (ital. Sonetto, französ. Sonnet == Klinggedicht) p1b_531.004
ist eine lyrische Form. Es besteht aus vierzehn gleichlangen Verszeilen p1b_531.005
mit meist weiblichen Reimen.

p1b_531.006
Sein Bau zeigt einen zweistolligen Aufgesang von je vier Verszeilen p1b_531.007
sowie einen sechszeiligen Abgesang von je drei Verszeilen.

p1b_531.008
2. Dem Jnhalte nach zeigt es zwei Hauptteile mit je zwei Unterabteilungen.

p1b_531.009

p1b_531.010
3. Das Sonett drückt in präziser Form ein bestimmtes Gefühl p1b_531.011
aus, eine der Reflexion verwandte Empfindung oder einen gewisse p1b_531.012
Gefühle erzeugenden Gedanken.

p1b_531.013
4. Bei den Engländern war das Sonett eine vierzehnzeilige Strophe p1b_531.014
mit gekreuzten Reimen und einem abschließenden Reimpaare. Schema: p1b_531.015
a b a b c d c d e f e f g g.

p1b_531.016
5. Jn Deutschland ist es seit Weckherlin (1584-1651) heimisch, p1b_531.017
bei dem es noch aus Alexandrinern bestand. Jm 17. Jahrhundert p1b_531.018
war es gänzlich vergessen. Bürger dichtete Sonette in trochäischen p1b_531.019
Quinaren. Seine größte Pflege erfuhr das Sonett durch Fr. Rückert.

p1b_531.020
6. Theodor Souchay war der erste, welcher plattdeutsche Sonette p1b_531.021
schrieb.

p1b_531.022
7. Ein durch den Jnhalt verbundener oder durch gemeinsame Verszeilen p1b_531.023
zusammengehaltener Cyklus von Sonetten heißt Sonettenkranz.

p1b_531.024
1. Das Sonett der Gegenwart besteht aus 14 jambischen Quinaren p1b_531.025
(Fünftaktern). Diese zerfallen in zwei Abteilungen, deren erste (der Aufgesang) p1b_531.026
aus 2 x 4 Versen (Quatrains, Quartette, ital. Quadernarii == vierzeilige p1b_531.027
Stanzen), die letzte (der Abgesang) aus 2 x 3 Versen (Terzinen, Ternarii p1b_531.028
== dreizeilige Stanzen) besteht. Die beiden Quatrains haben umarmende p1b_531.029
Reime, die beiden folgenden Terzinen haben Terzinenreime, oder die nachfolgenden p1b_531.030
Reim-Verschränkungen:

p1b_531.031

1. a b c | c b a p1b_531.032
2. a b c | a c b p1b_531.033
3. a b b | a c c, p1b_531.034
4. a b c | a b c p1b_531.035
5. a b c | b c a
p1b_531.036
Seltener: a a a, b b b p1b_531.037
a a b, a a b p1b_531.038
a a b, b b a
.

p1b_531.001
A. Provençalisch=italienische Formen.
p1b_531.002
§ 165. Das Sonett.

p1b_531.003
1. Das Sonett (ital. Sonetto, französ. Sonnet == Klinggedicht) p1b_531.004
ist eine lyrische Form. Es besteht aus vierzehn gleichlangen Verszeilen p1b_531.005
mit meist weiblichen Reimen.

p1b_531.006
Sein Bau zeigt einen zweistolligen Aufgesang von je vier Verszeilen p1b_531.007
sowie einen sechszeiligen Abgesang von je drei Verszeilen.

p1b_531.008
2. Dem Jnhalte nach zeigt es zwei Hauptteile mit je zwei Unterabteilungen.

p1b_531.009

p1b_531.010
3. Das Sonett drückt in präziser Form ein bestimmtes Gefühl p1b_531.011
aus, eine der Reflexion verwandte Empfindung oder einen gewisse p1b_531.012
Gefühle erzeugenden Gedanken.

p1b_531.013
4. Bei den Engländern war das Sonett eine vierzehnzeilige Strophe p1b_531.014
mit gekreuzten Reimen und einem abschließenden Reimpaare. Schema: p1b_531.015
a b a b c d c d e f e f g g.

p1b_531.016
5. Jn Deutschland ist es seit Weckherlin (1584─1651) heimisch, p1b_531.017
bei dem es noch aus Alexandrinern bestand. Jm 17. Jahrhundert p1b_531.018
war es gänzlich vergessen. Bürger dichtete Sonette in trochäischen p1b_531.019
Quinaren. Seine größte Pflege erfuhr das Sonett durch Fr. Rückert.

p1b_531.020
6. Theodor Souchay war der erste, welcher plattdeutsche Sonette p1b_531.021
schrieb.

p1b_531.022
7. Ein durch den Jnhalt verbundener oder durch gemeinsame Verszeilen p1b_531.023
zusammengehaltener Cyklus von Sonetten heißt Sonettenkranz.

p1b_531.024
1. Das Sonett der Gegenwart besteht aus 14 jambischen Quinaren p1b_531.025
(Fünftaktern). Diese zerfallen in zwei Abteilungen, deren erste (der Aufgesang) p1b_531.026
aus 2 × 4 Versen (Quatrains, Quartette, ital. Quadernarii == vierzeilige p1b_531.027
Stanzen), die letzte (der Abgesang) aus 2 × 3 Versen (Terzinen, Ternarii p1b_531.028
== dreizeilige Stanzen) besteht. Die beiden Quatrains haben umarmende p1b_531.029
Reime, die beiden folgenden Terzinen haben Terzinenreime, oder die nachfolgenden p1b_531.030
Reim-Verschränkungen:

p1b_531.031

1. a b c │ c b a p1b_531.032
2. a b c │ a c b p1b_531.033
3. a b b │ a c c, p1b_531.034
4. a b c │ a b c p1b_531.035
5. a b c │ b c a
p1b_531.036
Seltener: a a a, b b b p1b_531.037
a a b, a a b p1b_531.038
a a b, b b a
.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0565" n="531"/>
          </div>
          <div n="3">
            <lb n="p1b_531.001"/>
            <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">A</hi>. <hi rendition="#g">Proven<hi rendition="#aq">ç</hi>alisch=italienische Formen</hi>.</hi> </head>
            <div n="4">
              <lb n="p1b_531.002"/>
              <head> <hi rendition="#c">§ 165. Das Sonett.</hi> </head>
              <div n="5">
                <p><lb n="p1b_531.003"/>
1. Das Sonett (ital. <hi rendition="#aq">Sonetto</hi>, französ. <hi rendition="#aq">Sonnet</hi> == Klinggedicht) <lb n="p1b_531.004"/>
ist eine lyrische Form. Es besteht aus vierzehn gleichlangen Verszeilen <lb n="p1b_531.005"/>
mit meist weiblichen Reimen.</p>
                <p><lb n="p1b_531.006"/>
Sein Bau zeigt einen zweistolligen Aufgesang von je vier Verszeilen <lb n="p1b_531.007"/>
sowie einen sechszeiligen Abgesang von je drei Verszeilen.</p>
                <p><lb n="p1b_531.008"/>
2. Dem Jnhalte nach zeigt es zwei Hauptteile mit je zwei Unterabteilungen.</p>
                <lb n="p1b_531.009"/>
                <p><lb n="p1b_531.010"/>
3. Das Sonett drückt in präziser Form ein bestimmtes Gefühl <lb n="p1b_531.011"/>
aus, eine der Reflexion verwandte Empfindung oder einen gewisse <lb n="p1b_531.012"/>
Gefühle erzeugenden Gedanken.</p>
                <p><lb n="p1b_531.013"/>
4. Bei den Engländern war das Sonett eine vierzehnzeilige Strophe <lb n="p1b_531.014"/>
mit gekreuzten Reimen und einem abschließenden Reimpaare. Schema: <lb n="p1b_531.015"/> <hi rendition="#aq">a b a b c d c d e f e f g g</hi>.</p>
                <p><lb n="p1b_531.016"/>
5. Jn Deutschland ist es seit Weckherlin (1584&#x2500;1651) heimisch, <lb n="p1b_531.017"/>
bei dem es noch aus Alexandrinern bestand. Jm 17. Jahrhundert <lb n="p1b_531.018"/>
war es gänzlich vergessen. Bürger dichtete Sonette in trochäischen <lb n="p1b_531.019"/>
Quinaren. Seine größte Pflege erfuhr das Sonett durch Fr. Rückert.</p>
                <p><lb n="p1b_531.020"/>
6. Theodor Souchay war der erste, welcher plattdeutsche Sonette <lb n="p1b_531.021"/>
schrieb.</p>
              </div>
              <div n="5">
                <p><lb n="p1b_531.022"/>
7. Ein durch den Jnhalt verbundener oder durch gemeinsame Verszeilen <lb n="p1b_531.023"/>
zusammengehaltener Cyklus von Sonetten heißt Sonettenkranz.</p>
                <p><lb n="p1b_531.024"/>
1. Das Sonett der Gegenwart besteht aus 14 jambischen Quinaren <lb n="p1b_531.025"/>
(Fünftaktern). Diese zerfallen in zwei Abteilungen, deren erste (der Aufgesang) <lb n="p1b_531.026"/>
aus 2 × 4 Versen (<hi rendition="#aq">Quatrains</hi>, Quartette, ital. <hi rendition="#aq">Quadernarii</hi> == vierzeilige <lb n="p1b_531.027"/>
Stanzen), die letzte (der Abgesang) aus 2 × 3 Versen (Terzinen, <hi rendition="#aq">Ternarii</hi> <lb n="p1b_531.028"/>
== dreizeilige Stanzen) besteht. Die beiden <hi rendition="#aq">Quatrains</hi> haben umarmende <lb n="p1b_531.029"/>
Reime, die beiden folgenden Terzinen haben Terzinenreime, oder die nachfolgenden <lb n="p1b_531.030"/>
Reim-Verschränkungen:</p>
                <lb n="p1b_531.031"/>
                <p> <hi rendition="#c">1. <hi rendition="#aq">a b c &#x2502; c b a <lb n="p1b_531.032"/>
2. a b c &#x2502; a c b <lb n="p1b_531.033"/>
3. a b b &#x2502; a c c, <lb n="p1b_531.034"/>
4. a b c &#x2502; a b c <lb n="p1b_531.035"/>
5. a b c &#x2502; b c a</hi> <lb n="p1b_531.036"/>
Seltener: <hi rendition="#aq">a a a, b b b <lb n="p1b_531.037"/>
a a b, a a b <lb n="p1b_531.038"/>
a a b, b b a</hi>.</hi> </p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[531/0565] p1b_531.001 A. Provençalisch=italienische Formen. p1b_531.002 § 165. Das Sonett. p1b_531.003 1. Das Sonett (ital. Sonetto, französ. Sonnet == Klinggedicht) p1b_531.004 ist eine lyrische Form. Es besteht aus vierzehn gleichlangen Verszeilen p1b_531.005 mit meist weiblichen Reimen. p1b_531.006 Sein Bau zeigt einen zweistolligen Aufgesang von je vier Verszeilen p1b_531.007 sowie einen sechszeiligen Abgesang von je drei Verszeilen. p1b_531.008 2. Dem Jnhalte nach zeigt es zwei Hauptteile mit je zwei Unterabteilungen. p1b_531.009 p1b_531.010 3. Das Sonett drückt in präziser Form ein bestimmtes Gefühl p1b_531.011 aus, eine der Reflexion verwandte Empfindung oder einen gewisse p1b_531.012 Gefühle erzeugenden Gedanken. p1b_531.013 4. Bei den Engländern war das Sonett eine vierzehnzeilige Strophe p1b_531.014 mit gekreuzten Reimen und einem abschließenden Reimpaare. Schema: p1b_531.015 a b a b c d c d e f e f g g. p1b_531.016 5. Jn Deutschland ist es seit Weckherlin (1584─1651) heimisch, p1b_531.017 bei dem es noch aus Alexandrinern bestand. Jm 17. Jahrhundert p1b_531.018 war es gänzlich vergessen. Bürger dichtete Sonette in trochäischen p1b_531.019 Quinaren. Seine größte Pflege erfuhr das Sonett durch Fr. Rückert. p1b_531.020 6. Theodor Souchay war der erste, welcher plattdeutsche Sonette p1b_531.021 schrieb. p1b_531.022 7. Ein durch den Jnhalt verbundener oder durch gemeinsame Verszeilen p1b_531.023 zusammengehaltener Cyklus von Sonetten heißt Sonettenkranz. p1b_531.024 1. Das Sonett der Gegenwart besteht aus 14 jambischen Quinaren p1b_531.025 (Fünftaktern). Diese zerfallen in zwei Abteilungen, deren erste (der Aufgesang) p1b_531.026 aus 2 × 4 Versen (Quatrains, Quartette, ital. Quadernarii == vierzeilige p1b_531.027 Stanzen), die letzte (der Abgesang) aus 2 × 3 Versen (Terzinen, Ternarii p1b_531.028 == dreizeilige Stanzen) besteht. Die beiden Quatrains haben umarmende p1b_531.029 Reime, die beiden folgenden Terzinen haben Terzinenreime, oder die nachfolgenden p1b_531.030 Reim-Verschränkungen: p1b_531.031 1. a b c │ c b a p1b_531.032 2. a b c │ a c b p1b_531.033 3. a b b │ a c c, p1b_531.034 4. a b c │ a b c p1b_531.035 5. a b c │ b c a p1b_531.036 Seltener: a a a, b b b p1b_531.037 a a b, a a b p1b_531.038 a a b, b b a.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/565
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/565>, abgerufen am 23.11.2024.