p1b_470.001 Die Reinheit verbietet aus Gründen der Silbenquantität, Formwörter p1b_470.002 (z. B. Präpositionen, Konjunktionen, Artikel, Ableitungs- oder Flexionssilben) p1b_470.003 zur Reimverbindung zu wählen, z. B.
p1b_470.004
a.
Noch schimmern Nachts, Unendlicherp1b_470.005 Uns Millionen Sonnen her &c.(Voß.)
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b.
Ein Reitertrupp! Der Aga derp1b_470.007 Eunuchen, Jusuff! - "Bringt ihn her!"
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(Freiligrath.)
p1b_470.009
c.
Der junge Fürst, gerührt von solcher Treue,p1b_470.010 Fällt dankbarlich dem Alten um den Hals;p1b_470.011 Drauf legen sich die beiden auf die Streue,p1b_470.012 Und Hüon schläft, als wär es Flaum. Und alsp1b_470.013 Der Tag erwacht u. s. w.(Wielands Oberon.)
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d.
Du hast zwei Ohren und einen Mund;p1b_470.015 Willst du's beklagen?p1b_470.016 Gar vieles sollst du hören, undp1b_470.017 Wenig drauf sagen.
(Rückert.)
p1b_470.018 Gegen die Reinheit ist es, wenn auf eine hochtonige, ungereimte Silbe p1b_470.019 unmittelbar die reimende folgt und durch die Bedeutung ihrer Stellung eine p1b_470.020 Accentverschiebung veranlaßt. Z. B.
p1b_470.021
Wenn nur was kamep1b_470.022 Und mich mitnahme (statt: mi5tna4hme1).(Rückert.)
p1b_470.023 Die prosodische Reinheit fordert endlich eine solche Stellung des Reimworts, p1b_470.024 daß sich der natürliche Leseton von selbst den Reimwörtern zudrängt. Das p1b_470.025 Reimwort darf nicht den Satzaccent verschieben, wie in folgenden Beispielen, p1b_470.026 wo es vor den Arsen Möros und Er die Silbenquantität verändert. Das p1b_470.027 kurze schlich wird betont und lang, und das zum Wort spellt gehörige Erp1b_470.028 bekommt den unverdienten Hochton:
p1b_470.029
a.
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlichp1b_470.030 Möros &c.
p1b_470.031
b.
Flugs, mit scharfer Zunge, spelltp1b_470.032 Er &c.
p1b_470.033 Der Satzaccent ist: schlich Mönros, nicht schlich ÷ Moros &c. Ferner: p1b_470.034 Mit scharfer Zunge spellt er, nicht spellt er &c.
p1b_470.035 II. Neuheit des Reims.
p1b_470.036 Sie haßt das bequeme Erfassen abgenutzter Begriffswörter (z. B. p1b_470.037 Wort - Ort, Herz - Schmerz, Sonne - Wonne, Lust - Brust), p1b_470.038 überhaupt alle trivialen, verbrauchten Gemeinplätze.
p1b_470.039 Um die Neuheit des Reims zu erreichen, ist selbstredend Neuheit des p1b_470.040 Stoffes nötig. Dies hat nächst Rückert u. A. besonders Freiligrath begriffen.
p1b_470.001 Die Reinheit verbietet aus Gründen der Silbenquantität, Formwörter p1b_470.002 (z. B. Präpositionen, Konjunktionen, Artikel, Ableitungs- oder Flexionssilben) p1b_470.003 zur Reimverbindung zu wählen, z. B.
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a.
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p1b_470.031
b.
Flugs, mit scharfer Zunge, spelltp1b_470.032 Er &c.
p1b_470.033 Der Satzaccent ist: schlīch Mȫ́ros, nicht schlī́ch ÷ Mȫros &c. Ferner: p1b_470.034 Mit scharfer Zunge spēllt ĕr, nicht spēllt ḗr &c.
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p1b_470.036 Sie haßt das bequeme Erfassen abgenutzter Begriffswörter (z. B. p1b_470.037 Wort ─ Ort, Herz ─ Schmerz, Sonne ─ Wonne, Lust ─ Brust), p1b_470.038 überhaupt alle trivialen, verbrauchten Gemeinplätze.
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Die Reinheit verbietet aus Gründen der Silbenquantität, Formwörter p1b_470.002
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Noch schimmern Nachts, Unendlicher p1b_470.005
Uns Millionen Sonnen her &c.(Voß.)
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Ein Reitertrupp! Der Aga der p1b_470.007
Eunuchen, Jusuff! ─ „Bringt ihn her!“
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Der junge Fürst, gerührt von solcher Treue, p1b_470.010
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Gegen die Reinheit ist es, wenn auf eine hochtonige, ungereimte Silbe p1b_470.019
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wo es vor den Arsen Möros und Er die Silbenquantität verändert. Das p1b_470.027
kurze schlich wird betont und lang, und das zum Wort spellt gehörige Er p1b_470.028
bekommt den unverdienten Hochton:
p1b_470.029
a.
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich p1b_470.030
Möros &c.
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b.
Flugs, mit scharfer Zunge, spellt p1b_470.032
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p1b_470.033
Der Satzaccent ist: schlīch Mȫ́ros, nicht schlī́ch ÷ Mȫros &c. Ferner: p1b_470.034
Mit scharfer Zunge spēllt ĕr, nicht spēllt ḗr &c.
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II. Neuheit des Reims.
p1b_470.036
Sie haßt das bequeme Erfassen abgenutzter Begriffswörter (z. B. p1b_470.037
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Um die Neuheit des Reims zu erreichen, ist selbstredend Neuheit des p1b_470.040
Stoffes nötig. Dies hat nächst Rückert u. A. besonders Freiligrath begriffen.
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/504>, abgerufen am 23.07.2024.
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