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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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[Beginn Spaltensatz]

Tho sprah sca maria, p1b_414.002
si was sih blidenti p1b_414.003
Nu scal geist miner, p1b_414.004
mit lidin lichamen p1b_414.005
Ih frawon druhtine; p1b_414.006
frew ih mih in muate p1b_414.007
Want er otmuati p1b_414.008
nu saligont mih alle p1b_414.009
Mahtig druhtin, p1b_414.010
det er werk mariu

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thaz siu zi huge habeta; p1b_414.102
bi thaz arunti. p1b_414.103
mit selu gifuagter, p1b_414.104
druhtinan diuren. p1b_414.105
alle daga mine p1b_414.106
gote heilante. p1b_414.107
in mir was scowonti, p1b_414.108
worolt io bi manne. p1b_414.109
wih namo siner! p1b_414.110
in mir armeru.

[Ende Spaltensatz]

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Jn der Allitterationsperiode war die Betonung der ersten Silbe jedes p1b_414.112
Wortes Regel. Alle Wörter fügten sich; und wäre die Allitteration bei uns p1b_414.113
herrschend geblieben, so hätten sich zweifellos auch die Fremdwörter (§ 78) p1b_414.114
dieser deutschen Accentuation anbequemen müssen. Nach Überhandnahme des p1b_414.115
Reims erhielt sich die Allitteration noch längere Zeit hindurch neben dem p1b_414.116
eigentlichen Reime in Minneliedern und Heldengesängen. Selbst im Krönungslied p1b_414.117
Heinrich III. (1039) findet sie sich noch.

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3. Die im Volksmund - besonders auch durch die Rechtspflege - p1b_414.119
lebendig erhaltenen Allitterations-Anklänge (vgl. § 126. 2. b und c) beweisen, p1b_414.120
wie fest die Allitterationen im Volke haften und wie gern dasselbe p1b_414.121
durch Wiederholung der Anklänge accentuiert. Wie lebendig dieses Gefühl p1b_414.122
geblieben ist, und wie seine Befriedigung ergötzt, beweisen auch unzählige allitterierende p1b_414.123
Versuche, die zum Teil der Prosa angehören oder gesuchte Spielereien p1b_414.124
sind. Man vgl. zum Beispiel die nachstehende Rauchrede aus jüngster Zeit:

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"Raucher! Richtig rauchende Raucher rauchen rauchende Rauch-Ripp ruhig p1b_414.126
'runter. Ruhig rauchende Raucher rauchen reizende runde Rauchringe. Robuste p1b_414.127
Raucher rauchen ranzige, runzlige Runkelrüben-Rolle. Rapide Rosse reitende p1b_414.128
Raucher rauchen Riemen rüttelnd. Rennende Raucher rauchen rar. Reelle p1b_414.129
rauchende Raucher rauchen recht reine Rauchrohre. Raubritter, Räuber, Rinaldo, p1b_414.130
ruppige Rangen rauchen riechenden Ratiborer, Rawitscher. Russische radikale p1b_414.131
Reformer rauchen Rettige, rothe Rüben, Rapunze. Rhetorische Rauchredner p1b_414.132
reden rauchend recht rührend. Reimende Raucher reimten rauchend rabiat: p1b_414.133
Rauch-Reime. Riecher rümpfende Raucher riechen rauchend Rauch. Reiche p1b_414.134
riechende Raucher riechen raren Rauch. Rochrige Raucher riechen recht rochrichen p1b_414.135
Rauch - Raucher! rauche, rooche, rieche - Ruhe!"

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4. Die im Accent begründete, nachdrückliche Wirkung der Allitteration p1b_414.137
hat selbst - wie einst einen Shakespeare in England - unseren Goethe p1b_414.138
zur Anwendung des Stabreims entflammt. Shakespeare hat den Stabreim p1b_414.139
beim jedesmaligen Erscheinen der Hexen im Macbeth, sowie in Ariels Gesängen p1b_414.140
(im "Sturm" 1. 2) angewandt, was seine Übersetzer Schlegel und Tieck p1b_414.141
nicht bemerkten. Dennoch war die Anwendung weder zufällig noch unabsichtlich.

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[Beginn Spaltensatz]

Thó sprah sca mária, p1b_414.002
si was sih blídenti p1b_414.003
Nu scal géist minër, p1b_414.004
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Máhtig drúhtin, p1b_414.010
det er wérk mariu

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thaz siu zi húge hábeta; p1b_414.102
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Jn der Allitterationsperiode war die Betonung der ersten Silbe jedes p1b_414.112
Wortes Regel. Alle Wörter fügten sich; und wäre die Allitteration bei uns p1b_414.113
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eigentlichen Reime in Minneliedern und Heldengesängen. Selbst im Krönungslied p1b_414.117
Heinrich III. (1039) findet sie sich noch.

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3. Die im Volksmund ─ besonders auch durch die Rechtspflege ─ p1b_414.119
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wie fest die Allitterationen im Volke haften und wie gern dasselbe p1b_414.121
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Versuche, die zum Teil der Prosa angehören oder gesuchte Spielereien p1b_414.124
sind. Man vgl. zum Beispiel die nachstehende Rauchrede aus jüngster Zeit:

p1b_414.125
„Raucher! Richtig rauchende Raucher rauchen rauchende Rauch-Ripp ruhig p1b_414.126
'runter. Ruhig rauchende Raucher rauchen reizende runde Rauchringe. Robuste p1b_414.127
Raucher rauchen ranzige, runzlige Runkelrüben-Rolle. Rapide Rosse reitende p1b_414.128
Raucher rauchen Riemen rüttelnd. Rennende Raucher rauchen rar. Reelle p1b_414.129
rauchende Raucher rauchen recht reine Rauchrohre. Raubritter, Räuber, Rinaldo, p1b_414.130
ruppige Rangen rauchen riechenden Ratiborer, Rawitscher. Russische radikale p1b_414.131
Reformer rauchen Rettige, rothe Rüben, Rapunze. Rhetorische Rauchredner p1b_414.132
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Rauch ─ Raucher! rauche, rooche, rieche ─ Ruhe!“

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4. Die im Accent begründete, nachdrückliche Wirkung der Allitteration p1b_414.137
hat selbst ─ wie einst einen Shakespeare in England ─ unseren Goethe p1b_414.138
zur Anwendung des Stabreims entflammt. Shakespeare hat den Stabreim p1b_414.139
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/448>, abgerufen am 22.11.2024.