Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_361.001 III. Der Hexameter und der archilochische Vers (- Breve Breve - Breve Breve -). p1b_361.002(Archilochisches Distichon.) p1b_361.003Ebert, mich scheucht ein trüber Gedanke vom blinkenden Weine p1b_361.004 Tief in die Melancho | lei. || p1b_361.005 Ach, du redest umsonst, vordem gewaltiges Kelchglas, p1b_361.006 Heitre Gedanken mir zu! p1b_361.007 Weggehn muß ich und weinen! vielleicht, daß die lindernde Thräne p1b_361.008 Meinen Gram mir verweint.(Klopstock.) p1b_361.009 Könnten die Teuren wir doch im heimischen Hause vereinen p1b_361.010 Alle die Freundlichen heut. p1b_361.011 Wehe! es dränngen sich zwischen uns Land, Fluß, Wald und Gebirg ein. p1b_361.012 Schwinde o rollende Zeit! &c. p1b_361.013 p1b_361.019Ringsum taute der Schnee; schon grünt im Gefilde der Rasen, p1b_361.014 Grünt an den Bäumen das Laub; p1b_361.015 Wechselnd verjüngt sich die Flur, und beruhigt am hohen Gestade p1b_361.016 Wandeln die Ströme dahin. p1b_361.017 Mit den Nymphen versucht und den Zwillingsschwestern die nackte p1b_361.018 Grazie schüchtern den Tanz. &c. (Aus Geibels klass. Liederbuch. Nachbildung der Ode des p1b_361.020 p1b_361.021 IV. Lehre von den freien Versarten (Accentverse). p1b_361.022 § 116. Erklärung und Entwickelung der Accentverse. p1b_361.023 p1b_361.031 p1b_361.036 p1b_361.038 p1b_361.042 p1b_361.001 III. 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Verstakte im Sinne der seitherigen <lb n="p1b_361.030"/> Schulmetrik kennen diese Verse nicht.</p> <p><lb n="p1b_361.031"/> 2. Macht man vor den Arsen Taktstriche, so erhält man ein <lb n="p1b_361.032"/> buntes Gewimmel aller erdenkbaren Verstakte; ja, es ergiebt sich noch <lb n="p1b_361.033"/> manche Kombination, nach welcher der Lernende vergeblich in einer <lb n="p1b_361.034"/> Poetik sich umsehen wird, wodurch aber der Accentvers eine z. B. den <lb n="p1b_361.035"/> Hexameter weit überragende rhythmische Beweglichkeit erhält.</p> <p><lb n="p1b_361.036"/> 3. Jm altgermanischen epischen Vers waltete das accentuierende <lb n="p1b_361.037"/> Prinzip.</p> <p><lb n="p1b_361.038"/> 4. <hi rendition="#g">Heinrich Heine</hi> war der Erste, welcher den Mut hatte, die <lb n="p1b_361.039"/> schulmäßige Metrik zu durchbrechen und sich in seinen Schöpfungen ─ <lb n="p1b_361.040"/> erst instinktiv, dann bewußt ─ dem altgermanischen Accentvers zuzuneigen.</p> <lb n="p1b_361.041"/> <p><lb n="p1b_361.042"/> 5. Alle übrigen Dichter haben instinktiv mehr oder weniger dem <lb n="p1b_361.043"/> Accentvers gehuldigt.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [361/0395]
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III. Der Hexameter und der archilochische Vers (– ⏑ ⏑ – ⏑ ⏑ –).
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(Archilochisches Distichon.)
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Ebert, mich scheucht ein trüber Gedanke vom blinkenden Weine p1b_361.004
Tīef ĭn dĭe Mēlănchŏ │ lēi. ‖ p1b_361.005
Ach, du redest umsonst, vordem gewaltiges Kelchglas, p1b_361.006
Heitre Gedanken mir zu! p1b_361.007
Weggehn muß ich und weinen! vielleicht, daß die lindernde Thräne p1b_361.008
Meinen Gram mir verweint.(Klopstock.)
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Könnten die Teuren wir doch im heimischen Hause vereinen p1b_361.010
Alle die Freundlichen heut.
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Wēhĕ! ĕs drǟngĕn sĭch zwīschĕn ŭns Lānd, Flūß, Wāld ŭnd Gĕbīrg ēin. p1b_361.012
Schwinde o rollende Zeit! &c.
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Ringsum taute der Schnee; schon grünt im Gefilde der Rasen, p1b_361.014
Grünt an den Bäumen das Laub; p1b_361.015
Wechselnd verjüngt sich die Flur, und beruhigt am hohen Gestade p1b_361.016
Wandeln die Ströme dahin. p1b_361.017
Mit den Nymphen versucht und den Zwillingsschwestern die nackte p1b_361.018
Grazie schüchtern den Tanz. &c.
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(Aus Geibels klass. Liederbuch. Nachbildung der Ode des p1b_361.020
Horaz: An Manlius Torquatus.)
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IV. Lehre von den freien Versarten (Accentverse). p1b_361.022
§ 116. Erklärung und Entwickelung der Accentverse. p1b_361.023
1. Neben der großen Menge deutscher Verse, denen ein ganz p1b_361.024
bestimmtes Metrum, d. i. also ein streng geregeltes Formprinzip zu p1b_361.025
Grunde liegt, findet der geübte Metriker viele Verse, bei denen ein p1b_361.026
bestimmtes, gesetzmäßig geregeltes Metrum nicht nachweisbar ist, bei p1b_361.027
deren Aufbau für den Dichter lediglich die Arsen bestimmend waren, p1b_361.028
während Thesen entweder gar nicht oder in willkürlicher Zahl eingefügt p1b_361.029
wurden. Man nennt sie Accentverse. Verstakte im Sinne der seitherigen p1b_361.030
Schulmetrik kennen diese Verse nicht.
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2. Macht man vor den Arsen Taktstriche, so erhält man ein p1b_361.032
buntes Gewimmel aller erdenkbaren Verstakte; ja, es ergiebt sich noch p1b_361.033
manche Kombination, nach welcher der Lernende vergeblich in einer p1b_361.034
Poetik sich umsehen wird, wodurch aber der Accentvers eine z. B. den p1b_361.035
Hexameter weit überragende rhythmische Beweglichkeit erhält.
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3. Jm altgermanischen epischen Vers waltete das accentuierende p1b_361.037
Prinzip.
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4. Heinrich Heine war der Erste, welcher den Mut hatte, die p1b_361.039
schulmäßige Metrik zu durchbrechen und sich in seinen Schöpfungen ─ p1b_361.040
erst instinktiv, dann bewußt ─ dem altgermanischen Accentvers zuzuneigen.
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5. Alle übrigen Dichter haben instinktiv mehr oder weniger dem p1b_361.043
Accentvers gehuldigt.
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