Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
p1b_360.001
[Beginn Spaltensatz]
Liebchen, woher und wohin p1b_360.002
Trägst du so lieblichen Duft, p1b_360.003
Sieh' her, mit liebendem Sinn p1b_360.004
Schönes, Geliebtes dich ruft.
[Spaltenumbruch] p1b_360.101

(Man beachte die fehlerhafte Accentverschiebung: p1b_360.102
Sieh her.)

[Ende Spaltensatz]

p1b_360.103
D. Weitere Verbindung des Hexameters mit anderen Versen.

p1b_360.104
Neben der so bekannten und geläufigen Vermählung des Hexameters p1b_360.105
mit dem Pentameter finden wir ihn auch noch verbunden I. mit p1b_360.106
dem Tetrameter, II. mit vier- und sechstaktigen Jamben, III. mit dem p1b_360.107
archilochischen Verse.

p1b_360.108

I. Hexameter und Tetrameter.

p1b_360.109
Beispiel:

p1b_360.110
Geld und Geräte fordert sogleich der Besiegende; allen p1b_360.111
Ernstes ver | langt's der Ver | wegene | mutvoll.
p1b_360.112

II. Hexameter mit vier- und sechstaktigen Jamben.

p1b_360.113
a. Mit jambischen Viertaktern.

p1b_360.114
Beispiele:

p1b_360.115
Rückert wählte nach Art der horazischen Epoden diese rhythmisch=wirkungsvolle p1b_360.116
Form zur Einleitung seines modernen Jdylls "Wettgesang":

p1b_360.117
Heute belauscht' ich am Bach wetteifernde Hirtengesänge p1b_360.118
Und schwel | lend hob | sich mei | ne Brust, | p1b_360.119
Beim anschmeichelnden Hauch einfältiger ländlicher Klänge, p1b_360.120
Von Liebesleid und Sommerlust. p1b_360.121
Kunstlos war der Gesang, auch prunklos waren die Singer, p1b_360.122
Und selber schmucklos war die Flur; p1b_360.123
Doch vom Himmel ein Glanz ward irdischer Mängel Bezwinger, p1b_360.124
Jch sah verklärte Lichtnatur. p1b_360.125
Hört, nicht wie es entsprang, wie mir in bezauberten Ohren p1b_360.126
Das umgeborne Hirtenlied p1b_360.127
Sein ursprüngliches Nackt im tönenden Schmucke verloren, p1b_360.128
Und wie ich selbst den Streit entschied.

p1b_360.129
b. Mit jambischen Sechstaktern.

p1b_360.130
Beispiele:

p1b_360.131

a.

Horch, wie die Nachtluft weht durch die glänzenden Blätter des Eichbaums, p1b_360.132
Und wie der Wächter dort im Dorf die Stunden zählt.
p1b_360.133

b.

Schon ins zweite Geschlecht fortwütet die Fehde der Bürger, p1b_360.134
Und Rom erliegt verblutend unter Römerhand.
p1b_360.135

(Geibels klass. Liederbuch S. 120.)

p1b_360.001
[Beginn Spaltensatz]
Liebchen, woher und wohin p1b_360.002
Trägst du so lieblichen Duft, p1b_360.003
Sieh' her, mit liebendem Sinn p1b_360.004
Schönes, Geliebtes dich ruft.
[Spaltenumbruch] p1b_360.101

(Man beachte die fehlerhafte Accentverschiebung: p1b_360.102
Sieh her.)

[Ende Spaltensatz]

p1b_360.103
D. Weitere Verbindung des Hexameters mit anderen Versen.

p1b_360.104
Neben der so bekannten und geläufigen Vermählung des Hexameters p1b_360.105
mit dem Pentameter finden wir ihn auch noch verbunden I. mit p1b_360.106
dem Tetrameter, II. mit vier- und sechstaktigen Jamben, III. mit dem p1b_360.107
archilochischen Verse.

p1b_360.108

I. Hexameter und Tetrameter.

p1b_360.109
Beispiel:

p1b_360.110
Geld und Geräte fordert sogleich der Besiegende; allen p1b_360.111
Ērnstĕs vĕr │ lāngt's dĕr Vĕr │ wēgĕnĕ │ mutvōll.
p1b_360.112

II. Hexameter mit vier- und sechstaktigen Jamben.

p1b_360.113
a. Mit jambischen Viertaktern.

p1b_360.114
Beispiele:

p1b_360.115
Rückert wählte nach Art der horazischen Epoden diese rhythmisch=wirkungsvolle p1b_360.116
Form zur Einleitung seines modernen Jdylls „Wettgesang“:

p1b_360.117
Heute belauscht' ich am Bach wetteifernde Hirtengesänge p1b_360.118
Ŭnd schwēl │ lĕnd hōb │ sĭch mēi │ nĕ Brūst, │ p1b_360.119
Beim anschmeichelnden Hauch einfältiger ländlicher Klänge, p1b_360.120
Von Liebesleid und Sommerlust. p1b_360.121
Kunstlos war der Gesang, auch prunklos waren die Singer, p1b_360.122
Und selber schmucklos war die Flur; p1b_360.123
Doch vom Himmel ein Glanz ward irdischer Mängel Bezwinger, p1b_360.124
Jch sah verklärte Lichtnatur. p1b_360.125
Hört, nicht wie es entsprang, wie mir in bezauberten Ohren p1b_360.126
Das umgeborne Hirtenlied p1b_360.127
Sein ursprüngliches Nackt im tönenden Schmucke verloren, p1b_360.128
Und wie ich selbst den Streit entschied.

p1b_360.129
b. Mit jambischen Sechstaktern.

p1b_360.130
Beispiele:

p1b_360.131

α.

Horch, wie die Nachtluft weht durch die glänzenden Blätter des Eichbaums, p1b_360.132
Und wie der Wächter dort im Dorf die Stunden zählt.
p1b_360.133

β.

Schon ins zweite Geschlecht fortwütet die Fehde der Bürger, p1b_360.134
Und Rom erliegt verblutend unter Römerhand.
p1b_360.135

(Geibels klass. Liederbuch S. 120.)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0394" n="360"/>
              <lb n="p1b_360.001"/>
              <cb type="start"/>
              <lg>
                <l>Liebchen, woher und wohin</l>
                <lb n="p1b_360.002"/>
                <l>Trägst du so lieblichen Duft,</l>
                <lb n="p1b_360.003"/>
                <l>Sieh' her, mit liebendem Sinn</l>
                <lb n="p1b_360.004"/>
                <l>Schönes, Geliebtes dich ruft.</l>
              </lg>
              <cb/>
              <lb n="p1b_360.101"/>
              <p>(Man beachte die fehlerhafte Accentverschiebung: <lb n="p1b_360.102"/>
Sieh her.)</p>
              <cb type="end"/>
            </div>
            <div n="4">
              <p><lb n="p1b_360.103"/><hi rendition="#aq">D</hi>. Weitere Verbindung des Hexameters mit anderen Versen.</p>
              <p><lb n="p1b_360.104"/>
Neben der so bekannten und geläufigen Vermählung des Hexameters <lb n="p1b_360.105"/>
mit dem Pentameter finden wir ihn auch noch verbunden <hi rendition="#aq">I</hi>. mit <lb n="p1b_360.106"/>
dem Tetrameter, <hi rendition="#aq">II</hi>. mit vier- und sechstaktigen Jamben, <hi rendition="#aq">III</hi>. mit dem <lb n="p1b_360.107"/>
archilochischen Verse.</p>
              <lb n="p1b_360.108"/>
              <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">I</hi>. <hi rendition="#g">Hexameter und Tetrameter</hi>.</hi> </p>
              <p>
                <lb n="p1b_360.109"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p>
              <lb n="p1b_360.110"/>
              <lg>
                <l>Geld und Geräte fordert sogleich der Besiegende; allen</l>
                <lb n="p1b_360.111"/>
                <l>&#x0112;rnst&#x0115;s v&#x0115;r &#x2502; l&#x0101;ngt's d&#x0115;r V&#x0115;r &#x2502; w&#x0113;g&#x0115;n&#x0115; &#x2502; mutv&#x014D;ll.</l>
              </lg>
              <lb n="p1b_360.112"/>
              <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">II</hi>. <hi rendition="#g">Hexameter mit vier- und sechstaktigen Jamben</hi>.</hi> </p>
              <p><lb n="p1b_360.113"/><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Mit jambischen Viertaktern.</hi></p>
              <p>
                <lb n="p1b_360.114"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p>
              <p><lb n="p1b_360.115"/>
Rückert wählte nach Art der horazischen Epoden diese rhythmisch=wirkungsvolle <lb n="p1b_360.116"/>
Form zur Einleitung seines modernen Jdylls &#x201E;Wettgesang&#x201C;:</p>
              <lb n="p1b_360.117"/>
              <lg>
                <l>Heute belauscht' ich am Bach wetteifernde Hirtengesänge</l>
                <lb n="p1b_360.118"/>
                <l> &#x016C;nd schw&#x0113;l &#x2502; l&#x0115;nd h&#x014D;b &#x2502; s&#x012D;ch m&#x0113;i &#x2502; n&#x0115; Br&#x016B;st, &#x2502;</l>
                <lb n="p1b_360.119"/>
                <l>Beim anschmeichelnden Hauch einfältiger ländlicher Klänge,</l>
                <lb n="p1b_360.120"/>
                <l> Von Liebesleid und Sommerlust.</l>
                <lb n="p1b_360.121"/>
                <l>Kunstlos war der Gesang, auch prunklos waren die Singer,</l>
                <lb n="p1b_360.122"/>
                <l> Und selber schmucklos war die Flur;</l>
                <lb n="p1b_360.123"/>
                <l>Doch vom Himmel ein Glanz ward irdischer Mängel Bezwinger,</l>
                <lb n="p1b_360.124"/>
                <l> Jch sah verklärte Lichtnatur.</l>
                <lb n="p1b_360.125"/>
                <l>Hört, nicht wie es entsprang, wie mir in bezauberten Ohren</l>
                <lb n="p1b_360.126"/>
                <l> Das umgeborne Hirtenlied</l>
                <lb n="p1b_360.127"/>
                <l>Sein ursprüngliches Nackt im tönenden Schmucke verloren,</l>
                <lb n="p1b_360.128"/>
                <l> Und wie ich selbst den Streit entschied.</l>
              </lg>
              <p><lb n="p1b_360.129"/><hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">Mit jambischen Sechstaktern.</hi></p>
              <p>
                <lb n="p1b_360.130"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p>
              <lb n="p1b_360.131"/>
              <p rendition="#left"><foreign xml:lang="grc">&#x03B1;</foreign>.</p>
              <lg>
                <l>Horch, wie die Nachtluft weht durch die glänzenden Blätter des Eichbaums,</l>
                <lb n="p1b_360.132"/>
                <l> Und wie der Wächter dort im Dorf die Stunden zählt. </l>
              </lg>
              <lb n="p1b_360.133"/>
              <p rendition="#left"><foreign xml:lang="grc">&#x03B2;</foreign>.</p>
              <lg>
                <l>Schon ins zweite Geschlecht fortwütet die Fehde der Bürger,</l>
                <lb n="p1b_360.134"/>
                <l> Und Rom erliegt verblutend unter Römerhand.</l>
              </lg>
              <lb n="p1b_360.135"/>
              <p> <hi rendition="#right">(Geibels klass. Liederbuch S. 120.)</hi> </p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0394] p1b_360.001 Liebchen, woher und wohin p1b_360.002 Trägst du so lieblichen Duft, p1b_360.003 Sieh' her, mit liebendem Sinn p1b_360.004 Schönes, Geliebtes dich ruft. p1b_360.101 (Man beachte die fehlerhafte Accentverschiebung: p1b_360.102 Sieh her.) p1b_360.103 D. Weitere Verbindung des Hexameters mit anderen Versen. p1b_360.104 Neben der so bekannten und geläufigen Vermählung des Hexameters p1b_360.105 mit dem Pentameter finden wir ihn auch noch verbunden I. mit p1b_360.106 dem Tetrameter, II. mit vier- und sechstaktigen Jamben, III. mit dem p1b_360.107 archilochischen Verse. p1b_360.108 I. Hexameter und Tetrameter. p1b_360.109 Beispiel: p1b_360.110 Geld und Geräte fordert sogleich der Besiegende; allen p1b_360.111 Ērnstĕs vĕr │ lāngt's dĕr Vĕr │ wēgĕnĕ │ mutvōll. p1b_360.112 II. Hexameter mit vier- und sechstaktigen Jamben. p1b_360.113 a. Mit jambischen Viertaktern. p1b_360.114 Beispiele: p1b_360.115 Rückert wählte nach Art der horazischen Epoden diese rhythmisch=wirkungsvolle p1b_360.116 Form zur Einleitung seines modernen Jdylls „Wettgesang“: p1b_360.117 Heute belauscht' ich am Bach wetteifernde Hirtengesänge p1b_360.118 Ŭnd schwēl │ lĕnd hōb │ sĭch mēi │ nĕ Brūst, │ p1b_360.119 Beim anschmeichelnden Hauch einfältiger ländlicher Klänge, p1b_360.120 Von Liebesleid und Sommerlust. p1b_360.121 Kunstlos war der Gesang, auch prunklos waren die Singer, p1b_360.122 Und selber schmucklos war die Flur; p1b_360.123 Doch vom Himmel ein Glanz ward irdischer Mängel Bezwinger, p1b_360.124 Jch sah verklärte Lichtnatur. p1b_360.125 Hört, nicht wie es entsprang, wie mir in bezauberten Ohren p1b_360.126 Das umgeborne Hirtenlied p1b_360.127 Sein ursprüngliches Nackt im tönenden Schmucke verloren, p1b_360.128 Und wie ich selbst den Streit entschied. p1b_360.129 b. Mit jambischen Sechstaktern. p1b_360.130 Beispiele: p1b_360.131 α. Horch, wie die Nachtluft weht durch die glänzenden Blätter des Eichbaums, p1b_360.132 Und wie der Wächter dort im Dorf die Stunden zählt. p1b_360.133 β. Schon ins zweite Geschlecht fortwütet die Fehde der Bürger, p1b_360.134 Und Rom erliegt verblutend unter Römerhand. p1b_360.135 (Geibels klass. Liederbuch S. 120.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/394
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/394>, abgerufen am 25.11.2024.