Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_359.001 p1b_359.003 p1b_359.006 Als nach neuer Musik das versammelte Volk im Theater p1b_359.008 Laut mit Geklatsch rings her jubelte Preis und Triumph, p1b_359.009 Trat der Chorag unwillig hervor: Was, Männer, geschah hier? p1b_359.010 Sicher ein arges Vergehn, weil es so vielen behagt. (Voß.) p1b_359.011 p1b_359.017 p1b_359.021 p1b_359.022 Jmmer zu wandeln allein! rief einst der Hexameter klagend, p1b_359.024 Echo tönte zurück: Jmmer zu wandeln allein! p1b_359.025 Und von der Nymphe belehrt, erzeugt er sich selbst den Gefährten, p1b_359.026 Zweimal sprechend das Wort: Jmmer zu wandeln allein. (Gotthold.) p1b_359.027 Weil der Hexameter episches Maß der Hellenen gewesen, p1b_359.028 Glaubst du, es sei deshalb Deutschen ein episches Maß? p1b_359.029 Nicht doch! folge des Wissenden Rat: Zu geringen Gedichten p1b_359.030 Wend ihn an! Klopstock || irrte wie viele mit ihm. (Platen.) p1b_359.031 Möge die Welt durchstreifen der herrliche Dulder Odysseus; p1b_359.038 Kehrt er zurück, weh euch: || wehe dem Freiergeschlecht. p1b_359.039 p1b_359.040 p1b_359.001 p1b_359.003 p1b_359.006 Als nach neuer Musik das versammelte Volk im Theater p1b_359.008 Laut mit Geklatsch rings her jubelte Preis und Triumph, p1b_359.009 Trat der Chorag unwillig hervor: Was, Männer, geschah hier? p1b_359.010 Sicher ein arges Vergehn, weil es so vielen behagt. (Voß.) p1b_359.011 p1b_359.017 p1b_359.021 p1b_359.022 Jmmer zu wandeln allein! rief einst der Hexameter klagend, p1b_359.024 Echo tönte zurück: Jmmer zu wandeln allein! p1b_359.025 Und von der Nymphe belehrt, erzeugt er sich selbst den Gefährten, p1b_359.026 Zweimal sprechend das Wort: Jmmer zu wandeln allein. (Gotthold.) p1b_359.027 Weil der Hexameter episches Maß der Hellenen gewesen, p1b_359.028 Glāubst dŭ, ĕs sēi dēshā́lb Deutschen ein episches Maß? p1b_359.029 Nicht doch! folge des Wissenden Rat: Zu geringen Gedichten p1b_359.030 Wēnd īhn ān! Klōpstṓck ‖ irrte wie viele mit ihm. (Platen.) p1b_359.031 Möge die Welt durchstreifen der herrliche Dulder Odysseus; p1b_359.038 Kehrt er zurück, wēh ḗuch: ‖ wehe dem Freiergeschlecht. p1b_359.039 p1b_359.040 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0393" n="359"/><lb n="p1b_359.001"/> die Distichen „Macht des Weibes“, für letzteren die Distichen „Vier Jahreszeiten“ <lb n="p1b_359.002"/> beweisen.</p> <p><lb n="p1b_359.003"/> Die Verbindung zweier Distichen zu einer Strophe erstrebten viele Dichter, <lb n="p1b_359.004"/> besonders Rückert (vgl. Ges.=Ausg. <hi rendition="#aq">V</hi>. 62) und Voß. Bronislaw (vgl. Die <lb n="p1b_359.005"/> Bauhütte 1874. S. 176) reimt den letzten Pentameter seiner Doppeldistichen.</p> <p> <lb n="p1b_359.006"/> <hi rendition="#g">Beispiel einer Distichenstrophe:</hi> </p> <lb n="p1b_359.007"/> <lg> <l>Als nach neuer Musik das versammelte Volk im Theater</l> <lb n="p1b_359.008"/> <l> Laut mit Geklatsch rings her jubelte Preis und Triumph,</l> <lb n="p1b_359.009"/> <l>Trat der Chorag unwillig hervor: Was, Männer, geschah hier?</l> <lb n="p1b_359.010"/> <l> Sicher ein arges Vergehn, weil es so vielen behagt.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Voß.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_359.011"/> Schon vor Gottsched wurden Strophen aus elegischen Distichen öfters mit <lb n="p1b_359.012"/> dem Reim versehen, was uns überflüssig, ja, gewagt erscheint und zwar im <lb n="p1b_359.013"/> Hinblick auf den charakteristischen Rhythmus, der unsere ganze Aufmerksamkeit <lb n="p1b_359.014"/> absorbiert. W. Wackernagel weist solche gereimte Distichenstrophen nach in <lb n="p1b_359.015"/> Kl. Schriften 1873, S. 54. 57. 59. 60. Der Reim erscheint hier wie ein <lb n="p1b_359.016"/> rhythmushemmendes Bleigewicht.</p> <p><lb n="p1b_359.017"/> Andernteils bedingt der weibliche Reim den Fortfall von Spondeen, die <lb n="p1b_359.018"/> doch durch ihre leichtartige Doppeltönigkeit für die Lautmalerei sehr dienstlich sich <lb n="p1b_359.019"/> erweisen können und auch sonst den sechsten Takt gewichtiger und markanter <lb n="p1b_359.020"/> erscheinen lassen als Trochäen.</p> <p> <lb n="p1b_359.021"/> <hi rendition="#g">Weitere Beispiele des Pentameter:</hi> </p> <p><lb n="p1b_359.022"/><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Pentameter in Verbindung mit dem Hexameter (Distichen.</hi>)</p> <lb n="p1b_359.023"/> <lg> <l>Jmmer zu wandeln allein! rief einst der Hexameter klagend,</l> <lb n="p1b_359.024"/> <l> Echo tönte zurück: Jmmer zu wandeln allein!</l> <lb n="p1b_359.025"/> <l>Und von der Nymphe belehrt, erzeugt er sich selbst den Gefährten,</l> <lb n="p1b_359.026"/> <l> Zweimal sprechend das Wort: Jmmer zu wandeln allein. (Gotthold.) </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_359.027"/> <l>Weil der Hexameter episches Maß der Hellenen gewesen,</l> <lb n="p1b_359.028"/> <l>Glāubst dŭ, ĕs sēi dēshā́lb Deutschen ein episches Maß?</l> <lb n="p1b_359.029"/> <l>Nicht doch! folge des Wissenden Rat: Zu geringen Gedichten</l> <lb n="p1b_359.030"/> <l> Wēnd īhn ān! Klōpstṓck ‖ irrte wie viele mit ihm.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Platen.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_359.031"/> (Die Worte „dḗshālb“ und „Klṓpstōck“ erhalten hier eine ebenso undeutsche <lb n="p1b_359.032"/> Accentverschiebung als das Wort „Dḗutschlānd“ in dem Distichon, welches <lb n="p1b_359.033"/> Goethes „Hermann“ anerkennt.) <hi rendition="#g">Platen versichert, nie ein richtig <lb n="p1b_359.034"/> gebautes Distichon gelesen zu haben,</hi> und giebt das nachstehende als <lb n="p1b_359.035"/> Probe eines guten, wobei aber doch auch die undeutsche Accentverschiebung <lb n="p1b_359.036"/> „<hi rendition="#g">wēh ḗuch</hi>“ zu rügen ist.</p> <lb n="p1b_359.037"/> <lg> <l>Möge die Welt durchstreifen der herrliche Dulder Odysseus;</l> <lb n="p1b_359.038"/> <l>Kehrt er zurück, wēh ḗuch: ‖ wehe dem Freiergeschlecht.</l> </lg> <p><lb n="p1b_359.039"/><hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">Pentameter selbständig, in gebrochenen Verszeilen.</hi></p> <p><lb n="p1b_359.040"/> Man begegnet in einzelnen Ausnahmsfällen Pentametern, welche in zwei <lb n="p1b_359.041"/> Zeilen geschrieben und gereimt sind. Man faßt dann die einzelnen Zeilen als <lb n="p1b_359.042"/> katalektische daktylische Dreitakter auf. Vgl. das Gedicht von Wessenberg:</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [359/0393]
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die Distichen „Macht des Weibes“, für letzteren die Distichen „Vier Jahreszeiten“ p1b_359.002
beweisen.
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Die Verbindung zweier Distichen zu einer Strophe erstrebten viele Dichter, p1b_359.004
besonders Rückert (vgl. Ges.=Ausg. V. 62) und Voß. Bronislaw (vgl. Die p1b_359.005
Bauhütte 1874. S. 176) reimt den letzten Pentameter seiner Doppeldistichen.
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Beispiel einer Distichenstrophe:
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Als nach neuer Musik das versammelte Volk im Theater p1b_359.008
Laut mit Geklatsch rings her jubelte Preis und Triumph, p1b_359.009
Trat der Chorag unwillig hervor: Was, Männer, geschah hier? p1b_359.010
Sicher ein arges Vergehn, weil es so vielen behagt.
(Voß.)
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Schon vor Gottsched wurden Strophen aus elegischen Distichen öfters mit p1b_359.012
dem Reim versehen, was uns überflüssig, ja, gewagt erscheint und zwar im p1b_359.013
Hinblick auf den charakteristischen Rhythmus, der unsere ganze Aufmerksamkeit p1b_359.014
absorbiert. W. Wackernagel weist solche gereimte Distichenstrophen nach in p1b_359.015
Kl. Schriften 1873, S. 54. 57. 59. 60. Der Reim erscheint hier wie ein p1b_359.016
rhythmushemmendes Bleigewicht.
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Andernteils bedingt der weibliche Reim den Fortfall von Spondeen, die p1b_359.018
doch durch ihre leichtartige Doppeltönigkeit für die Lautmalerei sehr dienstlich sich p1b_359.019
erweisen können und auch sonst den sechsten Takt gewichtiger und markanter p1b_359.020
erscheinen lassen als Trochäen.
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Weitere Beispiele des Pentameter:
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a. Pentameter in Verbindung mit dem Hexameter (Distichen.)
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Jmmer zu wandeln allein! rief einst der Hexameter klagend, p1b_359.024
Echo tönte zurück: Jmmer zu wandeln allein! p1b_359.025
Und von der Nymphe belehrt, erzeugt er sich selbst den Gefährten, p1b_359.026
Zweimal sprechend das Wort: Jmmer zu wandeln allein. (Gotthold.)
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Weil der Hexameter episches Maß der Hellenen gewesen, p1b_359.028
Glāubst dŭ, ĕs sēi dēshā́lb Deutschen ein episches Maß? p1b_359.029
Nicht doch! folge des Wissenden Rat: Zu geringen Gedichten p1b_359.030
Wēnd īhn ān! Klōpstṓck ‖ irrte wie viele mit ihm.
(Platen.)
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(Die Worte „dḗshālb“ und „Klṓpstōck“ erhalten hier eine ebenso undeutsche p1b_359.032
Accentverschiebung als das Wort „Dḗutschlānd“ in dem Distichon, welches p1b_359.033
Goethes „Hermann“ anerkennt.) Platen versichert, nie ein richtig p1b_359.034
gebautes Distichon gelesen zu haben, und giebt das nachstehende als p1b_359.035
Probe eines guten, wobei aber doch auch die undeutsche Accentverschiebung p1b_359.036
„wēh ḗuch“ zu rügen ist.
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Möge die Welt durchstreifen der herrliche Dulder Odysseus; p1b_359.038
Kehrt er zurück, wēh ḗuch: ‖ wehe dem Freiergeschlecht.
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b. Pentameter selbständig, in gebrochenen Verszeilen.
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Man begegnet in einzelnen Ausnahmsfällen Pentametern, welche in zwei p1b_359.041
Zeilen geschrieben und gereimt sind. Man faßt dann die einzelnen Zeilen als p1b_359.042
katalektische daktylische Dreitakter auf. Vgl. das Gedicht von Wessenberg:
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