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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Schlecht ist ein | solcher He | xameter, || wenn gleich | richtig ge | teilet. p1b_352.002
Eben so | fehlerhaft || ist ein ge | drittelter. || Urteile | selber.

p1b_352.003
Vernachlässigung der Cäsur zeigen folgende Hexameter Platens:

p1b_352.004
[Beginn Spaltensatz]
Jegliche | Silbe ver | rate den | Dichter, || wo | fern er es | ganz ist. p1b_352.005
Hast du der | felsenum | günrteten | Jnnsel || Ge | stade ge | sehen? p1b_352.006
Himmel und | Meer wett | eiferten || Alles ent | zünckte das | Auge.
[Spaltenumbruch]

p1b_352.101
Die weibl. Cäsur p1b_352.102
im 4 Daktylus p1b_352.103
nennt A. W. p1b_352.104
Schlegel (Werke p1b_352.105
III. 24.) "durchaus p1b_352.106
unstatthaft".

[Ende Spaltensatz]

p1b_352.107
4. Feinheiten im Hexameter. Zu den schönsten Hexametern wird - p1b_352.108
weniger wegen seiner fehlerhaften Accentverlegung - als wegen seines männlichen, p1b_352.109
weiblichen und daktylischen Schlußfalls der folgende gerechnet:

p1b_352.110
Jnmmer noch | bleibt Vor | bild || der un | sterbliche | Sännger Hom | eros.

p1b_352.111
(Bei Vorbild findet hier mit Rücksicht auf den Versrhythmus eine undeutsche p1b_352.112
Accentverschiebung statt.)

p1b_352.113
Der Gang (allure), die Bewegung des Hexameters, wird durch die p1b_352.114
Satztakte bestimmt. Am anmutigsten ist der anapästische Gang, weil hier die p1b_352.115
Satztakte am häufigsten von den Verstakten durchschnitten werden, z. B.

p1b_352.116
Strebe zum Licht | eh' die Nacht und der Tod und das Grab dich umschatten.

p1b_352.117
Auf diesen schönen Hexameter passen Schillers Worte:

p1b_352.118
Schwindelnd | trängt er dich | fort || auf | rastlos | stromenden | Wogen; p1b_352.119
Hinter dir | siehst du, du | siehst || vor dir nur | Himmel und | Meer.

p1b_352.120
Lauter spondeische oder lauter daktylische Satztakte sind unschön, weil sie p1b_352.121
eben lauter trennende Diäresen ergeben, z. B.

p1b_352.122
Himmlische | Siegerin, | gottliche | Kriegerin, | glorreiche | Fünrstin.

p1b_352.123
Erst in der künstlerischen Wahl und Abwechslung der Satztakte liegt die p1b_352.124
Schönheit des Verses. Man vgl. die im Kapitel von der rhythmischen Malerei p1b_352.125
gegebenen Beispiele (s. § 93). Mehr als zwei Wortdaktylen sollte schon die p1b_352.126
Beachtung der vorgeschriebenen Cäsuren verbieten. (Vgl. S. 286. d. B.)

p1b_352.127
5. Der Trochäus im Hexameter. Einige Gelehrte und Dichter (z. B. p1b_352.128
A. W. Schlegel, Werke III. 20) haben sich gegen Anwendung des Trochäus p1b_352.129
(an Stelle des Spondeus) erklärt. So hat A. W. Schlegel in seinem Gedicht p1b_352.130
"Rom" den Trochäus ganz auszuschließen gesucht. Ein Gleiches hat p1b_352.131
Wolf in seinen Proben einer neuen Übersetzung der Odyssee in p1b_352.132
Hexametern
erstrebt.

p1b_352.133
Westphal meint, daß der Hexameter aufhöre, ein griechischer Hexameter p1b_352.134
zu sein, wenn man auf die lange Silbe eine kurze folgen lasse, wenn p1b_352.135
man also einen Trochäus einfüge. Jch glaube, daß Schlegel, Wolf und p1b_352.136
Westphal schon deshalb im Unrecht sind, weil man beim Recitieren dem Trochäus p1b_352.137
genau dieselbe Zeitdauer zu geben hat, als der Daktylus beansprucht p1b_352.138
[Musik] Trochäen, namentlich wenn sie durch eine weibliche

p1b_352.001
Schlēcht ĭst ĕin │ sōlchĕr Hĕ │ xāmĕtĕr, ‖ wēnn glēich │ rīchtĭg gĕ │ tēilet. p1b_352.002
Ēbĕn sŏ │ fēhlĕrhăft ‖ īst ĕin gĕ │ drīttĕltĕr. ‖ Ūrtĕilĕ │ sēlbĕr.

p1b_352.003
Vernachlässigung der Cäsur zeigen folgende Hexameter Platens:

p1b_352.004
[Beginn Spaltensatz]
Jēglĭchĕ │ Sīlbĕ vĕr │ rātĕ dĕn │ Dīchtĕr, ‖ wŏ │ fērn ĕr ĕs │ gānz īst. p1b_352.005
Hāst dŭ dĕr │ fēlsĕnŭm │ gǖrtĕtĕn │ J̄nsĕl ‖ Gĕ │ stādĕ gĕ │ sēhĕn? p1b_352.006
Hīmmĕl ŭnd │ Mēer wētt │ ēifĕrtĕn ‖ Āllĕs ĕnt │ zǖcktĕ dăs │ Aūgĕ.
[Spaltenumbruch]

p1b_352.101
Die weibl. Cäsur p1b_352.102
im 4 Daktylus p1b_352.103
nennt A. W. p1b_352.104
Schlegel (Werke p1b_352.105
III. 24.) „durchaus p1b_352.106
unstatthaft“.

[Ende Spaltensatz]

p1b_352.107
4. Feinheiten im Hexameter. Zu den schönsten Hexametern wird ─ p1b_352.108
weniger wegen seiner fehlerhaften Accentverlegung ─ als wegen seines männlichen, p1b_352.109
weiblichen und daktylischen Schlußfalls der folgende gerechnet:

p1b_352.110
J̄mmĕr nŏch │ blḗibt Vōr │ bī́ld ‖ dĕr ŭn │ stērblĭchĕ │ Sǟngĕr Hŏm │ ērōs.

p1b_352.111
(Bei Vṓrbīld findet hier mit Rücksicht auf den Versrhythmus eine undeutsche p1b_352.112
Accentverschiebung statt.)

p1b_352.113
Der Gang (allure), die Bewegung des Hexameters, wird durch die p1b_352.114
Satztakte bestimmt. Am anmutigsten ist der anapästische Gang, weil hier die p1b_352.115
Satztakte am häufigsten von den Verstakten durchschnitten werden, z. B.

p1b_352.116
Strēbĕ zŭm Līcht │ ĕh' dĭe Nācht ŭnd dĕr Tōd ŭnd dăs Grāb dĭch ŭmschātten.

p1b_352.117
Auf diesen schönen Hexameter passen Schillers Worte:

p1b_352.118
Schwīndēlnd │ trǟgt ĕr dĭch │ fōrt ‖ āuf │ rāstlōs │ strȫmĕndĕn │ Wōgĕn; p1b_352.119
Hīntĕr dĭr │ sīehst dŭ, dŭ │ sīehst ‖ vōr dĭr nŭr │ Hīmmĕl ŭnd │ Mēer.

p1b_352.120
Lauter spondeische oder lauter daktylische Satztakte sind unschön, weil sie p1b_352.121
eben lauter trennende Diäresen ergeben, z. B.

p1b_352.122
Hīmmlĭschĕ │ Sīegĕrĭn, │ gȫttlĭchĕ │ Krīegĕrĭn, │ glōrrĕichĕ │ Fǖrstĭn.

p1b_352.123
Erst in der künstlerischen Wahl und Abwechslung der Satztakte liegt die p1b_352.124
Schönheit des Verses. Man vgl. die im Kapitel von der rhythmischen Malerei p1b_352.125
gegebenen Beispiele (s. § 93). Mehr als zwei Wortdaktylen sollte schon die p1b_352.126
Beachtung der vorgeschriebenen Cäsuren verbieten. (Vgl. S. 286. d. B.)

p1b_352.127
5. Der Trochäus im Hexameter. Einige Gelehrte und Dichter (z. B. p1b_352.128
A. W. Schlegel, Werke III. 20) haben sich gegen Anwendung des Trochäus p1b_352.129
(an Stelle des Spondeus) erklärt. So hat A. W. Schlegel in seinem Gedicht p1b_352.130
„Rom“ den Trochäus ganz auszuschließen gesucht. Ein Gleiches hat p1b_352.131
Wolf in seinen Proben einer neuen Übersetzung der Odyssee in p1b_352.132
Hexametern
erstrebt.

p1b_352.133
Westphal meint, daß der Hexameter aufhöre, ein griechischer Hexameter p1b_352.134
zu sein, wenn man auf die lange Silbe eine kurze folgen lasse, wenn p1b_352.135
man also einen Trochäus einfüge. Jch glaube, daß Schlegel, Wolf und p1b_352.136
Westphal schon deshalb im Unrecht sind, weil man beim Recitieren dem Trochäus p1b_352.137
genau dieselbe Zeitdauer zu geben hat, als der Daktylus beansprucht p1b_352.138
[Musik] Trochäen, namentlich wenn sie durch eine weibliche

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[352/0386] p1b_352.001 Schlēcht ĭst ĕin │ sōlchĕr Hĕ │ xāmĕtĕr, ‖ wēnn glēich │ rīchtĭg gĕ │ tēilet. p1b_352.002 Ēbĕn sŏ │ fēhlĕrhăft ‖ īst ĕin gĕ │ drīttĕltĕr. ‖ Ūrtĕilĕ │ sēlbĕr. p1b_352.003 Vernachlässigung der Cäsur zeigen folgende Hexameter Platens: p1b_352.004 Jēglĭchĕ │ Sīlbĕ vĕr │ rātĕ dĕn │ Dīchtĕr, ‖ wŏ │ fērn ĕr ĕs │ gānz īst. p1b_352.005 Hāst dŭ dĕr │ fēlsĕnŭm │ gǖrtĕtĕn │ J̄nsĕl ‖ Gĕ │ stādĕ gĕ │ sēhĕn? p1b_352.006 Hīmmĕl ŭnd │ Mēer wētt │ ēifĕrtĕn ‖ Āllĕs ĕnt │ zǖcktĕ dăs │ Aūgĕ. p1b_352.101 Die weibl. Cäsur p1b_352.102 im 4 Daktylus p1b_352.103 nennt A. W. p1b_352.104 Schlegel (Werke p1b_352.105 III. 24.) „durchaus p1b_352.106 unstatthaft“. p1b_352.107 4. Feinheiten im Hexameter. Zu den schönsten Hexametern wird ─ p1b_352.108 weniger wegen seiner fehlerhaften Accentverlegung ─ als wegen seines männlichen, p1b_352.109 weiblichen und daktylischen Schlußfalls der folgende gerechnet: p1b_352.110 J̄mmĕr nŏch │ blḗibt Vōr │ bī́ld ‖ dĕr ŭn │ stērblĭchĕ │ Sǟngĕr Hŏm │ ērōs. p1b_352.111 (Bei Vṓrbīld findet hier mit Rücksicht auf den Versrhythmus eine undeutsche p1b_352.112 Accentverschiebung statt.) p1b_352.113 Der Gang (allure), die Bewegung des Hexameters, wird durch die p1b_352.114 Satztakte bestimmt. Am anmutigsten ist der anapästische Gang, weil hier die p1b_352.115 Satztakte am häufigsten von den Verstakten durchschnitten werden, z. B. p1b_352.116 Strēbĕ zŭm Līcht │ ĕh' dĭe Nācht ŭnd dĕr Tōd ŭnd dăs Grāb dĭch ŭmschātten. p1b_352.117 Auf diesen schönen Hexameter passen Schillers Worte: p1b_352.118 Schwīndēlnd │ trǟgt ĕr dĭch │ fōrt ‖ āuf │ rāstlōs │ strȫmĕndĕn │ Wōgĕn; p1b_352.119 Hīntĕr dĭr │ sīehst dŭ, dŭ │ sīehst ‖ vōr dĭr nŭr │ Hīmmĕl ŭnd │ Mēer. p1b_352.120 Lauter spondeische oder lauter daktylische Satztakte sind unschön, weil sie p1b_352.121 eben lauter trennende Diäresen ergeben, z. B. p1b_352.122 Hīmmlĭschĕ │ Sīegĕrĭn, │ gȫttlĭchĕ │ Krīegĕrĭn, │ glōrrĕichĕ │ Fǖrstĭn. p1b_352.123 Erst in der künstlerischen Wahl und Abwechslung der Satztakte liegt die p1b_352.124 Schönheit des Verses. Man vgl. die im Kapitel von der rhythmischen Malerei p1b_352.125 gegebenen Beispiele (s. § 93). Mehr als zwei Wortdaktylen sollte schon die p1b_352.126 Beachtung der vorgeschriebenen Cäsuren verbieten. (Vgl. S. 286. d. B.) p1b_352.127 5. Der Trochäus im Hexameter. Einige Gelehrte und Dichter (z. B. p1b_352.128 A. W. Schlegel, Werke III. 20) haben sich gegen Anwendung des Trochäus p1b_352.129 (an Stelle des Spondeus) erklärt. So hat A. W. Schlegel in seinem Gedicht p1b_352.130 „Rom“ den Trochäus ganz auszuschließen gesucht. Ein Gleiches hat p1b_352.131 Wolf in seinen Proben einer neuen Übersetzung der Odyssee in p1b_352.132 Hexametern erstrebt. p1b_352.133 Westphal meint, daß der Hexameter aufhöre, ein griechischer Hexameter p1b_352.134 zu sein, wenn man auf die lange Silbe eine kurze folgen lasse, wenn p1b_352.135 man also einen Trochäus einfüge. Jch glaube, daß Schlegel, Wolf und p1b_352.136 Westphal schon deshalb im Unrecht sind, weil man beim Recitieren dem Trochäus p1b_352.137 genau dieselbe Zeitdauer zu geben hat, als der Daktylus beansprucht p1b_352.138 [Abbildung] Trochäen, namentlich wenn sie durch eine weibliche

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/386>, abgerufen am 25.11.2024.