Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_338.001 p1b_338.002 p1b_338.007 p1b_338.010 Blick ich zurünck, was ich habe gestrebt, was ich habe geleistet, p1b_338.012 p1b_338.013Kaum hat, was mir die Mus' eingab, die Gemünter berünhret. (Rückert.) p1b_338.014Also erzählte der Fischer und endigte seine Geschichte. p1b_338.015 p1b_338.018Ernstlicher Miene versetzte darauf der Befragte mit Schalkheit: p1b_338.016 Besser verborgen ist Manches dem Menschen, denn daß er es wisse, p1b_338.017 Sagt ein vortrefflicher Lehrer, Ambrosius, wenn es mir recht ist. (Ed. Mörike, Jdylle vom Bodensee.) p1b_338.019 7. Siebentaktige daktylische Verse (daktylische Siebentakter). p1b_338.020 p1b_338.027 Unter malajischem, duftende Nelkenbüsche besuchendem Hauche, p1b_338.029 Unter dem bienenumschwärmten, von Kokilas Rufen ertönenden Strauche, p1b_338.030 Hari nun spielet im Lenze, dem frohen, (4taktig) p1b_338.031 Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen. p1b_338.032 Mächtig vom Schauer der Wonne geschüttert, vom Pulse der Liebe durchzittert, p1b_338.033 Rings von dem Strahlengewebe juwelenen Schmuckes die Glieder umflittert, p1b_338.034 Hari, den einzig holden, der lang ersehnt die Vereinung, (6taktig) p1b_338.035 Sah sie nun, ihn mit den lustaussprechenden Mienen, Anangas Erscheinung. p1b_338.036 p1b_338.037 p1b_338.039 Über den Eichwald, über die Kornflur, || über den grüngekräuselten See, p1b_338.041
Über des Abgrunds dunkelnde Tiefen, || über der Gletscher blendenden Schnee p1b_338.042 Schreit' ich als Rächerin, schreit' ich die ewige || Tochter der ewigen Mutter der Nacht, p1b_338.043 Rufe den Wehruf über den Frevler || und der Orkan in den Lüften erwacht. p1b_338.001 p1b_338.002 p1b_338.007 p1b_338.010 Blīck ĭch zŭrǖck, wăs ĭch hābĕ gĕstrēbt, wăs ĭch hābĕ gĕlēistĕt, p1b_338.012 p1b_338.013Kāum hāt, wās mĭr dĭe Mūs' ēingāb, dĭe Gĕmǖtĕr bĕrǖhrĕt. (Rückert.) p1b_338.014Also erzählte der Fischer und endigte seine Geschichte. p1b_338.015 p1b_338.018Ernstlicher Miene versetzte darauf der Befragte mit Schalkheit: p1b_338.016 Besser verborgen ist Manches dem Menschen, denn daß er es wisse, p1b_338.017 Sagt ein vortrefflicher Lehrer, Ambrosius, wenn es mir recht ist. (Ed. Mörike, Jdylle vom Bodensee.) p1b_338.019 7. Siebentaktige daktylische Verse (daktylische Siebentakter). p1b_338.020 p1b_338.027 Unter malajischem, duftende Nelkenbüsche besuchendem Hauche, p1b_338.029 Unter dem bienenumschwärmten, von Kokilas Rufen ertönenden Strauche, p1b_338.030 Hari nun spielet im Lenze, dem frohen, (4taktig) p1b_338.031 Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen. p1b_338.032 Mächtig vom Schauer der Wonne geschüttert, vom Pulse der Liebe durchzittert, p1b_338.033 Rings von dem Strahlengewebe juwelenen Schmuckes die Glieder umflittert, p1b_338.034 Hari, den einzig holden, der lang ersehnt die Vereinung, (6taktig) p1b_338.035 Sah sie nun, ihn mit den lustaussprechenden Mienen, Anangas Erscheinung. p1b_338.036 p1b_338.037 p1b_338.039 Über den Eichwald, über die Kornflur, ‖ über den grüngekräuselten See, p1b_338.041
Über des Abgrunds dunkelnde Tiefen, ‖ über der Gletscher blendenden Schnee p1b_338.042 Schreit' ich als Rächerin, schreit' ich die ewige ‖ Tochter der ewigen Mutter der Nacht, p1b_338.043 Rufe den Wehruf über den Frevler ‖ und der Orkan in den Lüften erwacht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0372" n="338"/> </div> <div n="4"> <p><lb n="p1b_338.001"/> 6. Sechstaktiger daktylischer Vers (daktylischer Sechstakter).</p> <p><lb n="p1b_338.002"/> Er ist der daktylische Hexameter. Neben ihm besteht der gebräuchliche, <lb n="p1b_338.003"/> mit Spondeen gemischte, sog. <hi rendition="#g">heroische</hi> Hexameter, den wir <lb n="p1b_338.004"/> wegen seiner hohen Bedeutung, und weil er meist nicht reiner daktylischer <lb n="p1b_338.005"/> Sechstakter ist, weiter unten im § 115 ausführlich behandeln <lb n="p1b_338.006"/> werden.</p> <p><lb n="p1b_338.007"/> Es giebt kaum ein Gedicht, das ganz aus daktylischen Hexametern besteht; <lb n="p1b_338.008"/> in der Regel sind Spondeen oder Trochäen eingemischt. Der 6. Takt ist jederzeit <lb n="p1b_338.009"/> katalektisch, um den in's Rollen gekommenen Fluß zu hemmen.</p> <p> <lb n="p1b_338.010"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <lb n="p1b_338.011"/> <lg> <l>Blīck ĭch zŭrǖck, wăs ĭch hābĕ gĕstrēbt, wăs ĭch hābĕ gĕlēistĕt,</l> <lb n="p1b_338.012"/> <l>Kāum hāt, wās mĭr dĭe Mūs' ēingāb, dĭe Gĕmǖtĕr bĕrǖhrĕt.</l> </lg> <lb n="p1b_338.013"/> <p> <hi rendition="#right">(Rückert.)</hi> </p> <lb n="p1b_338.014"/> <lg> <l>Also erzählte der Fischer und endigte seine Geschichte.</l> <lb n="p1b_338.015"/> <l>Ernstlicher Miene versetzte darauf der Befragte mit Schalkheit:</l> <lb n="p1b_338.016"/> <l>Besser verborgen ist Manches dem Menschen, denn daß er es wisse,</l> <lb n="p1b_338.017"/> <l>Sagt ein vortrefflicher Lehrer, Ambrosius, wenn es mir recht ist.</l> </lg> <lb n="p1b_338.018"/> <p> <hi rendition="#right">(Ed. Mörike, Jdylle vom Bodensee.)</hi> </p> </div> <div n="4"> <lb n="p1b_338.019"/> <head>7. Siebentaktige daktylische Verse (daktylische Siebentakter). </head> <p><lb n="p1b_338.020"/> Sie kommen sehr selten vor. Unter Anderm finden sie sich in <lb n="p1b_338.021"/> Rückerts, durch Jolowiczs Polyglotte (Leipzig 1856) bekannt gewordenen <lb n="p1b_338.022"/> Übersetzung des Liebesidylls „<hi rendition="#g">Gita-Gowinda</hi>“ mit seinen großblumigen, <lb n="p1b_338.023"/> in üppigster Wort- und Bilderfülle prangenden Versen, in <lb n="p1b_338.024"/> welchen die Reime spielerisch klingen wie die Schellen an den Füßen <lb n="p1b_338.025"/> der gottgeliebten Schönen. Meist wechseln sie mit wenigertaktigen <lb n="p1b_338.026"/> Daktylen ab.</p> <p> <lb n="p1b_338.027"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <lb n="p1b_338.028"/> <lg> <l>Unter malajischem, duftende Nelkenbüsche besuchendem Hauche,</l> <lb n="p1b_338.029"/> <l>Unter dem bienenumschwärmten, von Kokilas Rufen ertönenden Strauche,</l> <lb n="p1b_338.030"/> <l> Hari nun spielet im Lenze, dem frohen, (4taktig)</l> <lb n="p1b_338.031"/> <l> Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_338.032"/> <l>Mächtig vom Schauer der Wonne geschüttert, vom Pulse der Liebe durchzittert,</l> <lb n="p1b_338.033"/> <l>Rings von dem Strahlengewebe juwelenen Schmuckes die Glieder umflittert,</l> <lb n="p1b_338.034"/> <l> Hari, den einzig holden, der lang ersehnt die Vereinung, (6taktig)</l> <lb n="p1b_338.035"/> <l> Sah sie nun, ihn mit den lustaussprechenden Mienen, Anangas Erscheinung.</l> </lg> </div> <div n="4"> <p><lb n="p1b_338.036"/> 8. Achttaktige daktylische Verse (daktylische Achttakter).</p> <p><lb n="p1b_338.037"/> Sie kommen meist mit Spondeen und Trochäen vermischt vor <lb n="p1b_338.038"/> und haben nach dem 4. Fuß eine stehende Diärese.</p> <p> <lb n="p1b_338.039"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <lb n="p1b_338.040"/> <lg> <l>Über den Eichwald, über die Kornflur, ‖ über den grüngekräuselten See,</l> <lb n="p1b_338.041"/> <l>Über des Abgrunds dunkelnde Tiefen, ‖ über der Gletscher blendenden Schnee</l> <lb n="p1b_338.042"/> <l>Schreit' ich als Rächerin, schreit' ich die ewige ‖ Tochter der ewigen Mutter der Nacht,</l> <lb n="p1b_338.043"/> <l>Rufe den Wehruf über den Frevler ‖ und der Orkan in den Lüften erwacht.</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [338/0372]
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6. Sechstaktiger daktylischer Vers (daktylischer Sechstakter).
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Er ist der daktylische Hexameter. Neben ihm besteht der gebräuchliche, p1b_338.003
mit Spondeen gemischte, sog. heroische Hexameter, den wir p1b_338.004
wegen seiner hohen Bedeutung, und weil er meist nicht reiner daktylischer p1b_338.005
Sechstakter ist, weiter unten im § 115 ausführlich behandeln p1b_338.006
werden.
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Es giebt kaum ein Gedicht, das ganz aus daktylischen Hexametern besteht; p1b_338.008
in der Regel sind Spondeen oder Trochäen eingemischt. Der 6. Takt ist jederzeit p1b_338.009
katalektisch, um den in's Rollen gekommenen Fluß zu hemmen.
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Beispiele:
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Blīck ĭch zŭrǖck, wăs ĭch hābĕ gĕstrēbt, wăs ĭch hābĕ gĕlēistĕt, p1b_338.012
Kāum hāt, wās mĭr dĭe Mūs' ēingāb, dĭe Gĕmǖtĕr bĕrǖhrĕt.
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(Rückert.)
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Also erzählte der Fischer und endigte seine Geschichte. p1b_338.015
Ernstlicher Miene versetzte darauf der Befragte mit Schalkheit: p1b_338.016
Besser verborgen ist Manches dem Menschen, denn daß er es wisse, p1b_338.017
Sagt ein vortrefflicher Lehrer, Ambrosius, wenn es mir recht ist.
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(Ed. Mörike, Jdylle vom Bodensee.)
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7. Siebentaktige daktylische Verse (daktylische Siebentakter). p1b_338.020
Sie kommen sehr selten vor. Unter Anderm finden sie sich in p1b_338.021
Rückerts, durch Jolowiczs Polyglotte (Leipzig 1856) bekannt gewordenen p1b_338.022
Übersetzung des Liebesidylls „Gita-Gowinda“ mit seinen großblumigen, p1b_338.023
in üppigster Wort- und Bilderfülle prangenden Versen, in p1b_338.024
welchen die Reime spielerisch klingen wie die Schellen an den Füßen p1b_338.025
der gottgeliebten Schönen. Meist wechseln sie mit wenigertaktigen p1b_338.026
Daktylen ab.
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Unter malajischem, duftende Nelkenbüsche besuchendem Hauche, p1b_338.029
Unter dem bienenumschwärmten, von Kokilas Rufen ertönenden Strauche, p1b_338.030
Hari nun spielet im Lenze, dem frohen, (4taktig) p1b_338.031
Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen.
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Mächtig vom Schauer der Wonne geschüttert, vom Pulse der Liebe durchzittert, p1b_338.033
Rings von dem Strahlengewebe juwelenen Schmuckes die Glieder umflittert, p1b_338.034
Hari, den einzig holden, der lang ersehnt die Vereinung, (6taktig) p1b_338.035
Sah sie nun, ihn mit den lustaussprechenden Mienen, Anangas Erscheinung.
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8. Achttaktige daktylische Verse (daktylische Achttakter).
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Sie kommen meist mit Spondeen und Trochäen vermischt vor p1b_338.038
und haben nach dem 4. Fuß eine stehende Diärese.
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Beispiele:
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Über den Eichwald, über die Kornflur, ‖ über den grüngekräuselten See, p1b_338.041
Über des Abgrunds dunkelnde Tiefen, ‖ über der Gletscher blendenden Schnee p1b_338.042
Schreit' ich als Rächerin, schreit' ich die ewige ‖ Tochter der ewigen Mutter der Nacht, p1b_338.043
Rufe den Wehruf über den Frevler ‖ und der Orkan in den Lüften erwacht.
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