p1b_253.001 Bemerkenswerte und inhaltlich Belangreiche in höhere beleuchtete verständnisgewährende p1b_253.002 Stellung bringen. Die regelmäßige Wiederkehr dieser Lichter im p1b_253.003 Verse wird ihm den Eindruck des Melodischen, streng Geregelten geben, das p1b_253.004 Gefühl des gemütbestrickenden Rhythmus.
p1b_253.005 Es dürfte sich überhaupt sehr empfehlen, viel und laut zu lesen und p1b_253.006 nebenbei die ästhetische Seite des Lesens in's Auge zu fassen.
p1b_253.007 Um den Sinn für die Betonung zu bilden, lasse man so oft als möglich p1b_253.008 recht tief sprechen. Man übe Sätze mit einanderfolgenden gleichen Vokalen, p1b_253.009 z. B. die dunkeln Blumen spiegeln sich im klaren Bach, im hellen See.
p1b_253.010 Jn der Braut von Messina lasse man beispielshalber lesen:
p1b_253.011 Völker verrauschen (leise, ins Rauschende übergehend), Namen verklingen p1b_253.012 (hellklingender), finstre Vergessenheit (dumpf) breitet die dunkelnachtenden p1b_253.013 Schwingen (tief, dumpfer) über ganze Geschlechter aus (grabeshohl, schaurig). - p1b_253.014 Jm Erlkönig von Goethe trage man die 1. und 8. Strophe wie erzählend p1b_253.015 vor, die letzte Zeile langsamer, leiser, fast zitternd. Die Worte des Vaters p1b_253.016 müssen (ganz abgesehen von den einzelnen besonders zu accentuierenden Silben) p1b_253.017 beruhigend, beschwichtigend klingen, die des Kindes dagegen aufschreiend, furchtsam, p1b_253.018 zuletzt stockend, gebrochen. Der lockende Erlkönig muß flüsternd sprechen, p1b_253.019 da seine Worte nur für das Kind berechnet sind; zuletzt muß sein Ausdruck p1b_253.020 grimmig, erzürnt sein. Jn der Legende vom Hufeisen müssen die jambisch p1b_253.021 anapästischen Verse:
p1b_253.022
Sankt Peter war gleich dahinter her,p1b_253.023 Als wenn es ein goldner Apfel wär;
p1b_253.024 lauter und rascher recitiert werden, als die vorhergehenden u. s. w.
p1b_253.025
§ 80. Der deutsche Accent bedingt eine deutsche p1b_253.026 Silbenquantität.
p1b_253.027
Versuch eines deutschen Quantitätsgesetzes.
p1b_253.028 Der deutsche Accent macht die Silbe lang und begründet somit p1b_253.029 auch für unsere Sprache eine Art Quantität.
p1b_253.030 Daraus entwickelt sich ein eigenartiges echt deutsches Quantitätsgesetz.
p1b_253.031
p1b_253.032 Es lautet: Schwere, d. h. 5= und 4gradige Silben sind p1b_253.033 lang, mitteltonige, d. h. 3gradige Silben sind halblang, p1b_253.034 leichte, d. h. 2= und 1gradige Silben sind unbedingt kurz.
p1b_253.035 Der metrische Wert und die Zeitlänge unserer deutschen Silben hängt p1b_253.036 auf's Engste mit der Tonstärke (Betonung) zusammen. Die Tonstärke bedingt p1b_253.037 auch physiologisch eine größere oder geringere Tondauer (Tonlänge).
p1b_253.038 Westphal, der doch noch in seiner allg. griech. Metrik "von dem p1b_253.039 durch Voß aufgekommenen und am meisten durch Platen p1b_253.040 betonten Streben mancher Dichter in Vermeidung accentuierter p1b_253.041 Längen und accentuierter Kürzen spricht, behauptet plötzlich in
p1b_253.001 Bemerkenswerte und inhaltlich Belangreiche in höhere beleuchtete verständnisgewährende p1b_253.002 Stellung bringen. Die regelmäßige Wiederkehr dieser Lichter im p1b_253.003 Verse wird ihm den Eindruck des Melodischen, streng Geregelten geben, das p1b_253.004 Gefühl des gemütbestrickenden Rhythmus.
p1b_253.005 Es dürfte sich überhaupt sehr empfehlen, viel und laut zu lesen und p1b_253.006 nebenbei die ästhetische Seite des Lesens in's Auge zu fassen.
p1b_253.007 Um den Sinn für die Betonung zu bilden, lasse man so oft als möglich p1b_253.008 recht tief sprechen. Man übe Sätze mit einanderfolgenden gleichen Vokalen, p1b_253.009 z. B. die dunkeln Blumen spiegeln sich im klaren Bach, im hellen See.
p1b_253.010 Jn der Braut von Messina lasse man beispielshalber lesen:
p1b_253.011 Völker verrauschen (leise, ins Rauschende übergehend), Namen verklingen p1b_253.012 (hellklingender), finstre Vergessenheit (dumpf) breitet die dunkelnachtenden p1b_253.013 Schwingen (tief, dumpfer) über ganze Geschlechter aus (grabeshohl, schaurig). ─ p1b_253.014 Jm Erlkönig von Goethe trage man die 1. und 8. Strophe wie erzählend p1b_253.015 vor, die letzte Zeile langsamer, leiser, fast zitternd. Die Worte des Vaters p1b_253.016 müssen (ganz abgesehen von den einzelnen besonders zu accentuierenden Silben) p1b_253.017 beruhigend, beschwichtigend klingen, die des Kindes dagegen aufschreiend, furchtsam, p1b_253.018 zuletzt stockend, gebrochen. Der lockende Erlkönig muß flüsternd sprechen, p1b_253.019 da seine Worte nur für das Kind berechnet sind; zuletzt muß sein Ausdruck p1b_253.020 grimmig, erzürnt sein. Jn der Legende vom Hufeisen müssen die jambisch p1b_253.021 anapästischen Verse:
p1b_253.022
Sankt Peter war gleich dahinter her,p1b_253.023 Als wenn es ein goldner Apfel wär;
p1b_253.024 lauter und rascher recitiert werden, als die vorhergehenden u. s. w.
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§ 80. Der deutsche Accent bedingt eine deutsche p1b_253.026 Silbenquantität.
p1b_253.027
Versuch eines deutschen Quantitätsgesetzes.
p1b_253.028 Der deutsche Accent macht die Silbe lang und begründet somit p1b_253.029 auch für unsere Sprache eine Art Quantität.
p1b_253.030 Daraus entwickelt sich ein eigenartiges echt deutsches Quantitätsgesetz.
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p1b_253.032 Es lautet: Schwere, d. h. 5= und 4gradige Silben sind p1b_253.033 lang, mitteltonige, d. h. 3gradige Silben sind halblang, p1b_253.034 leichte, d. h. 2= und 1gradige Silben sind unbedingt kurz.
p1b_253.035 Der metrische Wert und die Zeitlänge unserer deutschen Silben hängt p1b_253.036 auf's Engste mit der Tonstärke (Betonung) zusammen. Die Tonstärke bedingt p1b_253.037 auch physiologisch eine größere oder geringere Tondauer (Tonlänge).
p1b_253.038 Westphal, der doch noch in seiner allg. griech. Metrik „von dem p1b_253.039 durch Voß aufgekommenen und am meisten durch Platen p1b_253.040 betonten Streben mancher Dichter in Vermeidung accentuierter p1b_253.041 Längen und accentuierter Kürzen spricht, behauptet plötzlich in
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Bemerkenswerte und inhaltlich Belangreiche in höhere beleuchtete verständnisgewährende p1b_253.002
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Um den Sinn für die Betonung zu bilden, lasse man so oft als möglich p1b_253.008
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z. B. die dunkeln Blumen spiegeln sich im klaren Bach, im hellen See.
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Jn der Braut von Messina lasse man beispielshalber lesen:
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Völker verrauschen (leise, ins Rauschende übergehend), Namen verklingen p1b_253.012
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grimmig, erzürnt sein. Jn der Legende vom Hufeisen müssen die jambisch p1b_253.021
anapästischen Verse:
p1b_253.022
Sankt Peter war gleich dahinter her, p1b_253.023
Als wenn es ein goldner Apfel wär;
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lauter und rascher recitiert werden, als die vorhergehenden u. s. w.
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§ 80. Der deutsche Accent bedingt eine deutsche p1b_253.026
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p1b_253.028
Der deutsche Accent macht die Silbe lang und begründet somit p1b_253.029
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p1b_253.030
Daraus entwickelt sich ein eigenartiges echt deutsches Quantitätsgesetz.
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Es lautet: Schwere, d. h. 5= und 4gradige Silben sind p1b_253.033
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Der metrische Wert und die Zeitlänge unserer deutschen Silben hängt p1b_253.036
auf's Engste mit der Tonstärke (Betonung) zusammen. Die Tonstärke bedingt p1b_253.037
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Westphal, der doch noch in seiner allg. griech. Metrik „von dem p1b_253.039
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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