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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Metaphernschmuck prangen. [Annotation]

Unsere Sprachweisen sind häufig - wie § 26 p1b_158.002
erwähnt - nichts weiter als abgeblaßte oder vertrocknete oder stehend gewordene p1b_158.003
Metaphern. Dieselben sind nunmehr so gebräuchlich, daß Niemand p1b_158.004
mehr des Bildlichen im Ausdruck sich erinnert. [Annotation] (Z. B. die Pflanze hat Augen p1b_158.005
angesetzt, sie kränkelt. Der Mann ist blind vor Eifer, d. h. unbedachtsam. p1b_158.006
Rosen der Jugend. Hefe des Volks. Süßer Wohllaut schläft in der p1b_158.007
Saiten Gold. Der Dichter ist das Kind seiner Zeit. Wetterwendisch. p1b_158.008
Anziehen. Erziehung
&c.) [Annotation] Die Metapher muß verständlich sein und mehr p1b_158.009
sagen als der gewöhnliche Ausdruck [Annotation] (z. B. wir treiben dem Unglück zu).

[Annotation]

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(Vgl. Aristot. Rhet. III. 11. [Annotation]

Quintil. sagt I. c: "In totum autem p1b_158.011
metaphora brevior est similitudo, quod illa comparatur rei p1b_158.012
quam volumus exprimere, haec pro ipsa re dicitur. Comparatio est, p1b_158.013
cum dico ferisse quid hominem, ut leonem, translatio, cum dico de p1b_158.014
homine: leo est
". Nach ihm (8. 6) ist dieser Tropus tum frequentissimus p1b_158.015
tum pulcherrimus. Incipiamus igitur ab eo, qui cum frequentissimus p1b_158.016
est, tum pulcherrimus, translatione dico, quae metaphora p1b_158.017
graece vocatur
.)

[Annotation]
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2. Die Metapher als Teil des Satzes oder des Satzgefüges.

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Sitz der Metapher kann sein: 1. das Substantiv in seinen verschiedensten p1b_158.020
Satzstellungen, [Annotation]

2. das Adjektiv, [Annotation] 3. das Verbum, [Annotation] 4. die p1b_158.021
Präposition, [Annotation] 5. das Adverbium. [Annotation] Sie kann einen ganzen Satz beanspruchen; p1b_158.022
ja, sie kann sich sogar auf mehrere Sätze erstrecken. [Annotation]

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A. Ein einzelnes Wort als Metapher (Wortarten).

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a. Substantiv.

[Annotation]

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Beispiele: Herbst des Lebens für Alter; Schiff der Wüste für p1b_158.026
Kamel; Segler der Lüfte für Wolke. [Annotation]

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Jm Genitivus subjectivus steht die Metapher in folgendem Ausspruch p1b_158.028
Schillers: [Annotation]

p1b_158.029
Versagt ist dem Menschen des Lebens Frucht, - p1b_158.030
So lang er glaubt, daß dem ird'schen Verstand p1b_158.031
Die Wahrheit je wird erscheinen. p1b_158.032
Jhren Schleier hebt keine sterbliche Hand.
[Annotation]

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(Jm letzten Beispiel äußert das Wort Schleier seine Beziehung zum Wort p1b_158.034
Wahrheit, welches als Metapher gefaßt wird, da die Wahrheit ja keinen p1b_158.035
Schleier hat. Der abstrahierende Verstand ergänzt hier: "eine verschleierte p1b_158.036
Wahrheit" und läßt so das Bild des Schleiers als wertlos fallen. Die p1b_158.037
Phantasie bildet aus der Wahrheit eine Göttin und denkt sich nun unter der p1b_158.038
verschleierten Göttin die verschleierte Wahrheit. Von dieser Göttin - der versinnlichenden p1b_158.039
Metapher von Wahrheit - kann man mit Schiller sagen, daß p1b_158.040
keine Hand ihren Schleier heben kann.) [Annotation]

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Genitivus objectivus: [Annotation]

Zunder der Liebe. Hier ist die Liebe als p1b_158.042
Feuer gedacht. [Annotation]

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Objekt: [Annotation]

Die Kirche hat einen guten Magen. Hier denkt man sich p1b_158.044
die Kirche als lebendes Wesen u. s. w. [Annotation]

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Metaphernschmuck prangen. [Annotation]

Unsere Sprachweisen sind häufig ─ wie § 26 p1b_158.002
erwähnt ─ nichts weiter als abgeblaßte oder vertrocknete oder stehend gewordene p1b_158.003
Metaphern. Dieselben sind nunmehr so gebräuchlich, daß Niemand p1b_158.004
mehr des Bildlichen im Ausdruck sich erinnert. [Annotation] (Z. B. die Pflanze hat Augen p1b_158.005
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Rosen der Jugend. Hefe des Volks. Süßer Wohllaut schläft in der p1b_158.007
Saiten Gold. Der Dichter ist das Kind seiner Zeit. Wetterwendisch. p1b_158.008
Anziehen. Erziehung
&c.) [Annotation] Die Metapher muß verständlich sein und mehr p1b_158.009
sagen als der gewöhnliche Ausdruck [Annotation] (z. B. wir treiben dem Unglück zu).

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p1b_158.010
(Vgl. Aristot. Rhet. III. 11. [Annotation]

Quintil. sagt I. c: „In totum autem p1b_158.011
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cum dico ferisse quid hominem, ut leonem, translatio, cum dico de p1b_158.014
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est, tum pulcherrimus, translatione dico, quae metaphora p1b_158.017
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p1b_158.018

2. Die Metapher als Teil des Satzes oder des Satzgefüges.

p1b_158.019
Sitz der Metapher kann sein: 1. das Substantiv in seinen verschiedensten p1b_158.020
Satzstellungen, [Annotation]

2. das Adjektiv, [Annotation] 3. das Verbum, [Annotation] 4. die p1b_158.021
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p1b_158.023
A. Ein einzelnes Wort als Metapher (Wortarten).

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Jm Genitivus subjectivus steht die Metapher in folgendem Ausspruch p1b_158.028
Schillers: [Annotation]

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[158/0192] p1b_158.001 Metaphernschmuck prangen. Unsere Sprachweisen sind häufig ─ wie § 26 p1b_158.002 erwähnt ─ nichts weiter als abgeblaßte oder vertrocknete oder stehend gewordene p1b_158.003 Metaphern. Dieselben sind nunmehr so gebräuchlich, daß Niemand p1b_158.004 mehr des Bildlichen im Ausdruck sich erinnert. (Z. B. die Pflanze hat Augen p1b_158.005 angesetzt, sie kränkelt. Der Mann ist blind vor Eifer, d. h. unbedachtsam. p1b_158.006 Rosen der Jugend. Hefe des Volks. Süßer Wohllaut schläft in der p1b_158.007 Saiten Gold. Der Dichter ist das Kind seiner Zeit. Wetterwendisch. p1b_158.008 Anziehen. Erziehung &c.) Die Metapher muß verständlich sein und mehr p1b_158.009 sagen als der gewöhnliche Ausdruck (z. B. wir treiben dem Unglück zu). p1b_158.010 (Vgl. Aristot. Rhet. III. 11. Quelle: Aristoteles: Rhetorik III.11. http://data.perseus.org/citations/urn:cts:greekLit:tlg0086.tlg038.perseus-grc1:3.11.1 Quintil. sagt I. c: „In totum autem p1b_158.011 metaphora brevior est similitudo, quod illa comparatur rei p1b_158.012 quam volumus exprimere, haec pro ipsa re dicitur. Comparatio est, p1b_158.013 cum dico ferisse quid hominem, ut leonem, translatio, cum dico de p1b_158.014 homine: leo est“. Nach ihm (8. 6) ist dieser Tropus tum frequentissimus p1b_158.015 tum pulcherrimus. Incipiamus igitur ab eo, qui cum frequentissimus p1b_158.016 est, tum pulcherrimus, translatione dico, quae metaphora p1b_158.017 graece vocatur.) Quelle Quintilian: Institutio Oratoria 8.6. http://data.perseus.org/citations/urn:cts:latinLit:phi1002.phi0018.perseus-lat1:6 p1b_158.018 2. Die Metapher als Teil des Satzes oder des Satzgefüges. p1b_158.019 Sitz der Metapher kann sein: 1. das Substantiv in seinen verschiedensten p1b_158.020 Satzstellungen, Unterkat.: Substantiv 2. das Adjektiv, Unterkat.: Adjektiv 3. das Verbum, Unterkat: Verb 4. die p1b_158.021 Präposition, Unterkat.: Präposition 5. das Adverbium. Unterkat.: Adverb Sie kann einen ganzen Satz beanspruchen; p1b_158.022 ja, sie kann sich sogar auf mehrere Sätze erstrecken. Unterkat.: Metapher als ganzer Satz oder mehrere Sätze p1b_158.023 A. Ein einzelnes Wort als Metapher (Wortarten). p1b_158.024 a. Substantiv. Unterkat: Metapher als Substantiv p1b_158.025 Beispiele: Herbst des Lebens für Alter; Schiff der Wüste für p1b_158.026 Kamel; Segler der Lüfte für Wolke. p1b_158.027 Jm Genitivus subjectivus steht die Metapher in folgendem Ausspruch p1b_158.028 Schillers: Unterkat.: Genitivus subjectivus p1b_158.029 Versagt ist dem Menschen des Lebens Frucht, ─ p1b_158.030 So lang er glaubt, daß dem ird'schen Verstand p1b_158.031 Die Wahrheit je wird erscheinen. p1b_158.032 Jhren Schleier hebt keine sterbliche Hand. evtl. abgewandelt aus: Friedrich Schiller: Worte des Wahns https://textgridrep.org/browse/-/browse/tzd5_0#tg195.3.6 p1b_158.033 (Jm letzten Beispiel äußert das Wort Schleier seine Beziehung zum Wort p1b_158.034 Wahrheit, welches als Metapher gefaßt wird, da die Wahrheit ja keinen p1b_158.035 Schleier hat. Der abstrahierende Verstand ergänzt hier: „eine verschleierte p1b_158.036 Wahrheit“ und läßt so das Bild des Schleiers als wertlos fallen. Die p1b_158.037 Phantasie bildet aus der Wahrheit eine Göttin und denkt sich nun unter der p1b_158.038 verschleierten Göttin die verschleierte Wahrheit. Von dieser Göttin ─ der versinnlichenden p1b_158.039 Metapher von Wahrheit ─ kann man mit Schiller sagen, daß p1b_158.040 keine Hand ihren Schleier heben kann.) p1b_158.041 Genitivus objectivus: Unterkat.: Genitivus objectivus Zunder der Liebe. Hier ist die Liebe als p1b_158.042 Feuer gedacht. Unterkat.: Genitivus objectivus p1b_158.043 Objekt: Unterkat.: Objekt Die Kirche hat einen guten Magen. Hier denkt man sich p1b_158.044 die Kirche als lebendes Wesen u. s. w. Unterkat.: Objekt

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/192>, abgerufen am 12.05.2024.