Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

p1b_158.001
Metaphernschmuck prangen. [Annotation]

Unsere Sprachweisen sind häufig - wie § 26 p1b_158.002
erwähnt - nichts weiter als abgeblaßte oder vertrocknete oder stehend gewordene p1b_158.003
Metaphern. Dieselben sind nunmehr so gebräuchlich, daß Niemand p1b_158.004
mehr des Bildlichen im Ausdruck sich erinnert. [Annotation] (Z. B. die Pflanze hat Augen p1b_158.005
angesetzt, sie kränkelt. Der Mann ist blind vor Eifer, d. h. unbedachtsam. p1b_158.006
Rosen der Jugend. Hefe des Volks. Süßer Wohllaut schläft in der p1b_158.007
Saiten Gold. Der Dichter ist das Kind seiner Zeit. Wetterwendisch. p1b_158.008
Anziehen. Erziehung
&c.) [Annotation] Die Metapher muß verständlich sein und mehr p1b_158.009
sagen als der gewöhnliche Ausdruck [Annotation] (z. B. wir treiben dem Unglück zu).

[Annotation]

p1b_158.010
(Vgl. Aristot. Rhet. III. 11. [Annotation]

Quintil. sagt I. c: "In totum autem p1b_158.011
metaphora brevior est similitudo, quod illa comparatur rei p1b_158.012
quam volumus exprimere, haec pro ipsa re dicitur. Comparatio est, p1b_158.013
cum dico ferisse quid hominem, ut leonem, translatio, cum dico de p1b_158.014
homine: leo est
". Nach ihm (8. 6) ist dieser Tropus tum frequentissimus p1b_158.015
tum pulcherrimus. Incipiamus igitur ab eo, qui cum frequentissimus p1b_158.016
est, tum pulcherrimus, translatione dico, quae metaphora p1b_158.017
graece vocatur
.)

[Annotation]
p1b_158.018

2. Die Metapher als Teil des Satzes oder des Satzgefüges.

p1b_158.019
Sitz der Metapher kann sein: 1. das Substantiv in seinen verschiedensten p1b_158.020
Satzstellungen, [Annotation]

2. das Adjektiv, [Annotation] 3. das Verbum, [Annotation] 4. die p1b_158.021
Präposition, [Annotation] 5. das Adverbium. [Annotation] Sie kann einen ganzen Satz beanspruchen; p1b_158.022
ja, sie kann sich sogar auf mehrere Sätze erstrecken. [Annotation]

p1b_158.023
A. Ein einzelnes Wort als Metapher (Wortarten).

p1b_158.024
a. Substantiv.

[Annotation]

p1b_158.025
Beispiele: Herbst des Lebens für Alter; Schiff der Wüste für p1b_158.026
Kamel; Segler der Lüfte für Wolke. [Annotation]

p1b_158.027
Jm Genitivus subjectivus steht die Metapher in folgendem Ausspruch p1b_158.028
Schillers: [Annotation]

p1b_158.029
Versagt ist dem Menschen des Lebens Frucht, - p1b_158.030
So lang er glaubt, daß dem ird'schen Verstand p1b_158.031
Die Wahrheit je wird erscheinen. p1b_158.032
Jhren Schleier hebt keine sterbliche Hand.
[Annotation]

p1b_158.033
(Jm letzten Beispiel äußert das Wort Schleier seine Beziehung zum Wort p1b_158.034
Wahrheit, welches als Metapher gefaßt wird, da die Wahrheit ja keinen p1b_158.035
Schleier hat. Der abstrahierende Verstand ergänzt hier: "eine verschleierte p1b_158.036
Wahrheit" und läßt so das Bild des Schleiers als wertlos fallen. Die p1b_158.037
Phantasie bildet aus der Wahrheit eine Göttin und denkt sich nun unter der p1b_158.038
verschleierten Göttin die verschleierte Wahrheit. Von dieser Göttin - der versinnlichenden p1b_158.039
Metapher von Wahrheit - kann man mit Schiller sagen, daß p1b_158.040
keine Hand ihren Schleier heben kann.) [Annotation]

p1b_158.041
Genitivus objectivus: [Annotation]

Zunder der Liebe. Hier ist die Liebe als p1b_158.042
Feuer gedacht. [Annotation]

p1b_158.043
Objekt: [Annotation]

Die Kirche hat einen guten Magen. Hier denkt man sich p1b_158.044
die Kirche als lebendes Wesen u. s. w. [Annotation]

p1b_158.001
Metaphernschmuck prangen. [Annotation]

Unsere Sprachweisen sind häufig ─ wie § 26 p1b_158.002
erwähnt ─ nichts weiter als abgeblaßte oder vertrocknete oder stehend gewordene p1b_158.003
Metaphern. Dieselben sind nunmehr so gebräuchlich, daß Niemand p1b_158.004
mehr des Bildlichen im Ausdruck sich erinnert. [Annotation] (Z. B. die Pflanze hat Augen p1b_158.005
angesetzt, sie kränkelt. Der Mann ist blind vor Eifer, d. h. unbedachtsam. p1b_158.006
Rosen der Jugend. Hefe des Volks. Süßer Wohllaut schläft in der p1b_158.007
Saiten Gold. Der Dichter ist das Kind seiner Zeit. Wetterwendisch. p1b_158.008
Anziehen. Erziehung
&c.) [Annotation] Die Metapher muß verständlich sein und mehr p1b_158.009
sagen als der gewöhnliche Ausdruck [Annotation] (z. B. wir treiben dem Unglück zu).

[Annotation]

p1b_158.010
(Vgl. Aristot. Rhet. III. 11. [Annotation]

Quintil. sagt I. c: „In totum autem p1b_158.011
metaphora brevior est similitudo, quod illa comparatur rei p1b_158.012
quam volumus exprimere, haec pro ipsa re dicitur. Comparatio est, p1b_158.013
cum dico ferisse quid hominem, ut leonem, translatio, cum dico de p1b_158.014
homine: leo est
“. Nach ihm (8. 6) ist dieser Tropus tum frequentissimus p1b_158.015
tum pulcherrimus. Incipiamus igitur ab eo, qui cum frequentissimus p1b_158.016
est, tum pulcherrimus, translatione dico, quae metaphora p1b_158.017
graece vocatur
.)

[Annotation]
p1b_158.018

2. Die Metapher als Teil des Satzes oder des Satzgefüges.

p1b_158.019
Sitz der Metapher kann sein: 1. das Substantiv in seinen verschiedensten p1b_158.020
Satzstellungen, [Annotation]

2. das Adjektiv, [Annotation] 3. das Verbum, [Annotation] 4. die p1b_158.021
Präposition, [Annotation] 5. das Adverbium. [Annotation] Sie kann einen ganzen Satz beanspruchen; p1b_158.022
ja, sie kann sich sogar auf mehrere Sätze erstrecken. [Annotation]

p1b_158.023
A. Ein einzelnes Wort als Metapher (Wortarten).

p1b_158.024
a. Substantiv.

[Annotation]

p1b_158.025
Beispiele: Herbst des Lebens für Alter; Schiff der Wüste für p1b_158.026
Kamel; Segler der Lüfte für Wolke. [Annotation]

p1b_158.027
Jm Genitivus subjectivus steht die Metapher in folgendem Ausspruch p1b_158.028
Schillers: [Annotation]

p1b_158.029
Versagt ist dem Menschen des Lebens Frucht, p1b_158.030
So lang er glaubt, daß dem ird'schen Verstand p1b_158.031
Die Wahrheit je wird erscheinen. p1b_158.032
Jhren Schleier hebt keine sterbliche Hand.
[Annotation]

p1b_158.033
(Jm letzten Beispiel äußert das Wort Schleier seine Beziehung zum Wort p1b_158.034
Wahrheit, welches als Metapher gefaßt wird, da die Wahrheit ja keinen p1b_158.035
Schleier hat. Der abstrahierende Verstand ergänzt hier: „eine verschleierte p1b_158.036
Wahrheit“ und läßt so das Bild des Schleiers als wertlos fallen. Die p1b_158.037
Phantasie bildet aus der Wahrheit eine Göttin und denkt sich nun unter der p1b_158.038
verschleierten Göttin die verschleierte Wahrheit. Von dieser Göttin ─ der versinnlichenden p1b_158.039
Metapher von Wahrheit ─ kann man mit Schiller sagen, daß p1b_158.040
keine Hand ihren Schleier heben kann.) [Annotation]

p1b_158.041
Genitivus objectivus: [Annotation]

Zunder der Liebe. Hier ist die Liebe als p1b_158.042
Feuer gedacht. [Annotation]

p1b_158.043
Objekt: [Annotation]

Die Kirche hat einen guten Magen. Hier denkt man sich p1b_158.044
die Kirche als lebendes Wesen u. s. w. [Annotation]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0192" n="158"/><lb n="p1b_158.001"/>
Metaphernschmuck prangen.     <anchor xml:id="p1b088"/> <note targetEnd="#p1b088" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-2-5 #m1-3-2-0 #m1-4-2-0" target="#p1b087"/>     <anchor xml:id="p1b089"/> Unsere Sprachweisen sind häufig &#x2500; wie § 26 <lb n="p1b_158.002"/>
erwähnt &#x2500; nichts weiter als abgeblaßte oder vertrocknete oder stehend gewordene <lb n="p1b_158.003"/>
Metaphern. Dieselben sind nunmehr so gebräuchlich, daß Niemand <lb n="p1b_158.004"/>
mehr des Bildlichen im Ausdruck sich erinnert.     <anchor xml:id="p1b090"/> <note targetEnd="#p1b090" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-11-1" target="#p1b089"/>     <anchor xml:id="p1b091"/> (Z. B. die Pflanze hat <hi rendition="#g">Augen</hi> <lb n="p1b_158.005"/>
angesetzt, sie <hi rendition="#g">kränkelt.</hi> Der Mann ist <hi rendition="#g">blind vor Eifer,</hi> d. h. unbedachtsam. <lb n="p1b_158.006"/> <hi rendition="#g">Rosen</hi> der Jugend. <hi rendition="#g">Hefe</hi> des Volks. Süßer Wohllaut <hi rendition="#g">schläft</hi> in der <lb n="p1b_158.007"/> <hi rendition="#g">Saiten Gold.</hi> Der Dichter ist das <hi rendition="#g">Kind</hi> seiner Zeit. Wetter<hi rendition="#g">wendisch. <lb n="p1b_158.008"/>
Anziehen. Erziehung</hi> &amp;c.)     <anchor xml:id="p1b092"/> <note targetEnd="#p1b092" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-11-1" target="#p1b091"/>     <anchor xml:id="p1b093"/> Die Metapher muß <hi rendition="#g">verständlich</hi> sein und mehr <lb n="p1b_158.009"/>
sagen als der gewöhnliche Ausdruck     <anchor xml:id="p1b094"/> <note targetEnd="#p1b094" type="metapher" ana="#m1-0-1-1" target="#p1b093"/>     <anchor xml:id="p1b095"/> (z. B. wir <hi rendition="#g">treiben</hi> dem Unglück zu).</p>
                <anchor xml:id="p1b096"/>
                <note targetEnd="#p1b096" type="metapher" ana="#m1-0-1-2" target="#p1b095"/>
                <p><lb n="p1b_158.010"/><anchor xml:id="p1b097"/>(Vgl. Aristot. <hi rendition="#aq">Rhet. III. 11.<anchor xml:id="p1b098"/> <note targetEnd="#p1b098" type="metapher" ana="#m1-0-2-0 #m1-2-5 #m1-3-1-2 #m1-4-1-4" target="#p1b097">     Quelle: <bibl><title>Aristoteles: Rhetorik</title><biblScope>III.11.</biblScope><space dim="vertical"/><ref>http://data.perseus.org/citations/urn:cts:greekLit:tlg0086.tlg038.perseus-grc1:3.11.1</ref></bibl> </note>          <anchor xml:id="p1b099"/> Quintil. sagt <hi rendition="#aq">I. c: &#x201E;In totum autem <lb n="p1b_158.011"/> <hi rendition="#g">metaphora brevior est similitudo,</hi> quod illa comparatur rei <lb n="p1b_158.012"/>
quam volumus exprimere, haec pro ipsa re dicitur. Comparatio est, <lb n="p1b_158.013"/>
cum dico ferisse quid hominem, ut leonem, translatio, cum dico de <lb n="p1b_158.014"/>
homine: leo est</hi>&#x201C;. Nach ihm (8. 6) ist dieser Tropus <hi rendition="#aq">tum frequentissimus <lb n="p1b_158.015"/>
tum pulcherrimus. Incipiamus igitur ab eo, qui cum frequentissimus <lb n="p1b_158.016"/>
est, tum pulcherrimus, <hi rendition="#g">translatione dico,</hi> quae metaphora     <lb n="p1b_158.017"/>
graece vocatur</hi>.)</hi></p>
                <anchor xml:id="p1b100"/>
                <note targetEnd="#p1b100" type="metapher" ana="#m1-0-2-0 #m1-2-1-0 #m1-3-1-8 #m1-4-1-0 #m1-7-1-1 #m1-8-1-2" target="#p1b099">     Quelle      <bibl><title>Quintilian: Institutio Oratoria</title><biblScope>8.6.</biblScope><space dim="vertical"/><ref>http://data.perseus.org/citations/urn:cts:latinLit:phi1002.phi0018.perseus-lat1:6</ref></bibl> </note>
              </div>
              <div n="5">
                <lb n="p1b_158.018"/>
                <anchor xml:id="p1b101"/>
                <p>2. Die Metapher als Teil des Satzes oder des Satzgefüges.</p>
                <p><lb n="p1b_158.019"/>
Sitz der Metapher kann sein: 1. das Substantiv in seinen verschiedensten <lb n="p1b_158.020"/>
Satzstellungen,     <anchor xml:id="p1b102"/> <note targetEnd="#p1b102" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-2-0" target="#p1b101">     Unterkat.: Substantiv </note>     <anchor xml:id="p1b103"/>2. das Adjektiv,<anchor xml:id="p1b104"/> <note targetEnd="#p1b104" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-2-0" target="#p1b103">     Unterkat.: Adjektiv </note>     <anchor xml:id="p1b105"/>3. das Verbum,<anchor xml:id="p1b106"/> <note targetEnd="#p1b106" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-2-0" target="#p1b105">     Unterkat: Verb </note>     <anchor xml:id="p1b107"/>4. die     <lb n="p1b_158.021"/>
Präposition,<anchor xml:id="p1b108"/> <note targetEnd="#p1b108" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-2-0" target="#p1b107">     Unterkat.: Präposition </note>     <anchor xml:id="p1b109"/>5. das Adverbium.<anchor xml:id="p1b110"/> <note targetEnd="#p1b110" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-2-0" target="#p1b109">     Unterkat.: Adverb </note>     <anchor xml:id="p1b111"/> Sie kann einen ganzen Satz beanspruchen; <lb n="p1b_158.022"/>
ja, sie kann sich sogar auf mehrere Sätze erstrecken.     <anchor xml:id="p1b112"/> <note targetEnd="#p1b112" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-2-0" target="#p1b111">     Unterkat.: Metapher als ganzer Satz oder mehrere Sätze </note> </p>
                <div n="6">
                  <lb n="p1b_158.023"/>
                  <anchor xml:id="p1b113"/>
                  <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">A</hi>. <hi rendition="#g">Ein einzelnes Wort als Metapher</hi> (Wortarten).</hi> </head>
                  <p><lb n="p1b_158.024"/><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Substantiv.</hi></p>
                  <anchor xml:id="p1b114"/>
                  <note targetEnd="#p1b114" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-2-0" target="#p1b113">     Unterkat: Metapher als Substantiv </note>
                  <p><lb n="p1b_158.025"/><anchor xml:id="p1b115"/> Beispiele: <hi rendition="#g">Herbst des Lebens</hi> für Alter; <hi rendition="#g">Schiff der Wüste</hi> für <lb n="p1b_158.026"/>
Kamel; <hi rendition="#g">Segler der Lüfte</hi> für Wolke.     <anchor xml:id="p1b116"/> <note targetEnd="#p1b116" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-7-2-0" target="#p1b115"/> </p>
                  <p><lb n="p1b_158.027"/><anchor xml:id="p1b117"/><hi rendition="#g">Jm <hi rendition="#aq">Genitivus subjectivus</hi></hi> steht die Metapher in folgendem Ausspruch <lb n="p1b_158.028"/>
Schillers:     <anchor xml:id="p1b118"/> <note targetEnd="#p1b118" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-2-5 #m1-3-1-9 #m1-7-2-0" target="#p1b117">     Unterkat.: Genitivus subjectivus </note> </p>
                  <lb n="p1b_158.029"/>
                  <anchor xml:id="p1b119"/>
                  <lg>
                    <l>Versagt ist dem Menschen <hi rendition="#g">des Lebens Frucht,</hi> &#x2500;</l>
                    <lb n="p1b_158.030"/>
                    <l> So lang er glaubt, daß dem ird'schen Verstand</l>
                    <lb n="p1b_158.031"/>
                    <l><hi rendition="#g">Die Wahrheit</hi> je wird erscheinen.</l>
                    <lb n="p1b_158.032"/>
                    <l><hi rendition="#g">Jhren Schleier</hi> hebt keine sterbliche Hand.</l>
                  </lg>
                  <anchor xml:id="p1b120"/>
                  <note targetEnd="#p1b120" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-1-2 #m1-3-1-9 #m1-6-2-1" target="#p1b119">     evtl. abgewandelt aus:     <bibl><title>             Friedrich Schiller: Worte des Wahns         </title><space dim="vertical"/><ref>https://textgridrep.org/browse/-/browse/tzd5_0#tg195.3.6</ref></bibl>      </note>
                  <p><lb n="p1b_158.033"/><anchor xml:id="p1b121"/> (Jm letzten Beispiel äußert das Wort Schleier seine Beziehung zum Wort <lb n="p1b_158.034"/> <hi rendition="#g">Wahrheit,</hi> welches als Metapher gefaßt wird, da die Wahrheit ja keinen <lb n="p1b_158.035"/>
Schleier hat. Der abstrahierende Verstand ergänzt hier: &#x201E;eine verschleierte <lb n="p1b_158.036"/>
Wahrheit&#x201C; und läßt so das Bild des Schleiers als wertlos fallen. Die <lb n="p1b_158.037"/>
Phantasie bildet aus der Wahrheit eine Göttin und denkt sich nun unter der <lb n="p1b_158.038"/>
verschleierten Göttin die verschleierte Wahrheit. Von dieser Göttin &#x2500; der versinnlichenden <lb n="p1b_158.039"/>
Metapher von Wahrheit &#x2500; kann man mit Schiller sagen, daß <lb n="p1b_158.040"/> <hi rendition="#g">keine Hand ihren Schleier heben kann.</hi>)      <anchor xml:id="p1b122"/> <note targetEnd="#p1b122" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-2-1-0 #m1-3-1-9 #m1-6-2-1 #m1-7-2-0" target="#p1b121"/> </p>
                  <p><lb n="p1b_158.041"/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><anchor xml:id="p1b123"/>Genitivus objectivus:<anchor xml:id="p1b124"/><note targetEnd="#p1b124" type="metapher" ana="#m1-0-1-1" target="#p1b123">         Unterkat.: Genitivus objectivus     </note></hi><anchor xml:id="p1b125"/>     Zunder</hi> der Liebe. Hier ist die Liebe als <lb n="p1b_158.042"/>
Feuer gedacht.     <anchor xml:id="p1b126"/>     <note targetEnd="#p1b126" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-7-2-0" target="#p1b125">         Unterkat.: Genitivus objectivus     </note> </p>
                  <p><lb n="p1b_158.043"/><hi rendition="#g"><anchor xml:id="p1b127"/>Objekt:<anchor xml:id="p1b128"/><note targetEnd="#p1b128" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-2-0" target="#p1b127">     Unterkat.: Objekt </note></hi><anchor xml:id="p1b129"/> Die Kirche hat einen <hi rendition="#g">guten Magen.</hi> Hier denkt man sich <lb n="p1b_158.044"/>
die Kirche als lebendes Wesen u. s. w.     <anchor xml:id="p1b130"/> <note targetEnd="#p1b130" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-7-2-0" target="#p1b129">     Unterkat.: Objekt </note> </p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0192] p1b_158.001 Metaphernschmuck prangen. Unsere Sprachweisen sind häufig ─ wie § 26 p1b_158.002 erwähnt ─ nichts weiter als abgeblaßte oder vertrocknete oder stehend gewordene p1b_158.003 Metaphern. Dieselben sind nunmehr so gebräuchlich, daß Niemand p1b_158.004 mehr des Bildlichen im Ausdruck sich erinnert. (Z. B. die Pflanze hat Augen p1b_158.005 angesetzt, sie kränkelt. Der Mann ist blind vor Eifer, d. h. unbedachtsam. p1b_158.006 Rosen der Jugend. Hefe des Volks. Süßer Wohllaut schläft in der p1b_158.007 Saiten Gold. Der Dichter ist das Kind seiner Zeit. Wetterwendisch. p1b_158.008 Anziehen. Erziehung &c.) Die Metapher muß verständlich sein und mehr p1b_158.009 sagen als der gewöhnliche Ausdruck (z. B. wir treiben dem Unglück zu). p1b_158.010 (Vgl. Aristot. Rhet. III. 11. Quelle: Aristoteles: Rhetorik III.11. http://data.perseus.org/citations/urn:cts:greekLit:tlg0086.tlg038.perseus-grc1:3.11.1 Quintil. sagt I. c: „In totum autem p1b_158.011 metaphora brevior est similitudo, quod illa comparatur rei p1b_158.012 quam volumus exprimere, haec pro ipsa re dicitur. Comparatio est, p1b_158.013 cum dico ferisse quid hominem, ut leonem, translatio, cum dico de p1b_158.014 homine: leo est“. Nach ihm (8. 6) ist dieser Tropus tum frequentissimus p1b_158.015 tum pulcherrimus. Incipiamus igitur ab eo, qui cum frequentissimus p1b_158.016 est, tum pulcherrimus, translatione dico, quae metaphora p1b_158.017 graece vocatur.) Quelle Quintilian: Institutio Oratoria 8.6. http://data.perseus.org/citations/urn:cts:latinLit:phi1002.phi0018.perseus-lat1:6 p1b_158.018 2. Die Metapher als Teil des Satzes oder des Satzgefüges. p1b_158.019 Sitz der Metapher kann sein: 1. das Substantiv in seinen verschiedensten p1b_158.020 Satzstellungen, Unterkat.: Substantiv 2. das Adjektiv, Unterkat.: Adjektiv 3. das Verbum, Unterkat: Verb 4. die p1b_158.021 Präposition, Unterkat.: Präposition 5. das Adverbium. Unterkat.: Adverb Sie kann einen ganzen Satz beanspruchen; p1b_158.022 ja, sie kann sich sogar auf mehrere Sätze erstrecken. Unterkat.: Metapher als ganzer Satz oder mehrere Sätze p1b_158.023 A. Ein einzelnes Wort als Metapher (Wortarten). p1b_158.024 a. Substantiv. Unterkat: Metapher als Substantiv p1b_158.025 Beispiele: Herbst des Lebens für Alter; Schiff der Wüste für p1b_158.026 Kamel; Segler der Lüfte für Wolke. p1b_158.027 Jm Genitivus subjectivus steht die Metapher in folgendem Ausspruch p1b_158.028 Schillers: Unterkat.: Genitivus subjectivus p1b_158.029 Versagt ist dem Menschen des Lebens Frucht, ─ p1b_158.030 So lang er glaubt, daß dem ird'schen Verstand p1b_158.031 Die Wahrheit je wird erscheinen. p1b_158.032 Jhren Schleier hebt keine sterbliche Hand. evtl. abgewandelt aus: Friedrich Schiller: Worte des Wahns https://textgridrep.org/browse/-/browse/tzd5_0#tg195.3.6 p1b_158.033 (Jm letzten Beispiel äußert das Wort Schleier seine Beziehung zum Wort p1b_158.034 Wahrheit, welches als Metapher gefaßt wird, da die Wahrheit ja keinen p1b_158.035 Schleier hat. Der abstrahierende Verstand ergänzt hier: „eine verschleierte p1b_158.036 Wahrheit“ und läßt so das Bild des Schleiers als wertlos fallen. Die p1b_158.037 Phantasie bildet aus der Wahrheit eine Göttin und denkt sich nun unter der p1b_158.038 verschleierten Göttin die verschleierte Wahrheit. Von dieser Göttin ─ der versinnlichenden p1b_158.039 Metapher von Wahrheit ─ kann man mit Schiller sagen, daß p1b_158.040 keine Hand ihren Schleier heben kann.) p1b_158.041 Genitivus objectivus: Unterkat.: Genitivus objectivus Zunder der Liebe. Hier ist die Liebe als p1b_158.042 Feuer gedacht. Unterkat.: Genitivus objectivus p1b_158.043 Objekt: Unterkat.: Objekt Die Kirche hat einen guten Magen. Hier denkt man sich p1b_158.044 die Kirche als lebendes Wesen u. s. w. Unterkat.: Objekt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/192
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/192>, abgerufen am 23.11.2024.