Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Zehntes Kapitel. wendung von Todes wegen wurde der Erbeinsetzungsvertragaber bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts nicht anerkannt, und es war auch gar kein Bedürfniß dafür vorhanden, weil man sich schon früh unter der Vermittlung der Geistlichkeit mit den letztwilligen Verfügungen des römischen Rechts ver- traut gemacht hatte, und mit richtigem Tacte diese dem un- widerruflichen Vertrage vorzog, zumal da für denselben keine bestimmte gemeinrechtliche Form gewonnen ward. Allein seit der Mitte des 17. Jahrhunderts setzte sich unter den Juristen, welche die alte Vergabung mit dem Erbeinsetzungsvertrage ver- wechselten, die Ansicht fest, das letztere Geschäft habe von jeher in Deutschland in einer ganz allgemeinen Anwendung gegol- ten, und müsse auch gegen das Verbot des römischen Rechts aufrecht erhalten werden. Diese Ansicht, die bald unangefoch- ten in der Theorie da stand, erhielt noch eine besondere Stütze an der Lehre von der unbedingten Klagbarkeit aller Verträge, und bildete sich zu einer festen und gemeinsamen Ueberzeugung des deutschen Juristenstandes aus, welcher es auch vermochte, das Geschäft in eine gewisse, wenn auch nur spärliche Uebung zu bringen, und in den Fällen, wo es zur richterlichen Ent- scheidung kam, seine Anerkennung durchzusetzen. Diesem Ent- wicklungsgange der Lehre schloß sich denn auch allmälig die particuläre Gesetzgebung an, und recipirte das Institut in sei- ner weitesten Geltung. So hat sich der Erbeinsetzungsvertrag von geringen Anfängen im Volksrechte an als ein Product der Jurisprudenz und also als ein Bestandtheil des Juristen- rechts entwickelt, dem sich, so schwer es Einem auch bei der ganz unangemessenen Stellung desselben ankommen mag, die unbedingte Gemeinrechtlichkeit nicht absprechen läßt, wenn man nicht überhaupt das positive Recht aus Gründen der Zweck- Zehntes Kapitel. wendung von Todes wegen wurde der Erbeinſetzungsvertragaber bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts nicht anerkannt, und es war auch gar kein Beduͤrfniß dafuͤr vorhanden, weil man ſich ſchon fruͤh unter der Vermittlung der Geiſtlichkeit mit den letztwilligen Verfuͤgungen des roͤmiſchen Rechts ver- traut gemacht hatte, und mit richtigem Tacte dieſe dem un- widerruflichen Vertrage vorzog, zumal da fuͤr denſelben keine beſtimmte gemeinrechtliche Form gewonnen ward. Allein ſeit der Mitte des 17. Jahrhunderts ſetzte ſich unter den Juriſten, welche die alte Vergabung mit dem Erbeinſetzungsvertrage ver- wechſelten, die Anſicht feſt, das letztere Geſchaͤft habe von jeher in Deutſchland in einer ganz allgemeinen Anwendung gegol- ten, und muͤſſe auch gegen das Verbot des roͤmiſchen Rechts aufrecht erhalten werden. Dieſe Anſicht, die bald unangefoch- ten in der Theorie da ſtand, erhielt noch eine beſondere Stuͤtze an der Lehre von der unbedingten Klagbarkeit aller Vertraͤge, und bildete ſich zu einer feſten und gemeinſamen Ueberzeugung des deutſchen Juriſtenſtandes aus, welcher es auch vermochte, das Geſchaͤft in eine gewiſſe, wenn auch nur ſpaͤrliche Uebung zu bringen, und in den Faͤllen, wo es zur richterlichen Ent- ſcheidung kam, ſeine Anerkennung durchzuſetzen. Dieſem Ent- wicklungsgange der Lehre ſchloß ſich denn auch allmaͤlig die particulaͤre Geſetzgebung an, und recipirte das Inſtitut in ſei- ner weiteſten Geltung. So hat ſich der Erbeinſetzungsvertrag von geringen Anfaͤngen im Volksrechte an als ein Product der Jurisprudenz und alſo als ein Beſtandtheil des Juriſten- rechts entwickelt, dem ſich, ſo ſchwer es Einem auch bei der ganz unangemeſſenen Stellung deſſelben ankommen mag, die unbedingte Gemeinrechtlichkeit nicht abſprechen laͤßt, wenn man nicht uͤberhaupt das poſitive Recht aus Gruͤnden der Zweck- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0332" n="320"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Kapitel</hi>.</fw><lb/> wendung von Todes wegen wurde der Erbeinſetzungsvertrag<lb/> aber bis zur Mitte des 17. 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Zehntes Kapitel.
wendung von Todes wegen wurde der Erbeinſetzungsvertrag
aber bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts nicht anerkannt,
und es war auch gar kein Beduͤrfniß dafuͤr vorhanden, weil
man ſich ſchon fruͤh unter der Vermittlung der Geiſtlichkeit
mit den letztwilligen Verfuͤgungen des roͤmiſchen Rechts ver-
traut gemacht hatte, und mit richtigem Tacte dieſe dem un-
widerruflichen Vertrage vorzog, zumal da fuͤr denſelben keine
beſtimmte gemeinrechtliche Form gewonnen ward. Allein ſeit
der Mitte des 17. Jahrhunderts ſetzte ſich unter den Juriſten,
welche die alte Vergabung mit dem Erbeinſetzungsvertrage ver-
wechſelten, die Anſicht feſt, das letztere Geſchaͤft habe von jeher
in Deutſchland in einer ganz allgemeinen Anwendung gegol-
ten, und muͤſſe auch gegen das Verbot des roͤmiſchen Rechts
aufrecht erhalten werden. Dieſe Anſicht, die bald unangefoch-
ten in der Theorie da ſtand, erhielt noch eine beſondere Stuͤtze
an der Lehre von der unbedingten Klagbarkeit aller Vertraͤge,
und bildete ſich zu einer feſten und gemeinſamen Ueberzeugung
des deutſchen Juriſtenſtandes aus, welcher es auch vermochte,
das Geſchaͤft in eine gewiſſe, wenn auch nur ſpaͤrliche Uebung
zu bringen, und in den Faͤllen, wo es zur richterlichen Ent-
ſcheidung kam, ſeine Anerkennung durchzuſetzen. Dieſem Ent-
wicklungsgange der Lehre ſchloß ſich denn auch allmaͤlig die
particulaͤre Geſetzgebung an, und recipirte das Inſtitut in ſei-
ner weiteſten Geltung. So hat ſich der Erbeinſetzungsvertrag
von geringen Anfaͤngen im Volksrechte an als ein Product
der Jurisprudenz und alſo als ein Beſtandtheil des Juriſten-
rechts entwickelt, dem ſich, ſo ſchwer es Einem auch bei der
ganz unangemeſſenen Stellung deſſelben ankommen mag, die
unbedingte Gemeinrechtlichkeit nicht abſprechen laͤßt, wenn man
nicht uͤberhaupt das poſitive Recht aus Gruͤnden der Zweck-
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