Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Methode des Juristenrechts. mäßigkeit in Abrede stellen, und dadurch einen Zustand derUnsicherheit und der Willkühr herbeiführen will, der schlimmer ist, als die thatsächlich doch nur beschränkte Geltung jenes miß- lungenen Instituts.*) Einen Gegensatz zu der Entwicklungsgeschichte der Lehre *) Gegen diese Darstellung, welche ich in meiner Lehre von den Erb- verträgen weitläuftiger begründet habe, ist freilich von Albrecht (Krit. Jahrbücher für deutsche Rechtswissensch. VI. 4. S. 323 ff.) ein Bedenken erhoben worden, welches aber, wie mir scheint, zum großen Theile auf einem Mißverständnisse beruht, und durch die weitere Ausführung, welche ich in dieser Schrift über die Natur des Juristenrechts gegeben habe, bereits beseitigt seyn möchte. Denn nicht die bloß theoretischen Ansichten der Juristen halte ich für dessen Quelle, sondern die sich auch practisch geltend machende Ueberzeugung derselben, welche aber immerhin dem wahren Be- dürfnisse des Volkes nicht entsprechen kann. Damit steht denn auch nicht in Widerspruch, wenn ich Hasse's Deduction des Vermächtnißvertrags ver- worfen habe; denn in diesem Falle handelte es sich, wenigstens nach mei- nem Dafürhalten, nicht um ein geschichtlich ausgeprägtes Institut des po- sitiven Rechts, sondern um die Meinung eines einzelnen Juristen, die ich auf die verwerfliche Ansicht von der selbständigen Bedeutung der Jurispru- denz als einer gelehrten Disciplin im Gegensatz zum Rechtsleben glaubte zurückführen zu können. -- Uebrigens habe ich ja nie behauptet, daß die Juristen den Erbeinsetzungsvertrag ganz ersonnen haben; durch irgend eine besondere Veranlassung wird jedes Institut des Juristenrechts hervor- gerufen seyn, wenn auch nicht immer durch ein practisches Bedürfniß, und wenn auch vielleicht Irrthum und Unverstand zuweilen das Meiste zur Ausbildung beitrugen. Den Erbeinsetzungsvertrag unter Ehegatten habe ich ja als ein selbständiges Product des germanischen Rechtslebens aner- kannt, und nur die unbegründete Generalisirung dieses Geschäftes den Ju- risten zugewiesen. Wenn Albrecht darin eine organische Entwicklung nachzuweisen sucht, so ist das wohl ein vergebliches Bemühen; was er aber von dem sogenannten particulären Erbvertrage sagt, möchte doch, ab- gesehen von der Controverse über dessen ursprüngliche Bedeutung, schon deswegen nicht für zutreffend gelten können, weil dieses Geschäft auf die Entwicklung der Lehre von den Erbverträgen in der gemeinrechtlichen Doc- trin keinen irgendwie nachhaltigen Einfluß ausgeübt hat. Beseler, Volksrecht. 21
Methode des Juriſtenrechts. maͤßigkeit in Abrede ſtellen, und dadurch einen Zuſtand derUnſicherheit und der Willkuͤhr herbeifuͤhren will, der ſchlimmer iſt, als die thatſaͤchlich doch nur beſchraͤnkte Geltung jenes miß- lungenen Inſtituts.*) Einen Gegenſatz zu der Entwicklungsgeſchichte der Lehre *) Gegen dieſe Darſtellung, welche ich in meiner Lehre von den Erb- vertraͤgen weitlaͤuftiger begruͤndet habe, iſt freilich von Albrecht (Krit. Jahrbuͤcher fuͤr deutſche Rechtswiſſenſch. VI. 4. S. 323 ff.) ein Bedenken erhoben worden, welches aber, wie mir ſcheint, zum großen Theile auf einem Mißverſtaͤndniſſe beruht, und durch die weitere Ausfuͤhrung, welche ich in dieſer Schrift uͤber die Natur des Juriſtenrechts gegeben habe, bereits beſeitigt ſeyn moͤchte. Denn nicht die bloß theoretiſchen Anſichten der Juriſten halte ich fuͤr deſſen Quelle, ſondern die ſich auch practiſch geltend machende Ueberzeugung derſelben, welche aber immerhin dem wahren Be- duͤrfniſſe des Volkes nicht entſprechen kann. Damit ſteht denn auch nicht in Widerſpruch, wenn ich Haſſe’s Deduction des Vermaͤchtnißvertrags ver- worfen habe; denn in dieſem Falle handelte es ſich, wenigſtens nach mei- nem Dafuͤrhalten, nicht um ein geſchichtlich ausgepraͤgtes Inſtitut des po- ſitiven Rechts, ſondern um die Meinung eines einzelnen Juriſten, die ich auf die verwerfliche Anſicht von der ſelbſtaͤndigen Bedeutung der Jurispru- denz als einer gelehrten Disciplin im Gegenſatz zum Rechtsleben glaubte zuruͤckfuͤhren zu koͤnnen. — Uebrigens habe ich ja nie behauptet, daß die Juriſten den Erbeinſetzungsvertrag ganz erſonnen haben; durch irgend eine beſondere Veranlaſſung wird jedes Inſtitut des Juriſtenrechts hervor- gerufen ſeyn, wenn auch nicht immer durch ein practiſches Beduͤrfniß, und wenn auch vielleicht Irrthum und Unverſtand zuweilen das Meiſte zur Ausbildung beitrugen. Den Erbeinſetzungsvertrag unter Ehegatten habe ich ja als ein ſelbſtaͤndiges Product des germaniſchen Rechtslebens aner- kannt, und nur die unbegruͤndete Generaliſirung dieſes Geſchaͤftes den Ju- riſten zugewieſen. Wenn Albrecht darin eine organiſche Entwicklung nachzuweiſen ſucht, ſo iſt das wohl ein vergebliches Bemuͤhen; was er aber von dem ſogenannten particulaͤren Erbvertrage ſagt, moͤchte doch, ab- geſehen von der Controverſe uͤber deſſen urſpruͤngliche Bedeutung, ſchon deswegen nicht fuͤr zutreffend gelten koͤnnen, weil dieſes Geſchaͤft auf die Entwicklung der Lehre von den Erbvertraͤgen in der gemeinrechtlichen Doc- trin keinen irgendwie nachhaltigen Einfluß ausgeuͤbt hat. Beſeler, Volksrecht. 21
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Methode des Juriſtenrechts.
maͤßigkeit in Abrede ſtellen, und dadurch einen Zuſtand der
Unſicherheit und der Willkuͤhr herbeifuͤhren will, der ſchlimmer
iſt, als die thatſaͤchlich doch nur beſchraͤnkte Geltung jenes miß-
lungenen Inſtituts. *)
Einen Gegenſatz zu der Entwicklungsgeſchichte der Lehre
von den Erbvertraͤgen liefert die von den Teſtamentsexecutoren,
indem ſich bei derſelben ein merkwuͤrdiger Wechſel in der ju-
*) Gegen dieſe Darſtellung, welche ich in meiner Lehre von den Erb-
vertraͤgen weitlaͤuftiger begruͤndet habe, iſt freilich von Albrecht (Krit.
Jahrbuͤcher fuͤr deutſche Rechtswiſſenſch. VI. 4. S. 323 ff.) ein Bedenken
erhoben worden, welches aber, wie mir ſcheint, zum großen Theile auf
einem Mißverſtaͤndniſſe beruht, und durch die weitere Ausfuͤhrung, welche ich
in dieſer Schrift uͤber die Natur des Juriſtenrechts gegeben habe, bereits
beſeitigt ſeyn moͤchte. Denn nicht die bloß theoretiſchen Anſichten der
Juriſten halte ich fuͤr deſſen Quelle, ſondern die ſich auch practiſch geltend
machende Ueberzeugung derſelben, welche aber immerhin dem wahren Be-
duͤrfniſſe des Volkes nicht entſprechen kann. Damit ſteht denn auch nicht
in Widerſpruch, wenn ich Haſſe’s Deduction des Vermaͤchtnißvertrags ver-
worfen habe; denn in dieſem Falle handelte es ſich, wenigſtens nach mei-
nem Dafuͤrhalten, nicht um ein geſchichtlich ausgepraͤgtes Inſtitut des po-
ſitiven Rechts, ſondern um die Meinung eines einzelnen Juriſten, die ich
auf die verwerfliche Anſicht von der ſelbſtaͤndigen Bedeutung der Jurispru-
denz als einer gelehrten Disciplin im Gegenſatz zum Rechtsleben glaubte
zuruͤckfuͤhren zu koͤnnen. — Uebrigens habe ich ja nie behauptet, daß die
Juriſten den Erbeinſetzungsvertrag ganz erſonnen haben; durch irgend
eine beſondere Veranlaſſung wird jedes Inſtitut des Juriſtenrechts hervor-
gerufen ſeyn, wenn auch nicht immer durch ein practiſches Beduͤrfniß, und
wenn auch vielleicht Irrthum und Unverſtand zuweilen das Meiſte zur
Ausbildung beitrugen. Den Erbeinſetzungsvertrag unter Ehegatten habe
ich ja als ein ſelbſtaͤndiges Product des germaniſchen Rechtslebens aner-
kannt, und nur die unbegruͤndete Generaliſirung dieſes Geſchaͤftes den Ju-
riſten zugewieſen. Wenn Albrecht darin eine organiſche Entwicklung
nachzuweiſen ſucht, ſo iſt das wohl ein vergebliches Bemuͤhen; was er
aber von dem ſogenannten particulaͤren Erbvertrage ſagt, moͤchte doch, ab-
geſehen von der Controverſe uͤber deſſen urſpruͤngliche Bedeutung, ſchon
deswegen nicht fuͤr zutreffend gelten koͤnnen, weil dieſes Geſchaͤft auf die
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trin keinen irgendwie nachhaltigen Einfluß ausgeuͤbt hat.
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