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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Methode des Juristenrechts.
lich ergiebt, wenn man das Verhältniß, in welchem die pein-
liche Halsgerichtsordnung Karl V. und der jüngste Reichsab-
schied von 1654. zum gemeinen deutschen Rechte stehen, in
seiner geschichtlichen Entwicklung verfolgt. -- Selbst bei den
neueren Gesetzbüchern läßt sich, so weit es ihre größere Selb-
ständigkeit gestattet, eine ähnliche wechselseitige Beziehung zwi-
schen ihnen und der gemeinrechtlichen Theorie nachweisen.
Während man z. B. im preußischen Landrecht bei manchen
Lehren, auch ohne die Vorarbeiten zu kennen, gewisse unter
den Juristen zur Zeit der Abfassung gerade vorherrschende An-
sichten verfolgen kann, so hat es umgekehrt auch wieder auf
die Gestaltung der späteren Theorie wesentlich eingewirkt, und
namentlich manchen Lehren des deutschen Privatrechts etwas
von seiner eigenthümlichen Färbung mitgetheilt. Aehnlich ver-
hält es sich mit dem österreichischen Gesetzbuch, welches z. B.
auf die gemeinrechtliche Lehre von der Collision coordinirter
Rechtsquellen einen bestimmten Einfluß ausgeübt hat.

Wenn man nun diese verschiedenen Seiten der Wirksam-
keit des Juristenstandes gehörig erfaßt, und sie in ihrem innern
Zusammenhange und in ihrer Beziehung zu der allgemeinen
modernen Rechtsbildung in Deutschland richtig zu würdigen
weiß, so wird man eben das positive Juristenrecht mit einer
so großen Sicherheit und Bestimmtheit, wie sie überhaupt eine
wissenschaftliche Entwicklung gewähren kann, darzustellen ver-
mögen. Dabei kommt es denn freilich vor Allem darauf an,
die juristische Ueberzeugung der Gegenwart zur vollkommenen
Klarheit zu erheben, und die darin wurzelnden Institute und
Rechtssätze wissenschaftlich zu begründen. Allein die allgemeine
Natur des Juristenrechts bringt es schon mit sich, daß dessen
tieferes Verständniß nicht aus der Betrachtung einer einzelnen

Methode des Juriſtenrechts.
lich ergiebt, wenn man das Verhaͤltniß, in welchem die pein-
liche Halsgerichtsordnung Karl V. und der juͤngſte Reichsab-
ſchied von 1654. zum gemeinen deutſchen Rechte ſtehen, in
ſeiner geſchichtlichen Entwicklung verfolgt. — Selbſt bei den
neueren Geſetzbuͤchern laͤßt ſich, ſo weit es ihre groͤßere Selb-
ſtaͤndigkeit geſtattet, eine aͤhnliche wechſelſeitige Beziehung zwi-
ſchen ihnen und der gemeinrechtlichen Theorie nachweiſen.
Waͤhrend man z. B. im preußiſchen Landrecht bei manchen
Lehren, auch ohne die Vorarbeiten zu kennen, gewiſſe unter
den Juriſten zur Zeit der Abfaſſung gerade vorherrſchende An-
ſichten verfolgen kann, ſo hat es umgekehrt auch wieder auf
die Geſtaltung der ſpaͤteren Theorie weſentlich eingewirkt, und
namentlich manchen Lehren des deutſchen Privatrechts etwas
von ſeiner eigenthuͤmlichen Faͤrbung mitgetheilt. Aehnlich ver-
haͤlt es ſich mit dem oͤſterreichiſchen Geſetzbuch, welches z. B.
auf die gemeinrechtliche Lehre von der Colliſion coordinirter
Rechtsquellen einen beſtimmten Einfluß ausgeuͤbt hat.

Wenn man nun dieſe verſchiedenen Seiten der Wirkſam-
keit des Juriſtenſtandes gehoͤrig erfaßt, und ſie in ihrem innern
Zuſammenhange und in ihrer Beziehung zu der allgemeinen
modernen Rechtsbildung in Deutſchland richtig zu wuͤrdigen
weiß, ſo wird man eben das poſitive Juriſtenrecht mit einer
ſo großen Sicherheit und Beſtimmtheit, wie ſie uͤberhaupt eine
wiſſenſchaftliche Entwicklung gewaͤhren kann, darzuſtellen ver-
moͤgen. Dabei kommt es denn freilich vor Allem darauf an,
die juriſtiſche Ueberzeugung der Gegenwart zur vollkommenen
Klarheit zu erheben, und die darin wurzelnden Inſtitute und
Rechtsſaͤtze wiſſenſchaftlich zu begruͤnden. Allein die allgemeine
Natur des Juriſtenrechts bringt es ſchon mit ſich, daß deſſen
tieferes Verſtaͤndniß nicht aus der Betrachtung einer einzelnen

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[315/0327] Methode des Juriſtenrechts. lich ergiebt, wenn man das Verhaͤltniß, in welchem die pein- liche Halsgerichtsordnung Karl V. und der juͤngſte Reichsab- ſchied von 1654. zum gemeinen deutſchen Rechte ſtehen, in ſeiner geſchichtlichen Entwicklung verfolgt. — Selbſt bei den neueren Geſetzbuͤchern laͤßt ſich, ſo weit es ihre groͤßere Selb- ſtaͤndigkeit geſtattet, eine aͤhnliche wechſelſeitige Beziehung zwi- ſchen ihnen und der gemeinrechtlichen Theorie nachweiſen. Waͤhrend man z. B. im preußiſchen Landrecht bei manchen Lehren, auch ohne die Vorarbeiten zu kennen, gewiſſe unter den Juriſten zur Zeit der Abfaſſung gerade vorherrſchende An- ſichten verfolgen kann, ſo hat es umgekehrt auch wieder auf die Geſtaltung der ſpaͤteren Theorie weſentlich eingewirkt, und namentlich manchen Lehren des deutſchen Privatrechts etwas von ſeiner eigenthuͤmlichen Faͤrbung mitgetheilt. Aehnlich ver- haͤlt es ſich mit dem oͤſterreichiſchen Geſetzbuch, welches z. B. auf die gemeinrechtliche Lehre von der Colliſion coordinirter Rechtsquellen einen beſtimmten Einfluß ausgeuͤbt hat. Wenn man nun dieſe verſchiedenen Seiten der Wirkſam- keit des Juriſtenſtandes gehoͤrig erfaßt, und ſie in ihrem innern Zuſammenhange und in ihrer Beziehung zu der allgemeinen modernen Rechtsbildung in Deutſchland richtig zu wuͤrdigen weiß, ſo wird man eben das poſitive Juriſtenrecht mit einer ſo großen Sicherheit und Beſtimmtheit, wie ſie uͤberhaupt eine wiſſenſchaftliche Entwicklung gewaͤhren kann, darzuſtellen ver- moͤgen. Dabei kommt es denn freilich vor Allem darauf an, die juriſtiſche Ueberzeugung der Gegenwart zur vollkommenen Klarheit zu erheben, und die darin wurzelnden Inſtitute und Rechtsſaͤtze wiſſenſchaftlich zu begruͤnden. Allein die allgemeine Natur des Juriſtenrechts bringt es ſchon mit ſich, daß deſſen tieferes Verſtaͤndniß nicht aus der Betrachtung einer einzelnen

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/327>, abgerufen am 24.11.2024.