Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Sechstes Kapitel. von dem Einzelwillen ablöst, und zu einer neuen Form sich verkör-pert. Der Associationsgeist mit seiner schaffenden Kraft, der auch in der Stille der geschichtlichen Entwicklung sich verbergen kann, tritt hier mit einer concentrirten Wirksamkeit auf, und ruft ein be- wußtes Handeln und durch dieses die Genossenschaft hervor. Allein diese Auffassung der Sache ist nicht die gewöhn- Sechſtes Kapitel. von dem Einzelwillen abloͤſt, und zu einer neuen Form ſich verkoͤr-pert. Der Aſſociationsgeiſt mit ſeiner ſchaffenden Kraft, der auch in der Stille der geſchichtlichen Entwicklung ſich verbergen kann, tritt hier mit einer concentrirten Wirkſamkeit auf, und ruft ein be- wußtes Handeln und durch dieſes die Genoſſenſchaft hervor. Allein dieſe Auffaſſung der Sache iſt nicht die gewoͤhn- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0184" n="172"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechſtes Kapitel</hi>.</fw><lb/> von dem Einzelwillen abloͤſt, und zu einer neuen Form ſich verkoͤr-<lb/> pert. Der Aſſociationsgeiſt mit ſeiner ſchaffenden Kraft, der auch<lb/> in der Stille der geſchichtlichen Entwicklung ſich verbergen kann,<lb/> tritt hier mit einer concentrirten Wirkſamkeit auf, und ruft ein be-<lb/> wußtes Handeln und durch dieſes die Genoſſenſchaft hervor.</p><lb/> <p>Allein dieſe Auffaſſung der Sache iſt nicht die gewoͤhn-<lb/> liche; vielmehr iſt die Anſicht allgemein verbreitet, daß jede<lb/> juriſtiſche Perſon und alſo auch die Genoſſenſchaft nicht durch<lb/> Privatwillkuͤhr, ſondern nur durch die Staatsgewalt ins Leben<lb/> gerufen werden kann. Dabei herrſcht freilich in der weitern<lb/> Durchfuͤhrung der Lehre keine Uebereinſtimmung: bald ſoll der<lb/> Act der Conſtituirung nur vom Staate ausgehen koͤnnen, ſo<lb/> daß jede andere dabei entwickelte Thaͤtigkeit juriſtiſch nicht in<lb/> Betracht zu kommen ſcheint, oder die ertheilte Confirmation<lb/> gar nur als eine beliebig zuruͤckzuziehende Conceſſion gedeutet<lb/> wird; bald wird die ausdruͤckliche Staatsgenehmigung als eine<lb/> nothwendige Form verlangt, welche dem Act der Begruͤndung<lb/> nur das Siegel der Legalitaͤt aufdruͤckt; bald ſoll auch die<lb/> ſtillſchweigende Genehmigung des Staates durch wiſſentliche<lb/> Duldung und thatſaͤchliche Anerkennung genuͤgen, ſo daß es<lb/> ausreichend iſt, wenn der Staat nur Kunde von der juriſti-<lb/> ſchen Perſon erhalten hat, und nicht verbietend dagegen ein-<lb/> ſchreitet. Daß dieſe Anſichten, welche ſich nicht ſelten bei dem-<lb/> ſelben Schriftſteller in bunter Miſchung neben einander finden,<lb/> ihrem Weſen nach verſchieden ſind, liegt auf flacher Hand:<lb/> die erſte ſieht in der Staatsgewalt die ausſchließliche Quelle<lb/> der juriſtiſchen Perſon; die zweite verlangt nur bei der Be-<lb/> gruͤndung ihre Mitwirkung, und laͤßt dabei alſo auch andere<lb/> Factoren zu; die dritte endlich raͤumt die Moͤglichkeit der Exi-<lb/> ſtenz auch unabhaͤngig von der Staatsgewalt ein, da, was ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0184]
Sechſtes Kapitel.
von dem Einzelwillen abloͤſt, und zu einer neuen Form ſich verkoͤr-
pert. Der Aſſociationsgeiſt mit ſeiner ſchaffenden Kraft, der auch
in der Stille der geſchichtlichen Entwicklung ſich verbergen kann,
tritt hier mit einer concentrirten Wirkſamkeit auf, und ruft ein be-
wußtes Handeln und durch dieſes die Genoſſenſchaft hervor.
Allein dieſe Auffaſſung der Sache iſt nicht die gewoͤhn-
liche; vielmehr iſt die Anſicht allgemein verbreitet, daß jede
juriſtiſche Perſon und alſo auch die Genoſſenſchaft nicht durch
Privatwillkuͤhr, ſondern nur durch die Staatsgewalt ins Leben
gerufen werden kann. Dabei herrſcht freilich in der weitern
Durchfuͤhrung der Lehre keine Uebereinſtimmung: bald ſoll der
Act der Conſtituirung nur vom Staate ausgehen koͤnnen, ſo
daß jede andere dabei entwickelte Thaͤtigkeit juriſtiſch nicht in
Betracht zu kommen ſcheint, oder die ertheilte Confirmation
gar nur als eine beliebig zuruͤckzuziehende Conceſſion gedeutet
wird; bald wird die ausdruͤckliche Staatsgenehmigung als eine
nothwendige Form verlangt, welche dem Act der Begruͤndung
nur das Siegel der Legalitaͤt aufdruͤckt; bald ſoll auch die
ſtillſchweigende Genehmigung des Staates durch wiſſentliche
Duldung und thatſaͤchliche Anerkennung genuͤgen, ſo daß es
ausreichend iſt, wenn der Staat nur Kunde von der juriſti-
ſchen Perſon erhalten hat, und nicht verbietend dagegen ein-
ſchreitet. Daß dieſe Anſichten, welche ſich nicht ſelten bei dem-
ſelben Schriftſteller in bunter Miſchung neben einander finden,
ihrem Weſen nach verſchieden ſind, liegt auf flacher Hand:
die erſte ſieht in der Staatsgewalt die ausſchließliche Quelle
der juriſtiſchen Perſon; die zweite verlangt nur bei der Be-
gruͤndung ihre Mitwirkung, und laͤßt dabei alſo auch andere
Factoren zu; die dritte endlich raͤumt die Moͤglichkeit der Exi-
ſtenz auch unabhaͤngig von der Staatsgewalt ein, da, was ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |