Während also der §. 52. des Entwurfs von 1843. in veränderter Fassung aufrecht erhalten wurde, ließ man im Ministerium für die Gesetz-Revision den §. 53. Ganz fallen. "Er sagt eigentlich nichts, als: Vorsatz und Fahrlässigkeit sind strafbar, soweit sie vorhanden sind. Das Gesetzbuch thut genug, wenn es den Umfang des strafbaren Dolus er- schöpfend angiebt. Die Gleichstellung des dolus indeterminatus mit dem direkten Dolus versteht sich nicht von selbst, sondern ist im Gesetz positiv auszusprechen. Will man dagegen auch von der culpa dolo determinata im Gesetzbuche sprechen, so muß man konsequent die ganze doktrinelle Behandlung des Dolus und der Culpa mit hineinziehen. Wenn sich aber der §. 53 in den Fällen, auf welche er unbedenklich angewendet werden kann, von selbst versteht, so kann er umgekehrt in den Fällen, in welchen er sich nicht von selbst versteht, zu bedenklichen Anwendungen, ja zu einer Verwirrung der Grenzen zwischen der culpa dolo determinata und dem dolus indeterminatus führen." l)
In Beziehung auf den §. 53 erklärte man sich in der Staats- raths-Kommission mit diesen Ausführungen einverstanden, aber man ging noch weiter, und verlangte auch die Fortlassung des an die Stelle von §. 52. getretenen §. 41. des revidirten Entwurfs. Namentlich be- merkte der Justizminister Uhden: Jeder bisherige Versuch, die verwik- kelte und schwierige Lehre vom dolus in die Form des Gesetzes zu fassen, sei gescheitert. Die Fassung, welche gegenwärtig vorliege, sei die vierte, und es stehe dahin, ob sie alle Ausstellungen beseitige und als eine gelungene zu betrachten sei. Der §. 41 habe eine rein doktri- nelle Bedeutung; er enthalte nichts als eine Begriffsbestimmung, eine Definition. Solche Sätze müsse der Gesetzgeber aus der Wissenschaft voraussetzen, und in ihrer Fortbildung der Doktrin überlassen, welche der Richter seiner Seits zu Rathe ziehe. Gerade der vorliegende Ge- genstand sei ein Punkt, wo es das Angemessenste sei, auf das Ermessen und den gesunden praktischen Verstand des Richters zu vertrauen. Je mehr man es versuche, das Arbitrium des Richters durch Spezial- bestimmungen zu fesseln, um so weniger werde dieß bei der vielseitigen Auslegung, deren solche komplizirte Vorschriften fähig seien, gelingen.
Zwar wurde hierauf von dem Justizminister v. Savigny erwie- dert, die Vorschrift des §. 41. sei nicht lediglich eine Frage der Doktrin, vielmehr habe sie den Zweck, die in der Wissenschaft und Praxis strei- tigen Fragen über den dolus alternativus, eventualis und indetermi- natus zu entscheiden. Allein die Majorität der Kommission beschloß,
l) a. a. O. S. 131.
§. VIII. Vorſatz und Fahrläſſigkeit.
Während alſo der §. 52. des Entwurfs von 1843. in veränderter Faſſung aufrecht erhalten wurde, ließ man im Miniſterium für die Geſetz-Reviſion den §. 53. Ganz fallen. „Er ſagt eigentlich nichts, als: Vorſatz und Fahrläſſigkeit ſind ſtrafbar, ſoweit ſie vorhanden ſind. Das Geſetzbuch thut genug, wenn es den Umfang des ſtrafbaren Dolus er- ſchöpfend angiebt. Die Gleichſtellung des dolus indeterminatus mit dem direkten Dolus verſteht ſich nicht von ſelbſt, ſondern iſt im Geſetz poſitiv auszuſprechen. Will man dagegen auch von der culpa dolo determinata im Geſetzbuche ſprechen, ſo muß man konſequent die ganze doktrinelle Behandlung des Dolus und der Culpa mit hineinziehen. Wenn ſich aber der §. 53 in den Fällen, auf welche er unbedenklich angewendet werden kann, von ſelbſt verſteht, ſo kann er umgekehrt in den Fällen, in welchen er ſich nicht von ſelbſt verſteht, zu bedenklichen Anwendungen, ja zu einer Verwirrung der Grenzen zwiſchen der culpa dolo determinata und dem dolus indeterminatus führen.“ l)
In Beziehung auf den §. 53 erklärte man ſich in der Staats- raths-Kommiſſion mit dieſen Ausführungen einverſtanden, aber man ging noch weiter, und verlangte auch die Fortlaſſung des an die Stelle von §. 52. getretenen §. 41. des revidirten Entwurfs. Namentlich be- merkte der Juſtizminiſter Uhden: Jeder bisherige Verſuch, die verwik- kelte und ſchwierige Lehre vom dolus in die Form des Geſetzes zu faſſen, ſei geſcheitert. Die Faſſung, welche gegenwärtig vorliege, ſei die vierte, und es ſtehe dahin, ob ſie alle Ausſtellungen beſeitige und als eine gelungene zu betrachten ſei. Der §. 41 habe eine rein doktri- nelle Bedeutung; er enthalte nichts als eine Begriffsbeſtimmung, eine Definition. Solche Sätze müſſe der Geſetzgeber aus der Wiſſenſchaft vorausſetzen, und in ihrer Fortbildung der Doktrin überlaſſen, welche der Richter ſeiner Seits zu Rathe ziehe. Gerade der vorliegende Ge- genſtand ſei ein Punkt, wo es das Angemeſſenſte ſei, auf das Ermeſſen und den geſunden praktiſchen Verſtand des Richters zu vertrauen. Je mehr man es verſuche, das Arbitrium des Richters durch Spezial- beſtimmungen zu feſſeln, um ſo weniger werde dieß bei der vielſeitigen Auslegung, deren ſolche komplizirte Vorſchriften fähig ſeien, gelingen.
Zwar wurde hierauf von dem Juſtizminiſter v. Savigny erwie- dert, die Vorſchrift des §. 41. ſei nicht lediglich eine Frage der Doktrin, vielmehr habe ſie den Zweck, die in der Wiſſenſchaft und Praxis ſtrei- tigen Fragen über den dolus alternativus, eventualis und indetermi- natus zu entſcheiden. Allein die Majorität der Kommiſſion beſchloß,
l) a. a. O. S. 131.
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[41/0051]
§. VIII. Vorſatz und Fahrläſſigkeit.
Während alſo der §. 52. des Entwurfs von 1843. in veränderter
Faſſung aufrecht erhalten wurde, ließ man im Miniſterium für die
Geſetz-Reviſion den §. 53. Ganz fallen. „Er ſagt eigentlich nichts, als:
Vorſatz und Fahrläſſigkeit ſind ſtrafbar, ſoweit ſie vorhanden ſind. Das
Geſetzbuch thut genug, wenn es den Umfang des ſtrafbaren Dolus er-
ſchöpfend angiebt. Die Gleichſtellung des dolus indeterminatus mit
dem direkten Dolus verſteht ſich nicht von ſelbſt, ſondern iſt im Geſetz
poſitiv auszuſprechen. Will man dagegen auch von der culpa dolo
determinata im Geſetzbuche ſprechen, ſo muß man konſequent die ganze
doktrinelle Behandlung des Dolus und der Culpa mit hineinziehen.
Wenn ſich aber der §. 53 in den Fällen, auf welche er unbedenklich
angewendet werden kann, von ſelbſt verſteht, ſo kann er umgekehrt in
den Fällen, in welchen er ſich nicht von ſelbſt verſteht, zu bedenklichen
Anwendungen, ja zu einer Verwirrung der Grenzen zwiſchen der culpa
dolo determinata und dem dolus indeterminatus führen.“ l)
In Beziehung auf den §. 53 erklärte man ſich in der Staats-
raths-Kommiſſion mit dieſen Ausführungen einverſtanden, aber man
ging noch weiter, und verlangte auch die Fortlaſſung des an die Stelle
von §. 52. getretenen §. 41. des revidirten Entwurfs. Namentlich be-
merkte der Juſtizminiſter Uhden: Jeder bisherige Verſuch, die verwik-
kelte und ſchwierige Lehre vom dolus in die Form des Geſetzes zu
faſſen, ſei geſcheitert. Die Faſſung, welche gegenwärtig vorliege, ſei
die vierte, und es ſtehe dahin, ob ſie alle Ausſtellungen beſeitige und
als eine gelungene zu betrachten ſei. Der §. 41 habe eine rein doktri-
nelle Bedeutung; er enthalte nichts als eine Begriffsbeſtimmung, eine
Definition. Solche Sätze müſſe der Geſetzgeber aus der Wiſſenſchaft
vorausſetzen, und in ihrer Fortbildung der Doktrin überlaſſen, welche
der Richter ſeiner Seits zu Rathe ziehe. Gerade der vorliegende Ge-
genſtand ſei ein Punkt, wo es das Angemeſſenſte ſei, auf das Ermeſſen
und den geſunden praktiſchen Verſtand des Richters zu vertrauen. Je
mehr man es verſuche, das Arbitrium des Richters durch Spezial-
beſtimmungen zu feſſeln, um ſo weniger werde dieß bei der vielſeitigen
Auslegung, deren ſolche komplizirte Vorſchriften fähig ſeien, gelingen.
Zwar wurde hierauf von dem Juſtizminiſter v. Savigny erwie-
dert, die Vorſchrift des §. 41. ſei nicht lediglich eine Frage der Doktrin,
vielmehr habe ſie den Zweck, die in der Wiſſenſchaft und Praxis ſtrei-
tigen Fragen über den dolus alternativus, eventualis und indetermi-
natus zu entſcheiden. Allein die Majorität der Kommiſſion beſchloß,
l) a. a. O. S. 131.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/51>, abgerufen am 24.11.2024.
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