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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. VIII. Vorsatz und Fahrlässigkeit.
aber später, denselben an dieser Stelle in einer etwas erweiterten Fas-
sung beizubehalten. Gegen den §. 52 waren aber in allen seinen Thei-
len die entschiedensten Bedenken erhoben worden. Den ersten Absatz
hatten viele Monenten für überflüssig erklärt oder doch die in demselben
vorwaltende Vermischung der Begriffe von Vorsatz und Absicht, so wie
die geforderte Uebereinstimmung des Vorsatzes und des Erfolges geta-
delt. Der zweite Absatz war ebenfalls nicht nur als entbehrlich an-
gegriffen, sondern auch nach Inhalt und Form getadelt worden; man
besorgte namentlich eine Verwirrung der Begriffe des Dolus und der
Culpa von der Wendung: "nicht außer der Absicht" und "für den als
möglich vorauszusehenden Fall;" es sei zweifelhaft, ob man hier mehr
den s. g. dolus alternativus oder eventualis bezeichnet habe. Auch der
dritte Absatz war als überflüssig oder in seiner Allgemeinheit unrichtig
angefochten worden. Daß auf das Motiv des Vorsatzes nichts an-
komme, verstehe sich von selbst, wolle man aber des Irrthums gedenken,
so sei nicht bloß der Irrthum in der Person, sondern auch der Irrthum
in der Sache, in den Mitteln oder in der Handlung selbst zu berück-
sichtigen, und jeder Verwirrung zwischen dem error in objecto und der
aberratio criminis (ictus) vorzubeugen. Statt Irrthum hätte es hier:
Verwechslung heißen müssen. g)

In dem Ministerium für die Gesetz-Revision wurde anerkannt, daß
die Definition zu Anfang des §. 52. verfehlt sei und auch der Schluß-
satz als entbehrlich und in seiner Allgemeinheit zu weit gehend aufge-
geben werden müsse. Dagegen glaubte man einer Vorschrift über den
dolus indeterminatus nicht entbehren zu können, wenn auch die in dem
Entwurf gegebene nicht aufrecht zu halten sei. Die verschiedenen For-
men des technisch s. g. dolus alternativus, eventualis und indetermi-
natus
seien ihrem inneren Wesen nach gleichbedeutend. Beim dolus
alternativus
habe der Thäter den einen oder den andern möglichen Er-
folg -- keinen ausschließend -- beabsichtigt. Beim eventualis habe er
zunächst nur den Einen Erfolg im Auge gehabt, auf einen möglichen
andern Erfolg es aber gleichwohl auch ankommen lassen. Bei dem
vorzugsweise s. g. dolus indeterminatus endlich habe er eine Rechts-
verletzung vornehmen wollen, die verschiedene mögliche Folgen haben
konnte, und er sei einverstanden mit jedem dieser möglichen Erfolge
gewesen, ohne irgend einen derselben klar zu denken und zu wollen,
aber indem er, unbekümmert um den Erfolg, alles auf sich genommen,

g) Revision des Entwurfs des Strafgesetzbuchs von 1843. I.
S. 127, 128.

§. VIII. Vorſatz und Fahrläſſigkeit.
aber ſpäter, denſelben an dieſer Stelle in einer etwas erweiterten Faſ-
ſung beizubehalten. Gegen den §. 52 waren aber in allen ſeinen Thei-
len die entſchiedenſten Bedenken erhoben worden. Den erſten Abſatz
hatten viele Monenten für überflüſſig erklärt oder doch die in demſelben
vorwaltende Vermiſchung der Begriffe von Vorſatz und Abſicht, ſo wie
die geforderte Uebereinſtimmung des Vorſatzes und des Erfolges geta-
delt. Der zweite Abſatz war ebenfalls nicht nur als entbehrlich an-
gegriffen, ſondern auch nach Inhalt und Form getadelt worden; man
beſorgte namentlich eine Verwirrung der Begriffe des Dolus und der
Culpa von der Wendung: „nicht außer der Abſicht“ und „für den als
möglich vorauszuſehenden Fall;“ es ſei zweifelhaft, ob man hier mehr
den ſ. g. dolus alternativus oder eventualis bezeichnet habe. Auch der
dritte Abſatz war als überflüſſig oder in ſeiner Allgemeinheit unrichtig
angefochten worden. Daß auf das Motiv des Vorſatzes nichts an-
komme, verſtehe ſich von ſelbſt, wolle man aber des Irrthums gedenken,
ſo ſei nicht bloß der Irrthum in der Perſon, ſondern auch der Irrthum
in der Sache, in den Mitteln oder in der Handlung ſelbſt zu berück-
ſichtigen, und jeder Verwirrung zwiſchen dem error in objecto und der
aberratio criminis (ictus) vorzubeugen. Statt Irrthum hätte es hier:
Verwechslung heißen müſſen. g)

In dem Miniſterium für die Geſetz-Reviſion wurde anerkannt, daß
die Definition zu Anfang des §. 52. verfehlt ſei und auch der Schluß-
ſatz als entbehrlich und in ſeiner Allgemeinheit zu weit gehend aufge-
geben werden müſſe. Dagegen glaubte man einer Vorſchrift über den
dolus indeterminatus nicht entbehren zu können, wenn auch die in dem
Entwurf gegebene nicht aufrecht zu halten ſei. Die verſchiedenen For-
men des techniſch ſ. g. dolus alternativus, eventualis und indetermi-
natus
ſeien ihrem inneren Weſen nach gleichbedeutend. Beim dolus
alternativus
habe der Thäter den einen oder den andern möglichen Er-
folg — keinen ausſchließend — beabſichtigt. Beim eventualis habe er
zunächſt nur den Einen Erfolg im Auge gehabt, auf einen möglichen
andern Erfolg es aber gleichwohl auch ankommen laſſen. Bei dem
vorzugsweiſe ſ. g. dolus indeterminatus endlich habe er eine Rechts-
verletzung vornehmen wollen, die verſchiedene mögliche Folgen haben
konnte, und er ſei einverſtanden mit jedem dieſer möglichen Erfolge
geweſen, ohne irgend einen derſelben klar zu denken und zu wollen,
aber indem er, unbekümmert um den Erfolg, alles auf ſich genommen,

g) Reviſion des Entwurfs des Strafgeſetzbuchs von 1843. I.
S. 127, 128.
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[39/0049] §. VIII. Vorſatz und Fahrläſſigkeit. aber ſpäter, denſelben an dieſer Stelle in einer etwas erweiterten Faſ- ſung beizubehalten. Gegen den §. 52 waren aber in allen ſeinen Thei- len die entſchiedenſten Bedenken erhoben worden. Den erſten Abſatz hatten viele Monenten für überflüſſig erklärt oder doch die in demſelben vorwaltende Vermiſchung der Begriffe von Vorſatz und Abſicht, ſo wie die geforderte Uebereinſtimmung des Vorſatzes und des Erfolges geta- delt. Der zweite Abſatz war ebenfalls nicht nur als entbehrlich an- gegriffen, ſondern auch nach Inhalt und Form getadelt worden; man beſorgte namentlich eine Verwirrung der Begriffe des Dolus und der Culpa von der Wendung: „nicht außer der Abſicht“ und „für den als möglich vorauszuſehenden Fall;“ es ſei zweifelhaft, ob man hier mehr den ſ. g. dolus alternativus oder eventualis bezeichnet habe. Auch der dritte Abſatz war als überflüſſig oder in ſeiner Allgemeinheit unrichtig angefochten worden. Daß auf das Motiv des Vorſatzes nichts an- komme, verſtehe ſich von ſelbſt, wolle man aber des Irrthums gedenken, ſo ſei nicht bloß der Irrthum in der Perſon, ſondern auch der Irrthum in der Sache, in den Mitteln oder in der Handlung ſelbſt zu berück- ſichtigen, und jeder Verwirrung zwiſchen dem error in objecto und der aberratio criminis (ictus) vorzubeugen. Statt Irrthum hätte es hier: Verwechslung heißen müſſen. g) In dem Miniſterium für die Geſetz-Reviſion wurde anerkannt, daß die Definition zu Anfang des §. 52. verfehlt ſei und auch der Schluß- ſatz als entbehrlich und in ſeiner Allgemeinheit zu weit gehend aufge- geben werden müſſe. Dagegen glaubte man einer Vorſchrift über den dolus indeterminatus nicht entbehren zu können, wenn auch die in dem Entwurf gegebene nicht aufrecht zu halten ſei. Die verſchiedenen For- men des techniſch ſ. g. dolus alternativus, eventualis und indetermi- natus ſeien ihrem inneren Weſen nach gleichbedeutend. Beim dolus alternativus habe der Thäter den einen oder den andern möglichen Er- folg — keinen ausſchließend — beabſichtigt. Beim eventualis habe er zunächſt nur den Einen Erfolg im Auge gehabt, auf einen möglichen andern Erfolg es aber gleichwohl auch ankommen laſſen. Bei dem vorzugsweiſe ſ. g. dolus indeterminatus endlich habe er eine Rechts- verletzung vornehmen wollen, die verſchiedene mögliche Folgen haben konnte, und er ſei einverſtanden mit jedem dieſer möglichen Erfolge geweſen, ohne irgend einen derſelben klar zu denken und zu wollen, aber indem er, unbekümmert um den Erfolg, alles auf ſich genommen, g) Reviſion des Entwurfs des Strafgeſetzbuchs von 1843. I. S. 127, 128.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/49>, abgerufen am 21.11.2024.