Dabei war man in der Staatsraths-Kommission einverstanden, daß zum Wesen des dolus indeterminatus dreierlei gehöre, nämlich:
1) daß der Verbrecher eine strafbare Handlung in der Absicht un- ternehmen will, dadurch eine Rechtsverletzung zuzufügen;
2) daß er dabei einsieht, daß aus dieser Handlung auch eine andere Rechtsverletzung entstehen könne, und
3) daß er nun den Entschluß faßt, die Handlung zu unternehmen, damit entweder die eine oder die andere der von ihm als mög- lich gedachten Rechtsverletzungen entstehe.
Man entschied sich also dafür, daß der Thäter bei dem dolus in- determinatus die entstandene Rechtsverletzung bestimmt, wenn auch nur eventuell mitgewollt haben müsse, und daß es nicht genüge, wenn er sich die Rechtsverletzung als Folge seiner Handlung als möglich habe denken können, sie aber nicht habe hervorbringen wollen. Doch fügte man nachträglich noch eine allgemeine Vorschrift über den Irrthum in der Person oder in den Beweggründen hinzu. f) Daraus gingen für den Entwurf von 1843 folgende Sätze hervor:
§. 51. "Ob ein Verbrechen vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit verübt worden, hat der Richter nach den Umständen zu ermessen.
§. 52. Als vorsätzlich verübt ist das Verbrechen zu erachten, wenn dasselbe so erfolgt ist, wie es in der Absicht des Thäters gelegen hat.
Auch dann ist das Verbrechen als ein vorsätzliches zuzurechnen, wenn der eingetretene Erfolg zwar nicht zunächst oder ausschließlich bezweckt war, aus den Umständen aber hervorgeht, daß solcher, für den als möglich vorauszusehenden Fall seines Eintritts, nicht außer der Absicht des Thäters gelegen hat.
Durch einen Irrthum in der Person des Verletzten, oder in den Beweggründen wird der Vorsatz nicht ausgeschlossen.
§. 53. Ist aus der Handlung ein Erfolg entstanden, welcher außer der Absicht des Verbrechers lag, so ist ihm, falls nicht bei ein- zelnen Verbrechen ein anderes bestimmt ist, die That nur in Beziehung auf den beabsichtigten Erfolg als eine vorsätzliche, in Beziehung auf den ohne seinen Willen entstandenen Erfolg aber, nach Bewandniß der Umstände, zugleich als eine fahrlässige anzurechnen und die Strafe nach den Bestimmungen über das Zusammentreffen von Verbrechen (§. 118 -122) abzumessen."
Bei der wiederholten Prüfung dieses Entwurfs war man Anfangs geneigt, den §. 51 in das Einführungsgesetz zu verweisen, entschloß sich
f) a. a. O. II. (Berlin 1840). S. 188-90. -- III. S. 553, 54.
Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
Dabei war man in der Staatsraths-Kommiſſion einverſtanden, daß zum Weſen des dolus indeterminatus dreierlei gehöre, nämlich:
1) daß der Verbrecher eine ſtrafbare Handlung in der Abſicht un- ternehmen will, dadurch eine Rechtsverletzung zuzufügen;
2) daß er dabei einſieht, daß aus dieſer Handlung auch eine andere Rechtsverletzung entſtehen könne, und
3) daß er nun den Entſchluß faßt, die Handlung zu unternehmen, damit entweder die eine oder die andere der von ihm als mög- lich gedachten Rechtsverletzungen entſtehe.
Man entſchied ſich alſo dafür, daß der Thäter bei dem dolus in- determinatus die entſtandene Rechtsverletzung beſtimmt, wenn auch nur eventuell mitgewollt haben müſſe, und daß es nicht genüge, wenn er ſich die Rechtsverletzung als Folge ſeiner Handlung als möglich habe denken können, ſie aber nicht habe hervorbringen wollen. Doch fügte man nachträglich noch eine allgemeine Vorſchrift über den Irrthum in der Perſon oder in den Beweggründen hinzu. f) Daraus gingen für den Entwurf von 1843 folgende Sätze hervor:
§. 51. „Ob ein Verbrechen vorſätzlich oder aus Fahrläſſigkeit verübt worden, hat der Richter nach den Umſtänden zu ermeſſen.
§. 52. Als vorſätzlich verübt iſt das Verbrechen zu erachten, wenn daſſelbe ſo erfolgt iſt, wie es in der Abſicht des Thäters gelegen hat.
Auch dann iſt das Verbrechen als ein vorſätzliches zuzurechnen, wenn der eingetretene Erfolg zwar nicht zunächſt oder ausſchließlich bezweckt war, aus den Umſtänden aber hervorgeht, daß ſolcher, für den als möglich vorauszuſehenden Fall ſeines Eintritts, nicht außer der Abſicht des Thäters gelegen hat.
Durch einen Irrthum in der Perſon des Verletzten, oder in den Beweggründen wird der Vorſatz nicht ausgeſchloſſen.
§. 53. Iſt aus der Handlung ein Erfolg entſtanden, welcher außer der Abſicht des Verbrechers lag, ſo iſt ihm, falls nicht bei ein- zelnen Verbrechen ein anderes beſtimmt iſt, die That nur in Beziehung auf den beabſichtigten Erfolg als eine vorſätzliche, in Beziehung auf den ohne ſeinen Willen entſtandenen Erfolg aber, nach Bewandniß der Umſtände, zugleich als eine fahrläſſige anzurechnen und die Strafe nach den Beſtimmungen über das Zuſammentreffen von Verbrechen (§. 118 -122) abzumeſſen.“
Bei der wiederholten Prüfung dieſes Entwurfs war man Anfangs geneigt, den §. 51 in das Einführungsgeſetz zu verweiſen, entſchloß ſich
f) a. a. O. II. (Berlin 1840). S. 188-90. — III. S. 553, 54.
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Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
Dabei war man in der Staatsraths-Kommiſſion einverſtanden, daß zum
Weſen des dolus indeterminatus dreierlei gehöre, nämlich:
1) daß der Verbrecher eine ſtrafbare Handlung in der Abſicht un-
ternehmen will, dadurch eine Rechtsverletzung zuzufügen;
2) daß er dabei einſieht, daß aus dieſer Handlung auch eine andere
Rechtsverletzung entſtehen könne, und
3) daß er nun den Entſchluß faßt, die Handlung zu unternehmen,
damit entweder die eine oder die andere der von ihm als mög-
lich gedachten Rechtsverletzungen entſtehe.
Man entſchied ſich alſo dafür, daß der Thäter bei dem dolus in-
determinatus die entſtandene Rechtsverletzung beſtimmt, wenn auch nur
eventuell mitgewollt haben müſſe, und daß es nicht genüge, wenn er
ſich die Rechtsverletzung als Folge ſeiner Handlung als möglich habe
denken können, ſie aber nicht habe hervorbringen wollen. Doch fügte
man nachträglich noch eine allgemeine Vorſchrift über den Irrthum in
der Perſon oder in den Beweggründen hinzu. f) Daraus gingen für
den Entwurf von 1843 folgende Sätze hervor:
§. 51. „Ob ein Verbrechen vorſätzlich oder aus Fahrläſſigkeit
verübt worden, hat der Richter nach den Umſtänden zu ermeſſen.
§. 52. Als vorſätzlich verübt iſt das Verbrechen zu erachten, wenn
daſſelbe ſo erfolgt iſt, wie es in der Abſicht des Thäters gelegen hat.
Auch dann iſt das Verbrechen als ein vorſätzliches zuzurechnen,
wenn der eingetretene Erfolg zwar nicht zunächſt oder ausſchließlich
bezweckt war, aus den Umſtänden aber hervorgeht, daß ſolcher, für
den als möglich vorauszuſehenden Fall ſeines Eintritts, nicht außer
der Abſicht des Thäters gelegen hat.
Durch einen Irrthum in der Perſon des Verletzten, oder in den
Beweggründen wird der Vorſatz nicht ausgeſchloſſen.
§. 53. Iſt aus der Handlung ein Erfolg entſtanden, welcher
außer der Abſicht des Verbrechers lag, ſo iſt ihm, falls nicht bei ein-
zelnen Verbrechen ein anderes beſtimmt iſt, die That nur in Beziehung
auf den beabſichtigten Erfolg als eine vorſätzliche, in Beziehung auf
den ohne ſeinen Willen entſtandenen Erfolg aber, nach Bewandniß der
Umſtände, zugleich als eine fahrläſſige anzurechnen und die Strafe nach
den Beſtimmungen über das Zuſammentreffen von Verbrechen (§. 118
-122) abzumeſſen.“
Bei der wiederholten Prüfung dieſes Entwurfs war man Anfangs
geneigt, den §. 51 in das Einführungsgeſetz zu verweiſen, entſchloß ſich
f) a. a. O. II. (Berlin 1840). S. 188-90. — III. S. 553, 54.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/48>, abgerufen am 18.12.2024.
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