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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXIII. Urkundenfälschung.
Zweck ihrer Abfassung, zum Beweise einer Thatsache dienen können.
Demgemäß werde man sich, um Mißverständnissen vorzubeugen, dem
gesetzlichen Sprachgebrauche anschließen müssen, wie dies auch im Allg.
Landrecht a. a. O. §. 1380 ff. geschehen. In der Rheinischen Gesetz-
gebung kämen allerdings Bezeichnungen vor, die mit der Terminologie
der Allgem. Gerichtsordnung nicht ganz im Einklange seien. Indessen
würden alle Bedenken beseitigt, wenn man den Begriff der Urkunde
dahin feststelle, daß darunter jede Schrift, die zum Beweise einer That-
sache dienen könne, zu verstehen sei." l)

Demgemäß wurde auch der Entwurf von 1843. §. 462. gefaßt;
später hielt man es indessen für ausreichend, die Urkundenfälschung als
eine Fälschung von Schriften zu bezeichnen, und beschloß, von jeder
weiteren Definition der Urkunde abzustehen. m) -- Dieß wurde aber
wieder von den zur Staatsraths-Kommission hinzugezogenen Rheinischen
Juristen getadelt, welche namentlich mit Rücksicht auf die Geschworenen
eine nähere Feststellung des Begriffs der Urkunde für unerläßlich hielten,
gegen die Bestimmung des Entwurfs von 1843. aber einwandten, daß
sie theils zu weit sei, insofern sie nicht angebe, daß die Thatsachen in
irgend einer Weise erheblich sein müssen, theils aber zu enge, weil sie
sich nicht an die Grundsätze des Rheinischen Civilrechts über den An-
fang eines Schriftenbeweises anschließe. Sie begründeten darauf einen
neuen Vorschlag, der in der Staatsraths-Kommission freilich nicht an-
genommen ward, n) in dem vereinigten ständischen Ausschuß aber doch
insofern Berücksichtigung fand, daß die Definition des Entwurfs von
1843. wieder hergestellt wurde. o)

Bei der im Gesetzbuch (§. 247. Abs. 2.) gegebenen Begriffsbestim-
mung sind die angeführten Bemerkungen der Rheinischen Juristen berück-
sichtigt worden, indem auf die Erheblichkeit des Beweisstücks Bezug
genommen und außerdem der Gegenstand, auf den sich die Urkunde
beziehen muß, näher bezeichnet worden ist. p) Der Thatbestand der
Urkundenfälschung ist dadurch aber nicht unwesentlich beschränkt; z. B. wird
die in der Französischen Jurisprudenz mehrfach erörterte Streitfrage, ob
derjenige, der durch ein gefälschtes ärztliches Rezept sich Arsenik ver-

l) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 412.
m) Revision von 1845. III. S. 44. -- Revid. Entwurf von 1845.
§. 293. -- Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846.
S. 165.
n) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1847.
S. 44. und vierte Beilage S. 8. 38. 39.
o) Verhandlungen. IV. S. 295-302.
p) Vgl. Code penal. Art. 147. -- Soit par fabrication de conventions
dispositions, obligations ou decharges.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXIII. Urkundenfälſchung.
Zweck ihrer Abfaſſung, zum Beweiſe einer Thatſache dienen können.
Demgemäß werde man ſich, um Mißverſtändniſſen vorzubeugen, dem
geſetzlichen Sprachgebrauche anſchließen müſſen, wie dies auch im Allg.
Landrecht a. a. O. §. 1380 ff. geſchehen. In der Rheiniſchen Geſetz-
gebung kämen allerdings Bezeichnungen vor, die mit der Terminologie
der Allgem. Gerichtsordnung nicht ganz im Einklange ſeien. Indeſſen
würden alle Bedenken beſeitigt, wenn man den Begriff der Urkunde
dahin feſtſtelle, daß darunter jede Schrift, die zum Beweiſe einer That-
ſache dienen könne, zu verſtehen ſei.“ l)

Demgemäß wurde auch der Entwurf von 1843. §. 462. gefaßt;
ſpäter hielt man es indeſſen für ausreichend, die Urkundenfälſchung als
eine Fälſchung von Schriften zu bezeichnen, und beſchloß, von jeder
weiteren Definition der Urkunde abzuſtehen. m) — Dieß wurde aber
wieder von den zur Staatsraths-Kommiſſion hinzugezogenen Rheiniſchen
Juriſten getadelt, welche namentlich mit Rückſicht auf die Geſchworenen
eine nähere Feſtſtellung des Begriffs der Urkunde für unerläßlich hielten,
gegen die Beſtimmung des Entwurfs von 1843. aber einwandten, daß
ſie theils zu weit ſei, inſofern ſie nicht angebe, daß die Thatſachen in
irgend einer Weiſe erheblich ſein müſſen, theils aber zu enge, weil ſie
ſich nicht an die Grundſätze des Rheiniſchen Civilrechts über den An-
fang eines Schriftenbeweiſes anſchließe. Sie begründeten darauf einen
neuen Vorſchlag, der in der Staatsraths-Kommiſſion freilich nicht an-
genommen ward, n) in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß aber doch
inſofern Berückſichtigung fand, daß die Definition des Entwurfs von
1843. wieder hergeſtellt wurde. o)

Bei der im Geſetzbuch (§. 247. Abſ. 2.) gegebenen Begriffsbeſtim-
mung ſind die angeführten Bemerkungen der Rheiniſchen Juriſten berück-
ſichtigt worden, indem auf die Erheblichkeit des Beweisſtücks Bezug
genommen und außerdem der Gegenſtand, auf den ſich die Urkunde
beziehen muß, näher bezeichnet worden iſt. p) Der Thatbeſtand der
Urkundenfälſchung iſt dadurch aber nicht unweſentlich beſchränkt; z. B. wird
die in der Franzöſiſchen Jurisprudenz mehrfach erörterte Streitfrage, ob
derjenige, der durch ein gefälſchtes ärztliches Rezept ſich Arſenik ver-

l) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 412.
m) Reviſion von 1845. III. S. 44. — Revid. Entwurf von 1845.
§. 293. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846.
S. 165.
n) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847.
S. 44. und vierte Beilage S. 8. 38. 39.
o) Verhandlungen. IV. S. 295-302.
p) Vgl. Code pénal. Art. 147. — Soit par fabrication de conventions
dispositions, obligations ou décharges.
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[474/0484] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXIII. Urkundenfälſchung. Zweck ihrer Abfaſſung, zum Beweiſe einer Thatſache dienen können. Demgemäß werde man ſich, um Mißverſtändniſſen vorzubeugen, dem geſetzlichen Sprachgebrauche anſchließen müſſen, wie dies auch im Allg. Landrecht a. a. O. §. 1380 ff. geſchehen. In der Rheiniſchen Geſetz- gebung kämen allerdings Bezeichnungen vor, die mit der Terminologie der Allgem. Gerichtsordnung nicht ganz im Einklange ſeien. Indeſſen würden alle Bedenken beſeitigt, wenn man den Begriff der Urkunde dahin feſtſtelle, daß darunter jede Schrift, die zum Beweiſe einer That- ſache dienen könne, zu verſtehen ſei.“ l) Demgemäß wurde auch der Entwurf von 1843. §. 462. gefaßt; ſpäter hielt man es indeſſen für ausreichend, die Urkundenfälſchung als eine Fälſchung von Schriften zu bezeichnen, und beſchloß, von jeder weiteren Definition der Urkunde abzuſtehen. m) — Dieß wurde aber wieder von den zur Staatsraths-Kommiſſion hinzugezogenen Rheiniſchen Juriſten getadelt, welche namentlich mit Rückſicht auf die Geſchworenen eine nähere Feſtſtellung des Begriffs der Urkunde für unerläßlich hielten, gegen die Beſtimmung des Entwurfs von 1843. aber einwandten, daß ſie theils zu weit ſei, inſofern ſie nicht angebe, daß die Thatſachen in irgend einer Weiſe erheblich ſein müſſen, theils aber zu enge, weil ſie ſich nicht an die Grundſätze des Rheiniſchen Civilrechts über den An- fang eines Schriftenbeweiſes anſchließe. Sie begründeten darauf einen neuen Vorſchlag, der in der Staatsraths-Kommiſſion freilich nicht an- genommen ward, n) in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß aber doch inſofern Berückſichtigung fand, daß die Definition des Entwurfs von 1843. wieder hergeſtellt wurde. o) Bei der im Geſetzbuch (§. 247. Abſ. 2.) gegebenen Begriffsbeſtim- mung ſind die angeführten Bemerkungen der Rheiniſchen Juriſten berück- ſichtigt worden, indem auf die Erheblichkeit des Beweisſtücks Bezug genommen und außerdem der Gegenſtand, auf den ſich die Urkunde beziehen muß, näher bezeichnet worden iſt. p) Der Thatbeſtand der Urkundenfälſchung iſt dadurch aber nicht unweſentlich beſchränkt; z. B. wird die in der Franzöſiſchen Jurisprudenz mehrfach erörterte Streitfrage, ob derjenige, der durch ein gefälſchtes ärztliches Rezept ſich Arſenik ver- l) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 412. m) Reviſion von 1845. III. S. 44. — Revid. Entwurf von 1845. §. 293. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 165. n) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847. S. 44. und vierte Beilage S. 8. 38. 39. o) Verhandlungen. IV. S. 295-302. p) Vgl. Code pénal. Art. 147. — Soit par fabrication de conventions dispositions, obligations ou décharges.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/484>, abgerufen am 04.05.2024.