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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 246. Untreue.
dankenswerther Weise wieder zur Anerkennung gebracht habe, wenn
auch die Behandlung desselben im Einzelnen nicht immer zu billigen
sei. Es wurde daher die Wiederherstellung des weggelassenen Titels
beschlossen, und auch von der Kommission der ersten Kammer vollkommen
gebilligt.

I. Die Untreue wird nur durch vorsätzliches Handeln begangen,
indem das bestimmten Personen erwiesene besondere Vertrauen von ihnen
getäuscht wird. Gewinnsüchtige Absicht, wie bei dem Betruge, wird
hier aber nicht vorausgesetzt; liegt auch diese vor, so wird das Vergehen
wie ein unter erschwerenden Umständen verübter Betrug (§. 243.) be-
handelt; s. §. 246. Abs. 2.

II. Die Untreue wird begangen:

a. von Vormündern, Kuratoren, Sequestern, Testamentsvollziehern
und Verwaltern von Stiftungen, wenn sie vorsätzlich zum Nachtheile
der ihrer Aufsicht anvertrauten Personen oder Sachen handeln;
b. von Mäklern, Güterbestätigern, Schaffnern und anderen Ge-
werbtreibenden, welche zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit
besonders verpflichtet sind, wenn sie bei den ihnen übertragenen Geschäf-
ten vorsätzlich diejenigen benachtheiligen, deren Geschäfte sie besorgen.
Ueber die Untreue der Anwälte s. §. 329.
c. Die früheren Entwürfe hatten auch die Haus- und Wirth-
schaftsbeamten, Beamten von Aktien-, Handels- oder anderen Gesellschaften,
Gewerbsgehülfen und Dienstboten zu den Personen gerechnet, welche
eine Untreue begehen und deswegen auf Antrag des Verletzten bestraft
werden könnten. In der Kommission der zweiten Kammer wurde es
beantragt, auch diese Bestimmungen wiederherzustellen; doch erklärte sich
die Kommission gegen diesen Vorschlag. d)

"Sie ist davon ausgegangen, daß diejenigen Klassen von Personen,
welche den Bestimmungen über Untreue unterworfen werden sollen,
möglichst genau bestimmt werden müssen, und sie glaubt als eine rich-
tige Grenze zu bezeichnen, wenn sie davon die Privatbeamten und über-
haupt diejenigen Personen ausschließt, bei denen die Verpflichtung zu
einer besonderen Treue lediglich aus Privatrechtsverhältnissen entspringt,
und wenn sie die Bestimmungen blos auf solche Personen beschränkt,
welche mit einem öffentlichen Charakter bekleidet sind, oder wenigstens
unter öffentlicher Autorität wirken. Wollte man auch die Privatrechts-
verhältnisse darunter mit begreifen, so würde sich schwerlich eine richtige
Grenze finden lassen. Derjenige, welcher Privatverträge mit einem
Anderen abschließt, welche auf ein besonderes Vertrauen berechnet sind,

d) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu diesem Titel.

§. 246. Untreue.
dankenswerther Weiſe wieder zur Anerkennung gebracht habe, wenn
auch die Behandlung deſſelben im Einzelnen nicht immer zu billigen
ſei. Es wurde daher die Wiederherſtellung des weggelaſſenen Titels
beſchloſſen, und auch von der Kommiſſion der erſten Kammer vollkommen
gebilligt.

I. Die Untreue wird nur durch vorſätzliches Handeln begangen,
indem das beſtimmten Perſonen erwieſene beſondere Vertrauen von ihnen
getäuſcht wird. Gewinnſüchtige Abſicht, wie bei dem Betruge, wird
hier aber nicht vorausgeſetzt; liegt auch dieſe vor, ſo wird das Vergehen
wie ein unter erſchwerenden Umſtänden verübter Betrug (§. 243.) be-
handelt; ſ. §. 246. Abſ. 2.

II. Die Untreue wird begangen:

a. von Vormündern, Kuratoren, Sequeſtern, Teſtamentsvollziehern
und Verwaltern von Stiftungen, wenn ſie vorſätzlich zum Nachtheile
der ihrer Aufſicht anvertrauten Perſonen oder Sachen handeln;
b. von Mäklern, Güterbeſtätigern, Schaffnern und anderen Ge-
werbtreibenden, welche zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit
beſonders verpflichtet ſind, wenn ſie bei den ihnen übertragenen Geſchäf-
ten vorſätzlich diejenigen benachtheiligen, deren Geſchäfte ſie beſorgen.
Ueber die Untreue der Anwälte ſ. §. 329.
c. Die früheren Entwürfe hatten auch die Haus- und Wirth-
ſchaftsbeamten, Beamten von Aktien-, Handels- oder anderen Geſellſchaften,
Gewerbsgehülfen und Dienſtboten zu den Perſonen gerechnet, welche
eine Untreue begehen und deswegen auf Antrag des Verletzten beſtraft
werden könnten. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde es
beantragt, auch dieſe Beſtimmungen wiederherzuſtellen; doch erklärte ſich
die Kommiſſion gegen dieſen Vorſchlag. d)

„Sie iſt davon ausgegangen, daß diejenigen Klaſſen von Perſonen,
welche den Beſtimmungen über Untreue unterworfen werden ſollen,
möglichſt genau beſtimmt werden müſſen, und ſie glaubt als eine rich-
tige Grenze zu bezeichnen, wenn ſie davon die Privatbeamten und über-
haupt diejenigen Perſonen ausſchließt, bei denen die Verpflichtung zu
einer beſonderen Treue lediglich aus Privatrechtsverhältniſſen entſpringt,
und wenn ſie die Beſtimmungen blos auf ſolche Perſonen beſchränkt,
welche mit einem öffentlichen Charakter bekleidet ſind, oder wenigſtens
unter öffentlicher Autorität wirken. Wollte man auch die Privatrechts-
verhältniſſe darunter mit begreifen, ſo würde ſich ſchwerlich eine richtige
Grenze finden laſſen. Derjenige, welcher Privatverträge mit einem
Anderen abſchließt, welche auf ein beſonderes Vertrauen berechnet ſind,

d) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu dieſem Titel.
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[469/0479] §. 246. Untreue. dankenswerther Weiſe wieder zur Anerkennung gebracht habe, wenn auch die Behandlung deſſelben im Einzelnen nicht immer zu billigen ſei. Es wurde daher die Wiederherſtellung des weggelaſſenen Titels beſchloſſen, und auch von der Kommiſſion der erſten Kammer vollkommen gebilligt. I. Die Untreue wird nur durch vorſätzliches Handeln begangen, indem das beſtimmten Perſonen erwieſene beſondere Vertrauen von ihnen getäuſcht wird. Gewinnſüchtige Abſicht, wie bei dem Betruge, wird hier aber nicht vorausgeſetzt; liegt auch dieſe vor, ſo wird das Vergehen wie ein unter erſchwerenden Umſtänden verübter Betrug (§. 243.) be- handelt; ſ. §. 246. Abſ. 2. II. Die Untreue wird begangen: a. von Vormündern, Kuratoren, Sequeſtern, Teſtamentsvollziehern und Verwaltern von Stiftungen, wenn ſie vorſätzlich zum Nachtheile der ihrer Aufſicht anvertrauten Perſonen oder Sachen handeln; b. von Mäklern, Güterbeſtätigern, Schaffnern und anderen Ge- werbtreibenden, welche zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit beſonders verpflichtet ſind, wenn ſie bei den ihnen übertragenen Geſchäf- ten vorſätzlich diejenigen benachtheiligen, deren Geſchäfte ſie beſorgen. Ueber die Untreue der Anwälte ſ. §. 329. c. Die früheren Entwürfe hatten auch die Haus- und Wirth- ſchaftsbeamten, Beamten von Aktien-, Handels- oder anderen Geſellſchaften, Gewerbsgehülfen und Dienſtboten zu den Perſonen gerechnet, welche eine Untreue begehen und deswegen auf Antrag des Verletzten beſtraft werden könnten. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde es beantragt, auch dieſe Beſtimmungen wiederherzuſtellen; doch erklärte ſich die Kommiſſion gegen dieſen Vorſchlag. d) „Sie iſt davon ausgegangen, daß diejenigen Klaſſen von Perſonen, welche den Beſtimmungen über Untreue unterworfen werden ſollen, möglichſt genau beſtimmt werden müſſen, und ſie glaubt als eine rich- tige Grenze zu bezeichnen, wenn ſie davon die Privatbeamten und über- haupt diejenigen Perſonen ausſchließt, bei denen die Verpflichtung zu einer beſonderen Treue lediglich aus Privatrechtsverhältniſſen entſpringt, und wenn ſie die Beſtimmungen blos auf ſolche Perſonen beſchränkt, welche mit einem öffentlichen Charakter bekleidet ſind, oder wenigſtens unter öffentlicher Autorität wirken. Wollte man auch die Privatrechts- verhältniſſe darunter mit begreifen, ſo würde ſich ſchwerlich eine richtige Grenze finden laſſen. Derjenige, welcher Privatverträge mit einem Anderen abſchließt, welche auf ein beſonderes Vertrauen berechnet ſind, d) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu dieſem Titel.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/479>, abgerufen am 04.05.2024.