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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 237-239. Thatbestand; Strafe.

"Die Bemerkung von Schwarze, daß auch die Annahme von
Sachen lediglich zur Begünstigung der Person geschehen könne, z. B.
wenn jemand die von einem Bruder gestohlene Sachen nur zur Rettung
des verfolgten Thäters aufnehme, ist zwar richtig; es wird aber auch
nicht zweifelhaft sein, daß ein solcher Fall als bloße Begünstigung der
Person zu betrachten, und deshalb mit der Strafe der Hehlerei nur zu
belegen ist, wenn eigenes Interesse dabei obgewaltet hat."

Der Begriff der Hehlerei findet also in den allgemeinen Regeln
über den Thatbestand der Begünstigung seine Beschränkung. Aus dem-
selben Grunde wird aber auch anzunehmen sein, daß, wenn der Hehler
vor der Verübung des Verbrechens oder Vergehens dem Thäter seinen
Beistand zugesagt hat, die Regel des §. 38. zur Geltung kommt, und die
allgemeinen Grundsätze über die Theilnahme Anwendung finden können.

III. Die Strafe der einfachen Hehlerei ist die des einfachen Dieb-
stahls; auch kommen dabei die mildernden Umstände in derselben Weise
in Betracht (§. 216.). Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Be-
handlung beider Delikte besteht nur darin, daß der Versuch der Hehlerei
nicht unter Strafe gestellt worden ist.

IV. Die schwere Hehlerei liegt dann vor, wenn die verhehlten
Sachen von einem Raube oder einer gewaltsamen Erpressung (§. 236.)
oder einem schweren Diebstahle (§. 218.) herrühren, oder die Personen,
denen Vorschub geleistet wird, sich eines der genannten Verbrechen schul-
dig gemacht haben (§. 238.). Der schwere Diebstahl war in den frü-
heren Entwürfen nicht in diese Kategorie gestellt worden, indem man
annahm, daß dem Hehler die erschwerenden Umstände nicht vollständig
zugerechnet werden könnten, wenn auch bei der Strafzumessung darauf
Rücksicht zu nehmen sei. Allein es läßt sich nicht einsehen, warum
nicht die Kenntniß von den erschwerenden Umständen eines Diebstahls,
welche denselben zu einem Verbrechen qualifiziren, ebensogut die Strafe
der Hehlerei sollte erhöhen können, wie die Kenntniß von einem Raube
oder einer gewaltsamen Erpressung. q) Wenn dagegen als Grund an-
geführt worden ist, der Hehler als solcher habe nicht schon vor der
That seine Begünstigung zugesagt, und seine Theilnahme beziehe sich
hauptsächlich auf die Sicherung des rechtswidrigen Erfolgs eines schon
verübten Verbrechens, r) so beweist das zu viel; denn das würde sich
gegen die Qualifikation der Hehlerei, welche in Folge eines Raubes
begangen worden, mit demselben Rechte anführen lassen, und bei der

q) Bericht der Kommission der zweiten Kammer a. a. O. -- Be-
richt der Kommission der ersten Kammer
zu Tit. 20.
r) Revision a. a. O.
§§. 237-239. Thatbeſtand; Strafe.

„Die Bemerkung von Schwarze, daß auch die Annahme von
Sachen lediglich zur Begünſtigung der Perſon geſchehen könne, z. B.
wenn jemand die von einem Bruder geſtohlene Sachen nur zur Rettung
des verfolgten Thäters aufnehme, iſt zwar richtig; es wird aber auch
nicht zweifelhaft ſein, daß ein ſolcher Fall als bloße Begünſtigung der
Perſon zu betrachten, und deshalb mit der Strafe der Hehlerei nur zu
belegen iſt, wenn eigenes Intereſſe dabei obgewaltet hat.“

Der Begriff der Hehlerei findet alſo in den allgemeinen Regeln
über den Thatbeſtand der Begünſtigung ſeine Beſchränkung. Aus dem-
ſelben Grunde wird aber auch anzunehmen ſein, daß, wenn der Hehler
vor der Verübung des Verbrechens oder Vergehens dem Thäter ſeinen
Beiſtand zugeſagt hat, die Regel des §. 38. zur Geltung kommt, und die
allgemeinen Grundſätze über die Theilnahme Anwendung finden können.

III. Die Strafe der einfachen Hehlerei iſt die des einfachen Dieb-
ſtahls; auch kommen dabei die mildernden Umſtände in derſelben Weiſe
in Betracht (§. 216.). Ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen der Be-
handlung beider Delikte beſteht nur darin, daß der Verſuch der Hehlerei
nicht unter Strafe geſtellt worden iſt.

IV. Die ſchwere Hehlerei liegt dann vor, wenn die verhehlten
Sachen von einem Raube oder einer gewaltſamen Erpreſſung (§. 236.)
oder einem ſchweren Diebſtahle (§. 218.) herrühren, oder die Perſonen,
denen Vorſchub geleiſtet wird, ſich eines der genannten Verbrechen ſchul-
dig gemacht haben (§. 238.). Der ſchwere Diebſtahl war in den frü-
heren Entwürfen nicht in dieſe Kategorie geſtellt worden, indem man
annahm, daß dem Hehler die erſchwerenden Umſtände nicht vollſtändig
zugerechnet werden könnten, wenn auch bei der Strafzumeſſung darauf
Rückſicht zu nehmen ſei. Allein es läßt ſich nicht einſehen, warum
nicht die Kenntniß von den erſchwerenden Umſtänden eines Diebſtahls,
welche denſelben zu einem Verbrechen qualifiziren, ebenſogut die Strafe
der Hehlerei ſollte erhöhen können, wie die Kenntniß von einem Raube
oder einer gewaltſamen Erpreſſung. q) Wenn dagegen als Grund an-
geführt worden iſt, der Hehler als ſolcher habe nicht ſchon vor der
That ſeine Begünſtigung zugeſagt, und ſeine Theilnahme beziehe ſich
hauptſächlich auf die Sicherung des rechtswidrigen Erfolgs eines ſchon
verübten Verbrechens, r) ſo beweiſt das zu viel; denn das würde ſich
gegen die Qualifikation der Hehlerei, welche in Folge eines Raubes
begangen worden, mit demſelben Rechte anführen laſſen, und bei der

q) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer a. a. O. — Be-
richt der Kommiſſion der erſten Kammer
zu Tit. 20.
r) Reviſion a. a. O.
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[453/0463] §§. 237-239. Thatbeſtand; Strafe. „Die Bemerkung von Schwarze, daß auch die Annahme von Sachen lediglich zur Begünſtigung der Perſon geſchehen könne, z. B. wenn jemand die von einem Bruder geſtohlene Sachen nur zur Rettung des verfolgten Thäters aufnehme, iſt zwar richtig; es wird aber auch nicht zweifelhaft ſein, daß ein ſolcher Fall als bloße Begünſtigung der Perſon zu betrachten, und deshalb mit der Strafe der Hehlerei nur zu belegen iſt, wenn eigenes Intereſſe dabei obgewaltet hat.“ Der Begriff der Hehlerei findet alſo in den allgemeinen Regeln über den Thatbeſtand der Begünſtigung ſeine Beſchränkung. Aus dem- ſelben Grunde wird aber auch anzunehmen ſein, daß, wenn der Hehler vor der Verübung des Verbrechens oder Vergehens dem Thäter ſeinen Beiſtand zugeſagt hat, die Regel des §. 38. zur Geltung kommt, und die allgemeinen Grundſätze über die Theilnahme Anwendung finden können. III. Die Strafe der einfachen Hehlerei iſt die des einfachen Dieb- ſtahls; auch kommen dabei die mildernden Umſtände in derſelben Weiſe in Betracht (§. 216.). Ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen der Be- handlung beider Delikte beſteht nur darin, daß der Verſuch der Hehlerei nicht unter Strafe geſtellt worden iſt. IV. Die ſchwere Hehlerei liegt dann vor, wenn die verhehlten Sachen von einem Raube oder einer gewaltſamen Erpreſſung (§. 236.) oder einem ſchweren Diebſtahle (§. 218.) herrühren, oder die Perſonen, denen Vorſchub geleiſtet wird, ſich eines der genannten Verbrechen ſchul- dig gemacht haben (§. 238.). Der ſchwere Diebſtahl war in den frü- heren Entwürfen nicht in dieſe Kategorie geſtellt worden, indem man annahm, daß dem Hehler die erſchwerenden Umſtände nicht vollſtändig zugerechnet werden könnten, wenn auch bei der Strafzumeſſung darauf Rückſicht zu nehmen ſei. Allein es läßt ſich nicht einſehen, warum nicht die Kenntniß von den erſchwerenden Umſtänden eines Diebſtahls, welche denſelben zu einem Verbrechen qualifiziren, ebenſogut die Strafe der Hehlerei ſollte erhöhen können, wie die Kenntniß von einem Raube oder einer gewaltſamen Erpreſſung. q) Wenn dagegen als Grund an- geführt worden iſt, der Hehler als ſolcher habe nicht ſchon vor der That ſeine Begünſtigung zugeſagt, und ſeine Theilnahme beziehe ſich hauptſächlich auf die Sicherung des rechtswidrigen Erfolgs eines ſchon verübten Verbrechens, r) ſo beweiſt das zu viel; denn das würde ſich gegen die Qualifikation der Hehlerei, welche in Folge eines Raubes begangen worden, mit demſelben Rechte anführen laſſen, und bei der q) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer a. a. O. — Be- richt der Kommiſſion der erſten Kammer zu Tit. 20. r) Reviſion a. a. O.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/463>, abgerufen am 04.05.2024.