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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVIII. Diebstahl u. Unterschlagung.

Sache. Durch diese Bestimmung wird die Gebrauchs- und Besitzent-
wendung, das furtum usus und possessionis im Sinne des Römischen
Rechts, von dem Begriff des Diebstahls ausgeschlossen, indem für die
Fälle, welche darunter befaßt zu werden pflegen, die besondere Vorschrift
des §. 271. aufgestellt ist. Man entschloß sich um so eher, den That-
bestand des Verbrechens in dem engeren Sinne des Deutschen Rechts
wieder herzustellen, da man sich in der Praxis überzeugt hatte, daß die
entgegenstehende Vorschrift des Allg. Landrechts (Th. II. Tit. 20. §. 1110.)
keinen eigentlichen Bestand habe gewinnen können. y) -- Daß aber nur
eine bewegliche Sache Gegenstand eines Diebstahls sein kann, ist von
keiner Seite bezweifelt worden; strafbare Handlungen verwandter Art,
welche gegen das Eigenthum von Grundstücken gerichtet sind, wie das
Verrücken von Grenzsteinen (§. 243. Nr. 6.), das Abgraben und Ab-
pflügen (§. 349. Nr. 1.), haben ihre besondere Normirung gefunden;
und wenn einzelne Bestandtheile einer unbeweglichen Sache, z. B. Ziegel
von einem Dache entwendet werden, so fällt eine solche Handlung unter
den Begriff des Diebstahls, da solche Bestandtheile durch die Trennung
die Eigenschaft beweglicher Sachen annehmen.

Als eine fremde Sache ist übrigens auch eine solche anzusehen, an
welcher der Dieb als Miteigenthümer oder Miterbe betheiligt ist. Einer
ausdrücklichen Vorschrift darüber, wie sie in anderen Gesetzgebungen
vorkommt, z) schien es nicht zu bedürfen, da allgemeine Rechtsgrundsätze
mit Nothwendigkeit zu jener Annahme führen, und selbst bei dem Be-
griff des Deutschen Gesammteigenthums in seiner strengsten Durchführung
das Recht des Einen Theils durch das des Anderen nicht aufgehoben
wird, wenn auch eine Beeinträchtigung des Genossen nicht leicht in der
Form des Diebstahls sich darstellen wird. -- Natürlich kann aber bei
dem Diebstahl an einer gemeinsamen Sache der Werth derselben nur so
bestimmt werden, daß allein der auf die andern Mitbetheiligten fallende
Werthstheil zur Anrechnung kommt. a)

II. Bei Verübung des Diebstahls wird die Sache einem Anderen
weggenommen. Daß dieß ohne Gewalt oder Drohungen geschehen muß,
ist nicht besonders hervorgehoben worden, da gerade in dem Moment
der hinzutretenden Gewalt der Unterschied zwischen dem Diebstahl und
dem Raube liegt. Wenn andere Gesetzbücher es bei der Definition des

y) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. III.
S. 349. -- Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. März 1842.
z) Sächs. Criminalgesetzb. Art. 224. -- Württemberg. Straf-
gesetzb.
Art. 319. -- Hannov. Criminalgesetzb. Art. 280. -- Hess. Straf-
gesetzb.
Art. 357.
a) Revision von 1845. III. S. 4. Vgl. A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 1130.
-- Entwurf von 1836. §. 551.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung.

Sache. Durch dieſe Beſtimmung wird die Gebrauchs- und Beſitzent-
wendung, das furtum usus und possessionis im Sinne des Römiſchen
Rechts, von dem Begriff des Diebſtahls ausgeſchloſſen, indem für die
Fälle, welche darunter befaßt zu werden pflegen, die beſondere Vorſchrift
des §. 271. aufgeſtellt iſt. Man entſchloß ſich um ſo eher, den That-
beſtand des Verbrechens in dem engeren Sinne des Deutſchen Rechts
wieder herzuſtellen, da man ſich in der Praxis überzeugt hatte, daß die
entgegenſtehende Vorſchrift des Allg. Landrechts (Th. II. Tit. 20. §. 1110.)
keinen eigentlichen Beſtand habe gewinnen können. y) — Daß aber nur
eine bewegliche Sache Gegenſtand eines Diebſtahls ſein kann, iſt von
keiner Seite bezweifelt worden; ſtrafbare Handlungen verwandter Art,
welche gegen das Eigenthum von Grundſtücken gerichtet ſind, wie das
Verrücken von Grenzſteinen (§. 243. Nr. 6.), das Abgraben und Ab-
pflügen (§. 349. Nr. 1.), haben ihre beſondere Normirung gefunden;
und wenn einzelne Beſtandtheile einer unbeweglichen Sache, z. B. Ziegel
von einem Dache entwendet werden, ſo fällt eine ſolche Handlung unter
den Begriff des Diebſtahls, da ſolche Beſtandtheile durch die Trennung
die Eigenſchaft beweglicher Sachen annehmen.

Als eine fremde Sache iſt übrigens auch eine ſolche anzuſehen, an
welcher der Dieb als Miteigenthümer oder Miterbe betheiligt iſt. Einer
ausdrücklichen Vorſchrift darüber, wie ſie in anderen Geſetzgebungen
vorkommt, z) ſchien es nicht zu bedürfen, da allgemeine Rechtsgrundſätze
mit Nothwendigkeit zu jener Annahme führen, und ſelbſt bei dem Be-
griff des Deutſchen Geſammteigenthums in ſeiner ſtrengſten Durchführung
das Recht des Einen Theils durch das des Anderen nicht aufgehoben
wird, wenn auch eine Beeinträchtigung des Genoſſen nicht leicht in der
Form des Diebſtahls ſich darſtellen wird. — Natürlich kann aber bei
dem Diebſtahl an einer gemeinſamen Sache der Werth derſelben nur ſo
beſtimmt werden, daß allein der auf die andern Mitbetheiligten fallende
Werthstheil zur Anrechnung kommt. a)

II. Bei Verübung des Diebſtahls wird die Sache einem Anderen
weggenommen. Daß dieß ohne Gewalt oder Drohungen geſchehen muß,
iſt nicht beſonders hervorgehoben worden, da gerade in dem Moment
der hinzutretenden Gewalt der Unterſchied zwiſchen dem Diebſtahl und
dem Raube liegt. Wenn andere Geſetzbücher es bei der Definition des

y) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III.
S. 349. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. März 1842.
z) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 224. — Württemberg. Straf-
geſetzb.
Art. 319. — Hannov. Criminalgeſetzb. Art. 280. — Heſſ. Straf-
geſetzb.
Art. 357.
a) Reviſion von 1845. III. S. 4. Vgl. A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 1130.
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[408/0418] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung. Sache. Durch dieſe Beſtimmung wird die Gebrauchs- und Beſitzent- wendung, das furtum usus und possessionis im Sinne des Römiſchen Rechts, von dem Begriff des Diebſtahls ausgeſchloſſen, indem für die Fälle, welche darunter befaßt zu werden pflegen, die beſondere Vorſchrift des §. 271. aufgeſtellt iſt. Man entſchloß ſich um ſo eher, den That- beſtand des Verbrechens in dem engeren Sinne des Deutſchen Rechts wieder herzuſtellen, da man ſich in der Praxis überzeugt hatte, daß die entgegenſtehende Vorſchrift des Allg. Landrechts (Th. II. Tit. 20. §. 1110.) keinen eigentlichen Beſtand habe gewinnen können. y) — Daß aber nur eine bewegliche Sache Gegenſtand eines Diebſtahls ſein kann, iſt von keiner Seite bezweifelt worden; ſtrafbare Handlungen verwandter Art, welche gegen das Eigenthum von Grundſtücken gerichtet ſind, wie das Verrücken von Grenzſteinen (§. 243. Nr. 6.), das Abgraben und Ab- pflügen (§. 349. Nr. 1.), haben ihre beſondere Normirung gefunden; und wenn einzelne Beſtandtheile einer unbeweglichen Sache, z. B. Ziegel von einem Dache entwendet werden, ſo fällt eine ſolche Handlung unter den Begriff des Diebſtahls, da ſolche Beſtandtheile durch die Trennung die Eigenſchaft beweglicher Sachen annehmen. Als eine fremde Sache iſt übrigens auch eine ſolche anzuſehen, an welcher der Dieb als Miteigenthümer oder Miterbe betheiligt iſt. Einer ausdrücklichen Vorſchrift darüber, wie ſie in anderen Geſetzgebungen vorkommt, z) ſchien es nicht zu bedürfen, da allgemeine Rechtsgrundſätze mit Nothwendigkeit zu jener Annahme führen, und ſelbſt bei dem Be- griff des Deutſchen Geſammteigenthums in ſeiner ſtrengſten Durchführung das Recht des Einen Theils durch das des Anderen nicht aufgehoben wird, wenn auch eine Beeinträchtigung des Genoſſen nicht leicht in der Form des Diebſtahls ſich darſtellen wird. — Natürlich kann aber bei dem Diebſtahl an einer gemeinſamen Sache der Werth derſelben nur ſo beſtimmt werden, daß allein der auf die andern Mitbetheiligten fallende Werthstheil zur Anrechnung kommt. a) II. Bei Verübung des Diebſtahls wird die Sache einem Anderen weggenommen. Daß dieß ohne Gewalt oder Drohungen geſchehen muß, iſt nicht beſonders hervorgehoben worden, da gerade in dem Moment der hinzutretenden Gewalt der Unterſchied zwiſchen dem Diebſtahl und dem Raube liegt. Wenn andere Geſetzbücher es bei der Definition des y) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III. S. 349. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. März 1842. z) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 224. — Württemberg. Straf- geſetzb. Art. 319. — Hannov. Criminalgeſetzb. Art. 280. — Heſſ. Straf- geſetzb. Art. 357. a) Reviſion von 1845. III. S. 4. Vgl. A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 1130. — Entwurf von 1836. §. 551.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/418>, abgerufen am 05.05.2024.