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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVII. Verbr. u. Verg. wider d. Freih.
niß und Lebensbestimmung unterworfen werden soll; in diesen Fällen
muß die Einwilligung der Eltern oder Vormünder jede Strafbarkeit
ausschließen. Denn hier wird eigentlich nicht das Kind in seiner Per-
son gekränkt, sondern vielmehr die Rechte der Erziehungsgewalt und der
Familie überhaupt. Wenn z. B. ein Kind mit Einwilligung der Eltern
in ein Kloster, oder in anderweite Erziehungsanstalten gebracht wird, so
ist von einem Menschenraube nicht die Rede. Dies Verbrechen liegt
aber vor, wenn ein Kind auch in wohlwollender oder vermeintlich guter
Absicht entführt wird, um es in einem andern Glauben erziehen zu
lassen, oder um es im Widerspruch mit den Verhältnissen der Familie,
worin es geboren wurde, zum Tagelöhner oder Handwerker zu machen.
Ebenso, wenn das Kind in bester Absicht den Eltern entrissen wird, aus
Wohlgefallen an demselben, oder um Rechte des Familienstandes zu
kränken, soweit hier der §. 478. (§. 138. des Strafgesetzbuchs) keine
Anwendung findet."

"Andere Fälle als die angeführten, werden nicht leicht vorkommen,
und wenn sie vorkommen, so würden sie zu anderen Verbrechen gehö-
ren, so daß auf diese Weise die negative Bestimmung der Nr. 3. des
§. sich erledigt. Es muß dabei nur der Gesichtspunkt festgehalten wer-
den, daß diejenigen Fälle zusammen zu stellen sind, in welchen die Ein-
willigung der Eltern jedes Verbrechen ausschließt. -- Die Definition
im Eingang des §. 356. scheint aber auch insofern unrichtig, als bei
dem Begriff des Menschenraubes keineswegs auf die Entfernung aus
dem Staatsgebiet so viel Gewicht zu legen ist, da ein Menschenraub
auch außerhalb der Grenzen unseres Staats sowohl an einem Preußen,
als an einem Ausländer verübt werden könnte. -- Hiernächst muß an-
genommen werden, daß zum Thatbestand dieses Verbrechens nicht die
Erreichung der verbrecherischen Absicht, also des Menschenverkaufs, der
Aussetzung u. s. f. gehört. Das Verbrechen ist vollendet, sobald die
Freiheitsberaubung und zwar in jener verbrecherischen Absicht erfolgt ist;
ob diese Absicht erreicht worden, ist hier, wie beim Raube und der Ent-
führung, zum Begriff nicht gehörig, und dieser Umstand bildet nur einen
Zumessungsgrund. Dies ist auch die Meinung des Entwurfs, u) und
es muß dieselbe festgehalten werden, wenngleich sie nicht die der ande-
ren Deutschen Gesetzbücher ist.

v)

Wenn sonach aber die Erreichung des

u) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 283. Es wird hier besonders
hervorgehoben, daß, wenn man auf die Folgen des Verbrechens ein besonderes Ge-
wicht lege, man die Größe der Strafe eigentlich vom Zufall abhängen lasse, während
es doch hauptsächlich der Wille und die Absicht des Thäters sei, worauf es bei Fest-
stellung der Strafe ankomme.
v) Das gilt doch nur für das Hannov. Criminalgesetzb. Art. 250-51.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVII. Verbr. u. Verg. wider d. Freih.
niß und Lebensbeſtimmung unterworfen werden ſoll; in dieſen Fällen
muß die Einwilligung der Eltern oder Vormünder jede Strafbarkeit
ausſchließen. Denn hier wird eigentlich nicht das Kind in ſeiner Per-
ſon gekränkt, ſondern vielmehr die Rechte der Erziehungsgewalt und der
Familie überhaupt. Wenn z. B. ein Kind mit Einwilligung der Eltern
in ein Kloſter, oder in anderweite Erziehungsanſtalten gebracht wird, ſo
iſt von einem Menſchenraube nicht die Rede. Dies Verbrechen liegt
aber vor, wenn ein Kind auch in wohlwollender oder vermeintlich guter
Abſicht entführt wird, um es in einem andern Glauben erziehen zu
laſſen, oder um es im Widerſpruch mit den Verhältniſſen der Familie,
worin es geboren wurde, zum Tagelöhner oder Handwerker zu machen.
Ebenſo, wenn das Kind in beſter Abſicht den Eltern entriſſen wird, aus
Wohlgefallen an demſelben, oder um Rechte des Familienſtandes zu
kränken, ſoweit hier der §. 478. (§. 138. des Strafgeſetzbuchs) keine
Anwendung findet.“

„Andere Fälle als die angeführten, werden nicht leicht vorkommen,
und wenn ſie vorkommen, ſo würden ſie zu anderen Verbrechen gehö-
ren, ſo daß auf dieſe Weiſe die negative Beſtimmung der Nr. 3. des
§. ſich erledigt. Es muß dabei nur der Geſichtspunkt feſtgehalten wer-
den, daß diejenigen Fälle zuſammen zu ſtellen ſind, in welchen die Ein-
willigung der Eltern jedes Verbrechen ausſchließt. — Die Definition
im Eingang des §. 356. ſcheint aber auch inſofern unrichtig, als bei
dem Begriff des Menſchenraubes keineswegs auf die Entfernung aus
dem Staatsgebiet ſo viel Gewicht zu legen iſt, da ein Menſchenraub
auch außerhalb der Grenzen unſeres Staats ſowohl an einem Preußen,
als an einem Ausländer verübt werden könnte. — Hiernächſt muß an-
genommen werden, daß zum Thatbeſtand dieſes Verbrechens nicht die
Erreichung der verbrecheriſchen Abſicht, alſo des Menſchenverkaufs, der
Ausſetzung u. ſ. f. gehört. Das Verbrechen iſt vollendet, ſobald die
Freiheitsberaubung und zwar in jener verbrecheriſchen Abſicht erfolgt iſt;
ob dieſe Abſicht erreicht worden, iſt hier, wie beim Raube und der Ent-
führung, zum Begriff nicht gehörig, und dieſer Umſtand bildet nur einen
Zumeſſungsgrund. Dies iſt auch die Meinung des Entwurfs, u) und
es muß dieſelbe feſtgehalten werden, wenngleich ſie nicht die der ande-
ren Deutſchen Geſetzbücher iſt.

v)

Wenn ſonach aber die Erreichung des

u) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 283. Es wird hier beſonders
hervorgehoben, daß, wenn man auf die Folgen des Verbrechens ein beſonderes Ge-
wicht lege, man die Größe der Strafe eigentlich vom Zufall abhängen laſſe, während
es doch hauptſächlich der Wille und die Abſicht des Thäters ſei, worauf es bei Feſt-
ſtellung der Strafe ankomme.
v) Das gilt doch nur für das Hannov. Criminalgeſetzb. Art. 250-51.
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[390/0400] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVII. Verbr. u. Verg. wider d. Freih. niß und Lebensbeſtimmung unterworfen werden ſoll; in dieſen Fällen muß die Einwilligung der Eltern oder Vormünder jede Strafbarkeit ausſchließen. Denn hier wird eigentlich nicht das Kind in ſeiner Per- ſon gekränkt, ſondern vielmehr die Rechte der Erziehungsgewalt und der Familie überhaupt. Wenn z. B. ein Kind mit Einwilligung der Eltern in ein Kloſter, oder in anderweite Erziehungsanſtalten gebracht wird, ſo iſt von einem Menſchenraube nicht die Rede. Dies Verbrechen liegt aber vor, wenn ein Kind auch in wohlwollender oder vermeintlich guter Abſicht entführt wird, um es in einem andern Glauben erziehen zu laſſen, oder um es im Widerſpruch mit den Verhältniſſen der Familie, worin es geboren wurde, zum Tagelöhner oder Handwerker zu machen. Ebenſo, wenn das Kind in beſter Abſicht den Eltern entriſſen wird, aus Wohlgefallen an demſelben, oder um Rechte des Familienſtandes zu kränken, ſoweit hier der §. 478. (§. 138. des Strafgeſetzbuchs) keine Anwendung findet.“ „Andere Fälle als die angeführten, werden nicht leicht vorkommen, und wenn ſie vorkommen, ſo würden ſie zu anderen Verbrechen gehö- ren, ſo daß auf dieſe Weiſe die negative Beſtimmung der Nr. 3. des §. ſich erledigt. Es muß dabei nur der Geſichtspunkt feſtgehalten wer- den, daß diejenigen Fälle zuſammen zu ſtellen ſind, in welchen die Ein- willigung der Eltern jedes Verbrechen ausſchließt. — Die Definition im Eingang des §. 356. ſcheint aber auch inſofern unrichtig, als bei dem Begriff des Menſchenraubes keineswegs auf die Entfernung aus dem Staatsgebiet ſo viel Gewicht zu legen iſt, da ein Menſchenraub auch außerhalb der Grenzen unſeres Staats ſowohl an einem Preußen, als an einem Ausländer verübt werden könnte. — Hiernächſt muß an- genommen werden, daß zum Thatbeſtand dieſes Verbrechens nicht die Erreichung der verbrecheriſchen Abſicht, alſo des Menſchenverkaufs, der Ausſetzung u. ſ. f. gehört. Das Verbrechen iſt vollendet, ſobald die Freiheitsberaubung und zwar in jener verbrecheriſchen Abſicht erfolgt iſt; ob dieſe Abſicht erreicht worden, iſt hier, wie beim Raube und der Ent- führung, zum Begriff nicht gehörig, und dieſer Umſtand bildet nur einen Zumeſſungsgrund. Dies iſt auch die Meinung des Entwurfs, u) und es muß dieſelbe feſtgehalten werden, wenngleich ſie nicht die der ande- ren Deutſchen Geſetzbücher iſt. v) Wenn ſonach aber die Erreichung des u) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 283. Es wird hier beſonders hervorgehoben, daß, wenn man auf die Folgen des Verbrechens ein beſonderes Ge- wicht lege, man die Größe der Strafe eigentlich vom Zufall abhängen laſſe, während es doch hauptſächlich der Wille und die Abſicht des Thäters ſei, worauf es bei Feſt- ſtellung der Strafe ankomme. v) Das gilt doch nur für das Hannov. Criminalgeſetzb. Art. 250-51.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/400>, abgerufen am 22.11.2024.